Persien 2006
Samstag, 23. September

Göreme liegt in Kappadokien. Das war die Gegend, in der diese wunderhübschen Felsformationen stehen. "Die Gegend besteht aus Tuff des Vulkans Erciyes und des Hasan Dagi, welcher wegen der geringen Niederschlagsmengen nur langsam verwittert. Härteres Gestein bleibt stehen, so dass die so genannten Feenkamine entstehen" - kann man auf Wikipedia nachlesen. Es war nicht ganz so einfach, das Hotel zu finden. Es hatte sich auch einiges getan in den letzten sieben Jahren. Damals war es ein kleines, abgelegenes Dorf, soweit ich mich erinnerte. Was wir nun um uns sahen war eine regelrechte Touristenstadt. Stadtkern, gepflasterte Straßen. Ich kannte mich natürlich nicht aus und fuhr so lange durch die Gegend, bis es mir zu blöd wurde. Es war völlig ausgeschlossen, daß das Hotel abgerissen war, denn es besteht zum großen Teil aus einem dieser Felsen. Wir kamen zufällig an zwei Campingplätzen vorbei. Offensichtlich war die Saison bereits vorbei, was die Inhaber aber nicht daran hindert, dennoch horrende Preise zu verlangen. Es fing auch noch an zu regnen und ein Dach hatten sie beide nicht, das Zelt liegt in L.A. und wir hätten eines mieten müssen. "Ich will nur unverbindlich fragen, was eine Übernachtung im Ataman kosten tät. Vielleicht ist der Besitzer noch der selbe, vielleicht kennt er mich noch, vielleicht nahmen die VISA", erklärte ich den anderen beiden. "Vielleicht finden wir das Hotel erst in drei Tagen", sagte ich noch, vollständigkeitshalber. Aber Schilder, auf denen "Hotel Ataman" stand, waren immerhin da . Die gab es zuhauf. Folgte man ihnen, landete man jedes Mal irgendwann im Gelände. "Ach, das regt mich jetzt schon wieder so stark auf!"

Durch einen dummen Zufall fanden wir es schließlich. Allerdings war die Mühe umsonst gewesen, denn es hatte geschlossen. Saisonsbedingt, schätze ich, denn es standen keine Autos davor, obwohl drinnen Licht brannte. Genau neben dem Hotel Ataman, stand das Hotel Otoman. Auch gehobene Klasse, versteht sich. Fast sogar zu weit angehoben, denn davor standen Autos, deren Kennzeichen eindeutig darauf schließen ließ, daß sie aus Dubai waren. "Also, wenn Dubaïesen hier Urlaub machen, dann ist das definitiv nicht unsere Preisklasse... Geh mal rein und frag, was ein Doppelzimmer kostet - rein interessehalber", sagte ich zu Michl. Er stieg aus und ging hinein, kam auch gleich wieder heraus und meinte, es würde 80 YTL kosten. Das geht eigentlich, das sind 80 Mark, also etwa 40 Euro... In der Türkei funktioniert dieser Umrechnungskurs noch. In Deutschland wenden nur noch die Deppen den 1,95 DM Umwechslungskurs für 1 € an. Das sind die, die nicht merken, daß alles, was 2000 1 DM gekostet hat, nun 1 € kostet. Dennoch; für uns war es zuviel.

Aber das bedeutet, daß die anderen ja noch billiger sein mässen. Wir machten uns auf die Suche. An jedem im Lonely-Planet erwähnten Hotel und an jedem Hotel, dessen Schild halbwegs nach etwas aussah, hielten wir an und ich schickte Michl zum erfragen der Preise. Manchmal, wenn die Hotels günstig lagen, konnte man parallel beide Beifahrer losschicken.

Es war zwanzig vor eins, als wir endlich ein passendes Hotel fanden. Es hieß House Walnut und sah sehr gepflegt aus. Auch die Zimmer waren sehr gut. Mit Abstand das beste, was wir auf der Fahrt bekommen haben, zumal der Preis wirklich nicht hoch war. Um die zwanzig Euro für alle drei. Ohne Frühstück, zwar, aber man wurde durch den Ausblick aus dem Fenster angemessen entschädigt.

280.957 km
Mit Blick auf's Auto und auf das Städtchen Göreme.

