Mittlerer Osten 2006
17. August bis 30. September

Khaju Brücke in Esfahan

Hier muß ich etwas weiter ausholen, da diese Fahrt wieder durch Reihe von Zufällen entstand, nur diesmal kam alles vollkommen unerwartet:
In L.A., wo sich mein derzeitiger Hauptwohnsitz befindet, ereilte mich am 7. Juni ein Brief. Ich kam gerade von der Arbeit heim. Martia war zu der Zeit zu Besuch und ebenfalls etwas ermattet von der Arbeit. Besagter Brief fiel mir nur dadurch auf, daß das Couvert aus Umweltschutzpapier bestand. "Komisch", dachte ich mir, "das muß aus Deutschland sein. Sowas gibt es hier nicht". Ich sah ihn mir an. Er trug einen Stempel der Justizbehörden Augsburg. Worum es ging, war mir schon klar, bevor ich ihn öffnete. Ich hatte am 20. Februar einen Brief an die Staatsanwaltschaft Augsburg verfasst, den ich hier wörtlich wiedergeben möchte:

 

Reiseberichte.com

 

An:
Staatsanwaltschaft Augsburg
Abt. f. Allg.- u. Verkehrsdelikte
Gögginger Str. 101
86199 Augsburg

Betr.: Markus Besold

Sehr geehrte Zuständige,

mir wäre es recht, wenn Sie mir mitteilen könnten, auf wie viel sich die Unsumme beläuft, die ich zu entrichten habe, um wieder mit Erfolgsaussichten einen Paß beantragen zu können.

Darüberhinaus bräuchte ich noch eine Bankverbindung, auf die ich das Geld überweisen kann. Bitte hierbei zu beachten, daß es sich um eine Auslandsüberweisung handelt, und ich daher die IBAN / Swift benötige, um den Transfer durchführen zu können.

Leider kann ich Ihnen mit Aktenzeichen nicht dienen, da die Papiere in Deutschland liegen. Hier jedoch meine damaligen Daten, falls das hilft, die Prozedur zu beschleunigen:

Name:
Markus Bernhard Besold

damals wohnhaft in:
Allgäuer Str. 32
86199 Augsburg

geb. am / in:
10. Dezember 1974 / Landshut

Familienstand:
ledig

erlernter Beruf:
Schreiner

ausgeübter Beruf:
keiner

Vorwurf:
"Vorsätzliches" Fahren ohne Fahrerlaubnis

 

           Mit freundlichen Grüßen aus dem Sonnenstaat

           ________________________
                      M. Besold

Beamte sind nun mal bekanntlich schwer beschäftigt und daher bekam ich erst im Juni eine Antwort. Und diese lautete folgendermaßen:

Strafsache gegen S i e
       wegen Fahrens ohne Führerschein

Sehr geehrter Herr Besold,

es wird mitgeteilt, dass keine Zahlungsforderungen an Sie gestellt werden, da mittlerweile Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Mainzer
Staatsanwalt

Eigentlich hatte ich einen Betrag erwartet oder einen Zeitraum, den ich abzusitzen hatte. Stattdessen sowas. "Martia!", rief ich, "Arbeit fällt morgen aus. Jetzt wird gefeiert." Geil! Auf diesen Tag habe ich jahrelang gewartet. Jahrelang. Und es lief alles perfekt, von Anfang an. Das hier war nun die Krönung des Ganzen. Die Vergangenheit holte mich ein, doch nun war ich frei. Ich hatte es amtlich. Hätten sie mir nicht den Führerschein genommen, hätte ich nicht sechs Anzeigen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bekommen. Hätte ich nicht dadurch Ärger mit den Bullen gehabt, wäre ich nie losgefahren. Somit hätte ich einiges verpaßt und hätte mich wohl in den letzten sechs Jahren von Gelegenheitsjob zu Hilfsarbeitertätigkeit geschlagen, bei denen man - zumindest in Deutschland - nicht umhinkommt, sich mit grenzwertigen Menschen abgeben zu müssen, die mangels Verstand dazu verdammt sind, ihr Leben lang eine Idiotentätigkeit zu verrichten wie Bücher in Kartons zu werfen, Kartons in den Müll oder Möbel auf einen LKW. Was nicht schlimm wäre, würden diese Leute wenigstens ihre Idiotentätigkeit als das ansehen, was sie ist: Eine Idiotentätigkeit. Aber um ihrem Leben eine Sinnhaftigkeit zu verleihen, müssen sie das, was sie tun, zur Wissenschaft erheben und das macht diese Sorte Mensch so unerträglich. Dabei hatte ich noch Glück, daß ich solche Arbeiten erwischte. Es geht noch tiefer, wenn man sich so manche Polizeistation besieht. Aber dieses Schicksal blieb mir erspart, denn ich war durch Beherrschung des aufrechten Gangs überqualifiziert...

Daß es so lief ist nur Gerecht. Schließlich hatte ich ja nichts verbrochen. Ich wußte damals nicht, daß ich nicht fahren durfte, was die Richterin natürlich nicht die Bohne interessierte, auch als ich ihr anhand türkischer Ein- und Ausreisestempel bewies, daß mir der Brief gar nicht zugestellt worden sein konnte, der mir das Fahren verbot, da ich ja nicht da gewesen war. "Das glaubt das Gericht Ihnen nicht." Kasperletheater... "Wozu dann der Prozeß?", fragte ich mich damals. Keine Sekunde saß ich ab, keinen Pfennig habe ich bezahlt, die gesamte Theatervorführung ging der Staatskasse zur Last.
Vorbei die Zeiten, in denen ich mich nach Deutschland einschleichen mußte, vorbei die Zeit, da ich nur Tagsüber auf Deutschlands Straßen fuhr, um nicht in eine Polizeikontrolle zu geraten. Ich saß in Kalifornien, trank mein Franziskaner und war ein freier Mann, hatte meinen Hauptwohnsitz im Ausland und einen dort gültigen Führerschein. Das heißt, ich darf in Deutschland fahren. Da der Führerschein aus Michigan ist, kann man ihn sogar eins zu eins überschreiben. Doch wer will das schon? Auf den deutschen gibt es ja doch bloß wieder Punkte.

Der Benz in der Garage zugedeckt und bereit für den Sommerschlaf.

Wieder waren drei Monate vorbei. Anderthalb Wochen später saß ich im Flugzeug nach Deutschland. "Wie Adler der Sonne entgegen. In Schönheit, in Freiheit, im Licht..." Noch nicht ganz. In Freiheit und im Licht, das schon. Aber zur Schönheit fehlte natürlich der Daimler. Der große Siegeszug mußte noch warten. Meine erste Amtshandlung in Deutschland bestand darin, meinen Paß zu beantragen. Den bekam ich auch anstandslos. Keine unangenehmen Fragen, nichts. Und diesmal bekam ich nicht den Paß weil die Sachbearbeiterin einen Fehler machte, wie im November. Diesmal bekam ich ihn, weil er mir zustand. Gültig bis 2015. Das ist ja mal was. Die zweite Amtshandlung bestand darin, meinem alten Herrn ein anständiges Auto zu beschaffen. Dieser W210 ist einfach ein Schrottkübel vor dem Herrn. knapp 400.000 km und das Getriebe war mal wieder geliefert. Nun wäre das vierte fällig gewesen. Ganz zu schweigen vom Rost auf dem Dach und am Tank - stellen, an denen selbst mein vom Rost geplagtes Schmuckstück noch aussieht wie am ersten Tag. Ich tauschte den 1998 W210 kurzerhand gegen einen W124 von 1994. Weniger Rost, bessere Ausstattung, mehr PS. 500 € mußte ich drauflegen bei irgendeinem besseren Gauner irgendwo in Türkheim. Aber es war kein schlechtes Geschäft. Klima, Standheizung, Schiebedach, Leder, alles vorhanden, und dann auch noch zu dem Preis. Ganz zu schweigen von der Qualität, die bei Mercedes von Modell zu Modell schlechter und schlechter wird.

Mit eben diesem W124 fuhr ich Mitte Juli nach Norddeutschland, um Phiole zu besuchen. Das ist eine kaputte Kellnerin im Roten Löwen, die zur Zeit in Deutschland auf Heimaturlaub war. In den letzten Monaten bin ich draufgekommen, daß es am klügsten ist, Amerikanerinnen kategorisch abzulehnen. Alle, zumindest nach außen hin, verkrampft und allenfalls besserer Dreck. Jana und Viola, obwohl teilweise verheiratet, funktionieren wesentlich besser. Sowohl in ihrem Nebenberuf als Kellnerinen gegenüber ihren amerikanischen Kolleginnen, die das hauptberuflich zu machen versuchen, aber nicht für 25¢ mitdenken können, als auch zum Weggehen, zum Saufen, zum Wegfahren und für Gespräche, die nicht ausschließlich von irgendwelchen Hinterhof-Bands, Drogen oder Sex handeln. Mehr als diese drei Dinge gibt es im Leben einer durchschnittlichen Kalifornierin nicht. Und wo kommen die allerdämlichsten gleich nochmal her? Aus Ohio! Muß eine feine Gegend sein, wo sie die gesunden Babies in den Mülleimer hauen und die Nachgeburten großziehen.