Ich überredete Almut, den morgigen Tag dafür aufzuwenden, uns die Gegend hier anzusehen. "Es ist sehr lohnenswert. Bitte, sich zu vergewissern", sagte ich und zeigte aus dem Fenster. Michl sah auch eine Weile zum Fenster hinaus. Dann sagte er "Ah! Ich bin dafür, daß wir morgen nicht gleich weiterfahren, sondern erst mal hierbleiben und uns dieses Bagatonien anschauen." Das führte nun ungewollt zu einem mehrminütigem Lachkrampf. "Also, erstens heißt das Teil Kappadokien und nicht Bagatonien", erklärte ich, "Und zweitens habe ich gerade vor nicht ganz zehn Minuten in Deinem Beisein mit der Almut beschlossen, daß wir uns morgen die Gegend hier anschauen. Aber schlaf weiter, laß Dich nicht stören..."

Kurz vor Elf stand ich auf. Der Tag war grau und nicht gerade warm. Als ich ins Bad gehen wollte, war Michl drin. "Was macht der Arsch jetzt im Bad? Die ganze Zeit hockt er auf dem Bett und starrt Löcher in die Luft, anstatt ins Bad zu gehen. Nein, das muß jetzt sein, wo ich aufsteh!", regte ich mich auf, "Kannst Du auch noch was anderes, als ständig im Weg zu stehen?" Er kam aus dem Bad. "Ah!, kann ich doch nicht wissen..." "Natürlich nicht, wenn man immer am Pennen ist..." Almut kann Ungerechtigkeit nicht leiden und machte mich höflich darauf aufmerksam, daß das so nicht anginge. "Halt's Maul! Der kann sich aufs Bett hocken und nichtstun, wenn alles andere erledigt ist, dann stört's nämlich keinen." Sie stammt nun mal aus einer Juristenfamilie und braucht für alles eine entsprechend fundierte Rechtfertigung, am besten einen Artikel, auf den man sich bei seinem Handeln beruft: "Da kann ich genausogut zu Dir sagen", erklärte sie naseweis, "daß Du früher aufstehen sollst." Die versteht schon wieder gar nichts. Dazu hätte sie eben eine anständige Knabenerziehungsanstalt besuchen müssen und nicht die Depperlschule. "Nein, kann ich nicht. Ich schlafe aus", erklärte ich ihr geduldig, "Ihr könnt nämlich im Auto schlafen solange ihr wollt, wenn ich das mache, wird es unter Umständen tödlich. Und ich steh auf und geh ins Bad. Wenn er gleichzeitig aufsteht, sag ich nichts, sondern bleib liegen, aber wenn er stundenlang nur rumhockt und nichtstut, dann kann er auch noch solange rumhocken und nichtstun, bis ich im Bad fertig bin. Det is keen Fall for de Mordkommision, det is Natur-Jesetz..." "Aber trotzdem ist es ungerecht!", blieb sie dabei. Habe nicht behauptet, daß es das nicht ist. Damit hab ich auch kein Problem. Wenn mir einer planlos im Weg steht, dann muß er weg. Ob und wie die Aktion, die ich dann bringe nun juristisch zu rechtfertigen ist, wollte außer ihr sowieso keiner wissen. "Heute ist ein schöner Tag, wirklich. Ich geh jetzt erst mal in die Dusche, falls Ihr zuviel Energie habt, könnt ihr ja schon mal die Sachen ins Auto tragen oder Geld wechseln gehen", trällerte ich, beendete die Diskussion damit und verschwand im luxuriösen Bad.

Vor dem "kostenlosen Freiluftmuseum".