Viola und Jana nach der Arbeit.

Wie dem auch sei. Ich mußte nach Hamburg hinauf und Phiole besuchen. Da endlich wieder ein vernünftiges Auto da war, mußte ich es gleich ausprobieren. 300 TDT. Nicht ganz so lahm wie gewohnt, allerdings war der Sound so gar nicht klassisch. Automatik auch noch, aber da diejenigen, die das Auto hauptsächlich fahren werden, mit einem Wählhebel einfach besser bedient sind, sei's drum. Zwischenstation wurde in Leipzig gemacht, um Almut mal wieder einen Besuch abzustatten. Schließlich müssen wir eines Tages noch bis nach Ulan Bator.

Ich kam ziemlich spät an, blieb bei Alex Übernacht und fuhr gegen acht nach Haburg los. Das erste Erlebnis am nächsten Morgen war ein grellroter Blitz. Es fing schon wieder genauso an, wie es vor Jahren aufgehört hatte. Sowas gibt es nur in Deutschland. Diese kleinkarierten Spießer sind einfach überall. Doch diesmal störte es mich nicht im Geringsten. Gelder sind vorhanden und den Führerschein können sie mir nicht nehmen. Ich dachte über die Marktchancen für erhobene Mittelfinger nach, die man auf dem Armaturenbrett fest installieren könnte. Vielleicht kann man damit Geld verdienen. Des weiteren faßte ich das heimtückische Lichtsignal als Hinweis darauf auf, daß auf absehbare Zeit kein Blitzer mehr am Straßenrand stehen würde und fuhr entsprechend zügig. Von dem Geld kann die Stadt Leipzig sicher ein paar Schlaglöcher stopfen lassen. Am besten mit Körperteilen von Polizisten, damit die "Ordnungshüter" auch mal etwas Nützliches tun.

08.04 Uhr, 64 km/h 22:40 Uhr, 70 km/h
Leipzig, 14.07.2006, 08:04 Uhr. Zulässig: 50km/h, gefahren: 64 km/h Leipzig, 14.07.2006, 22:40 Uhr. Zulässig: 50 km/h, gefahren: 70 km/h

Nach einem netten Wiedersehen und einem Weißbier an der Elbe ging es wieder zurück nach Leipzig. Auf dem Rückweg gab es nicht viel mehr als Stau zu sehen. Als ich wieder nach Leipzig hineinfuhr, gab es wieder ein Lichtsignal. Diesmal grellorange. "Kruzefix!" Ich war wohl zu lange schon in Ländern unterwegs, in denen die Leute andere Sorgen haben, als Autofahrer zu schikanieren. Drecksgesindel hier. Abends traf ich Almut und wir waren uns einig, daß es Zeit wird, daß es wieder rausgeht aus dieser Republik. Mehr nebenbei, wie immer, erwähnte sie, daß sie es mehrmals versucht hätte, in den Irak oder nach Afghanistan zu kommen. Selbst über die Bundesbräuteschule, doch das hatte nicht geklappt.

Als wir am nächsten Tag an einen See fuhren, erwähnte Almut noch beiläufiger, daß sie sich für einen Sprachkurs Persisch beworben hätte bei der iranischen Botschaft. Sie würde bald erfahren, ob wenigstens daraus etwas würde. Warum erzählt sie mir das? Wenn man genau hinhörte und den Kontext nicht vergaß, dann kam einem der Verdacht, daß der Sprachkurs gar nicht in Leipzig stattfinden sollte. "Wie, Iran? Ich will auch mit. Brauchst nicht einen Fahrer oder sowas?" So, oder so ähnlich fragte ich nach. Ob ich nicht in Kalifornien zu tun hätte? "Schon, aber das kann ja warten. Falls Du in den Iran gehst, dann machen wir den blauen flott und fahren dorthin. Oder willst etwa lieber hinfliegen wie so 'ne aufgebrezelte Schwuchtel?" Netürlich wollte auch sie lieber fahren. Die Bestätigung kam auf dem Rückweg, als wir im 124er nach Leipzig hineinfuhren. "Der 123er ist aber doch noch eine Spur gemütlicher..." Aus dieser Art Hirngespinnsten entwickelten sich bisher die besten Fahrten. Westafrika war aus so einem Gespräch entstanden, als wir vor den Ölfeldern von Jalu lagen und so vor uns hinquatschten. Was wieder mal mehr so dahingesagt war, entwickelte sich bald zum festen Plan, als Almut mich eine Woche später in Augsburg anrief und mir mitteilte, daß sie den Sprachkurs bekommen hätte, jedoch den nächsten wohl zeitlich nicht schaffen würde, sondern erst den übernächsten, der am 26. August anfing. Und siehe da, schon waren wir wieder in eine weitere, planlose Fahrt hineingestolpert. Dann wollen mir die Leute immer wieder erklären, daß blödes Geschwätz zu nichts gut sein soll. Von wegen. Ohne blödes Geschwätz wäre ich heute wohl im Knast, arbeitslos oder bestenfalls bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Wir hatten nun den Plan, zwar nur grob, aber wir hatten ihn. Das bedeutete jedoch nur, daß nicht geflogen, sondern gefahren wird. Jetzt ging es an die Formalitäten. Ich machte mich an die Arbeit.

Was benötigt man für den Iran? Visum, Carnet de Passages, Geld, Auto.

Visum:
Den Paß hatte ich nun, Paßbilder ließ ich von Iris machen. Das kann niemand besser. Am Schluß erinnerte ich sogar leicht an einen Menschen. Gelder waren vorhanden. Das Problem war die Referenznummer, die die Botschaft nicht verlangte, das für mich zuständige Konsulat aber doch. Die konnte 14 bis 20 Tage dauern und kam aus Teheran. Man bekommt sie nur über eine iranische Reisegesellschaft. Ich kannte keine und der Trottel vom Konsulat war schon zu lange in Deutschland und wohl deshalb so unfreundlich und arrogant. Soll heimgehen und seine Kamele hüten, wenn er keine Auskunft geben kann... Ausweichplan: Adresse in Leipzig angeben und es bei der Botschaft probieren.
Beim durchstöbern des Internet wurde klar, daß es wohl am klügsten ist, sich das Visum für den Iran in Istanbul, Ankara oder Erzurum zu holen.

Carnet de Passages:
Kommt nicht in Frage. Der gute 200D hat nicht mal einen TÜV. Das Auto ist vielleicht 100 oder 200 € wert - wenn man großzügig rechnet. Dafür werden keine 3000 € hinterlegt. Die Leutchen, die das ersonnen haben, sollten mal auf dem Perser bleiben. Wieder setzte ich mich stundenlang vor den Bildschirm. Es gibt auch ein A.T.A. Carnet von der Industrie- und Handelskammer, kurz IHK. Es ist zwar nur für Waren (Berufsausrüstung, Warenproben, Ausstellungsstücke) gedacht, aber angeblich geht es auch für Autos. Also auf zur IHK. Ich holte die Formulare. Augsburg ist wohl zu provinziell und die Sache ziemlich sachbearbeiterabhängig. Keiner wollte mir das Auto eintragen, egal, mit welcher Geschichte ich ankam. Diese verdammten Bürokraten. Wen zum Geier interessiert das im Iran, was die sich hier zusammenspinnen? Ich wollte doch bloß dieses dämliche Papier... Aber dafür muß man wohl hehrich erstklassige Beziehungen haben, oder eine gute Geschichte.
Auch die Suche nach gefälschten Carnets ergab nichts, aber auch gar nichts, außer Sprüchen wie, daß man sofort im Knast landet. Klar. Irgendein Grenzer in Afrika oder Asien, der vielleicht auch noch weit und breit keinen Stromanschluß hat, hält über Satellit eine Videokonferenz mit den zuständigen deutschen Amt für gefälschte Papiere und verhaftet einen sofort, noch bevor man offiziell eingereist ist. Hallo? Perser! Bin ich der einzige, der merkt, der es nicht überall so ist wie in Deutschland? Für Hinweise, wie man an ein gefälschtes Carnet kommt wäre ich sogar bereit gewesen, zu zahlen - sofern der Hinweis zum Erfolg führt.
Ich vertraue da eher auf einen Bericht, den ich las, daß man mit einem Transitvisum ohne Carnet in den Iran hineinkommt. Das Visum soll man angeblich in Teheran verlängern können. Im Reiseführer von Reise-Know-How steht auch, daß man das Carnet an der Grenze erhält. Also keine Zeit und Nerven auf das dumme Carnet verschwenden, sondern lieber losfahren und schauen, daß sich unterwegs eine Lösung findet. Im Ausland - egal wo - ist ohnehin fast alles einfacher, zumindest weniger verkompliziert als in Deutschland.
Den Internationalen Führerschein ließ ich mir von Jana schicken. Gute Leute muß man haben, dann klappt's auch. Einige Tage nach meinem Anruf war er da.

Geld:
Darüber redet man bekanntlich nicht, sondern das hat man - so sagt man. Nur woher man es hat, das hat mir noch keiner verraten.

Auto:
Wo der braune verhindert ist, muß der blaue herhalten. TÜV haben sie zwar beide nicht, aber der braune steht für solche Fälle auf sicherem Terrain. Die meisten Unfälle passieren ja nicht, weil das Auto Mist baut, sondern weil die Fahrer zu blöd sind. Während also der Ami selbst erkennt, wann es gefährlich wird, braucht der blöde Deutsche einen TÜV, der ihm das Denken und nebenbei noch einen Haufen Geld abnimmt. So ist's nun mal. Zwar sieht der blaue noch um Welten besser aus, aber ein ordentliches Kennzeichen gibt es dafür nicht. Die Möglichkeit, einen TÜV zu holen, der wie damals in Marokko für ein paar Tage gilt, besteht zwar, ist aber mit dem Risiko verbunden, einen Haufen Geld auszugeben und den TÜV dann doch nicht zu bekommen. Keinen TÜV, keine grüne Versicherungskarte. Aber das Auto muß raus aus der Republik.
Ich spielte mit dem Gedanken, ein rotes Nummernschild drucken zu lassen und einfach damit loszufahren. Bis zur Grenze würde das schon gutgehen. Doch es sind immerhin 150 km und in Deutschland kommen fünf Bullen auf einen Einwohner. Ganz zu schweigen von den Hilfssheriffs.
Nach einigen Telephonaten hatte ich auch einen Plan: Kurzzeitkennzeichen holen. Sobald man sich auf sicherem Terrain (außerhalb Deutschlands) befindet, werden die alten Kennzeichen wieder angebracht. Für den Rückweg muß man sich halt was einfallen lassen. Vielleicht das Auto in Griechenland zulassen? Man wird sehen. Wichtig ist, daß man rauskommt. Das ist in Deutschland sowieso in allen Lebenslagen das allerwichtigste. Kann ich nur empfehlen.

Es war also alles soweit in die Wege geleitet. Der Plan stand fest: Wir hatten keinen. Wie immer. Am Montag, den 7. August sollte Almut in Fulda mit Kurzzeitkennzeichen losfahren nach Augsburg. Das Auto wird bestückt, die Kiste, in der die Autoteile lagern in den Kofferraum sozusagen eingebaut und schon kann es am Dienstag losgehen. Wird schon klappen, die werden uns schon hineinlassen. Wenn nicht, gibt es immer noch Ausweichmöglichkeiten. Etwa Syrien oder Libanon. Ich telephonierte mit Neno, einem Bauunternehmer in L.A. Er war gerade letzte Woche aus dem Libanon zurückgekommen und sagte mir, daß das einzige Problem im Norden die Treibstoffknappheit wäre. Sein Bruder wäre dort, falls wir etwas bräuchten. Das hört sich doch nach etwas an. Immerhin braucht uns nicht bange sein, daß es uns langweilig werden könnte. Und für den Fall, daß es brenzlig wird, haben wir immer noch die Möglichkeit, uns selbst zu evakuieren. Mercedes-Benz statt Charterflügen. Doch soweit wird es nicht kommen. Michi Metzger, der Panikbeifahrer von Libyen 1998 war wieder dabei. Diesmal nervlich besser bestückt, wie er immer wieder versichert.

Der eigentliche Abfahrtstermin, Montag, der 7. August, verstrich, ohne daß wir losfuhren. Almut hatte mich am Sonntag angerufen und gemeldet, daß sich die Kulturabteilung der Botschaft nun doch noch gemeldet hätte. Sie solle ihren Antrag abschicken und man würde sich schnellstmöglich darum kümmern. Das hieß, die Abfahrt würde sich um ein paar Tage verzögern. Das war nicht schlimm. Wir mußten nur ein paar Tage einkalkulieren für die Beschaffung der Visa für Michi und mich in Konstantinopel, Ankara oder Erzurum. Das war der grobe Plan, wenn von einem solchen überhaupt die Rede sein konnte. Dieser variierte jedoch, ob man nun ein Touristenvisum beantragt oder ein Transitvisum. Das Transitvisum geht schneller, ist unter Umständen verlängerbar. Das Touristenvisum dauert länger bei der Erteilung, da Rücksprache mit Teheran gehalten werden muß.

Almut füllte die Papiere aus und schickte sie umgehend an die Botschaft. Genau da versuchte Almut mitzudenken und damit begann das nächste Drama. Als nämlich einige Tage später der Typ von der Kulturabteilung anrief und sie fragte, wo denn ihre Unterlagen blieben. Die liebe Almut tat eben nicht so, wie ihr geheißen. Die Unterlagen sollten ausgefüllt und zurückgeschickt werden. Nun schließt das Wort zurück schon jede andere Adresse auf dem Globus aus, mit Ausnahme der Adresse, die ihr die Unterlagen zugeschickt hatte. "Aber", so dachte sie, "die Kulturabteilung stellt ja keine Visa aus, sondern die Botschaft." Für sie war es logisch, daß die Unterlagen zur Botschaft mußten, um den Vorgang zu beschleunigen. Daß die damit überhaupt nichts anfangen konnten, kann sich Almut wohl nicht vorstellen. "Egal, ob Doctor oder Putzfrau: Nicht denken, außer, man wird dafür bezahlt", war meine Anmerkung hierzu, "und wer würde schon eine Frau für's denken bezahlen? Das kann eine Parkuhr immer noch besser." Ihre Antwort hieraus lautete schlichtweg: "Halt's Maul..." Jedenfalls lagen ob Almuts Mitdenkversuch ihre Unterlagen nun auf der Botschaft und mußten erst in das drei Kilometer entfernte Gebäude der Kulturabteilung gebracht werden, was der freundliche Typ von der Kulturabteilung übernahm. Der hat sich 'nen Stern verdient. Das würde nie ein Beamter machen, gerade aus solchen Staaten. Der würde das Zeug abschicken und wäre froh, wenn es nie wieder ankäme.

Eine ganze Woche verstrich, dann nochmals einige Tage, bis ich Almut anrief und ihr die Pistole auf die Brust setzen mußte. Sonst wären wir nie losgekommen. Am Mittwoch, dem 16. August wollte sie losfahren. Diesmal war es eine feste Zusage. Ob mit oder ohne Papiere. "Wenn Ihr in den Iran hineinkommt, dann komme ich auch hinein." Zur Not soll irgendjemand ihr die Papiere nachschicken. Entweder nach Konstantinopel, Ankara oder Erzurum. Wir bemühten uns um die Adresse eines Bekannten in den entsprechenden Städten. Und obwohl die Hälfte der Einwohner Deutschlands aus Türken besteht hatten wir das alte Problem: Wenn man mal einen Türken braucht, dann ist weit und breit keiner da. Aber ein falscher Blick in der Straßenbahn und schon hat man fünfzig von denen, die nach irgendeinem Problem fragen. Jetzt, da wir eins hatten, da kam keiner. Da half auch kein Pöbeln. "He, Alter, kommsch Du, jetz chabbi Probläm, waisch Du?" Kubilay war auf Mallorca, Özlim in Anatolien und dort nicht erreichbar, weil die Buschtrommelverbindung wegen schlechten Wetters ausgefallen war, Çenks haben keine Verwandte mehr in Türkei, sehen nicht einmal mehr aus wie Türken, Benno sieht zwar so aus, ist aber keiner, kurzum: Alle Bemühungen, einen brauchbaren Türken aufzustellen scheiterten, obwohl sich davon einige im engeren Bekanntenkreis befinden sollten. Dann muß das Zeug eben an eine deutsche Vertretung geschickt werden.

Literatur zu Iran

Michael Metzger Navigator
Dr. Almut Hinz Autobesitzer & Buchhalter
Markus Besold Kraftfahrer

 

Kilometerstand bei Abfahrt: 268.493 km


 

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