Ich machte mich fertig und da Almut nicht da war, kümmerte ich mich eben selbst um das Frühstück. Das war im Preis nicht inbegriffen, daher hatte Almut extra einen Teil der bescheidenen Bordküche des Blauen mit auf's Zimmer genommen. Brot war da und so eine Art Käse. Schmeckte sogar gut. Danach gingen wir zum Auto hinunter. Almut kam auch wieder angeschlendert. Es hatte Schwierigkeiten beim Wechseln gegeben, aber sie bekam es doch hin. Nachdem ich das Gepäck eingeräumt hatte, fuhren wir los. Keine Ahnung wohin. Weiter oben hatten wir in der Nackt ein Freiluftmuseum gesehen. Dort fuhren wir hin. Es waren Hügel, die zu sowas wie Wohnungen ausgehöhlt waren. Die wollten allerdings 10 YTL Eintritt und daher fuhren wir wieder. Links der Straße war ungefähr das gleiche wieder, nur kostete es keinen Eintritt und man sah auch keine Touristen. Almut erinnerte sich daran, daß wir in Argentinien ein ähnliches Erlebnis gehabt hatten. Ines und ich hatten Eintritt bezahlt, um die Pinguïne anzusehen, Almut sah sie umsonst, weil sich die Viecher nicht an die Grenzen halten wollten und das Gelände der Anlage auch gerne verließen - das Wasser trägt für gewöhnlich keine Zäune.
Ich fuhr auf die kleine staubige Piste und stellte das Auto so ab, daß es nicht unbedingt gleich für jeden von der Straße aus sichtbar war und schauten uns ein wenig um. Es war genau Mittag.

Es bagann wieder mal gescheit zu regnen, gerade als wir oben auf einem der Hügel waren. Wir entdeckten eine Höhle, nicht weit von da, wo wir standen. Ich bin zwar um Welten unsportlicher als Almut, aber auch in ähnlichem Verhältnis größer (rein physisch), daher konnte ich die steile Felsenwand erklimmen und Almut hochziehen. Hm. Da saßen wir nun und schauten ohne Ofenrohr aus dem Gebirge, während es draußen schüttete, was die Wolken hergaben. Ich kann mir auch kaum eine romantischere Kulisse für einen Heiratsantrag vorstellen: "Du, geh weiter", legte ich los und stupfte Almut am Oberarm an, "Wie schaut's jetzt aus mit der Heiraterei?" Mittlerweile habe ich klar erkannt, daß es schwachsinnig wäre, wenn sie einen verblödeten Professor und ich eine hochintelligente Amerikanerin heiraten würde. Wir müßten dann dem jeweiligen Lebensbeschwerer erklären, daß Glück untrennbar damit verbunden ist, den Diesel über die Lande laufen zu lassen. In so einem Fall auf Verständnis des Gegenübers zu hoffen ist ungefähr so sinnvoll, wie an den ewigen Frieden zu glauben.

Diese Möglichkeit scheidet also aus. Es gibt also statt der drei üblichen, nur noch zwei logische Modelle: Entweder wir heiraten uns gegenseitig, oder keiner von uns heiratet. Ersteres hätte natürlich einen Nachteil: Eine Aufenthaltsgenehmigung für Amerika zu bekommen wird für mich schwierig. Letzteres hätte den Vorteil, daß sie sich nur versetzen lassen bräuchte und schon hätten wir unsere Auenthaltsgenehmigung. Jetzt mußte es mir nur noch gelingen, sie von der Richtigkeit meiner These zu überzeugen. Lange konnte sie sich meines Angriffs der reinen Vernunft nicht erwehren. Sie stand sowieso auf verlorenem Posten, denn die halbe Arbeit war bereits erledigt, und zwar vom deutschen Staat: In Deutschland ist das, was man Geisteswissenschaft nennt, in Wirklichkeit nur Geistesverwirrung. (Da muß man nicht erst, wie ich zwei Monate später, eine Veranstaltung an der Uni Augsburg besuchen, bei der das Thema "Spanischer Bürgerkrieg" heißt, die sich aber schnell als kommunistischer Liederabend entpuppt - allein schon deswegen unseriös, weil keiner der Anwesenden überhaupt die Texte von Ernst Busch kannte - außer mir). Sie schilderte des öfteren Fälle, bei denen sie von Amerikanern ausgelacht wird, die aber an Deutschlands Hochschulen mittlerweile gängige Praxis geworden sind.

Nein, da kann es nicht schaden, wenn man sich bei den Großen abschaut, wie die das machen. Was feststeht ist, daß man in den USA als Geisteswissenschaftler - ebenso wie als Handwerker - mehr verdient und weniger zahlen muß. Almut war bereits des öfteren in Amerika und spielt schon lange mit dem Gedanken, rüberzumachen. Was Arabistik angeht, verfügen die Amis anscheinend über weitaus besseres Material. Washington, New York, Santa Barbara. An der Uni in Leipzig vor sich hinzudümpeln war ihr Vorhaben nicht. Halbe Stelle, Kongresse auf eigene Kosten besuchen, Artikel schreiben für ein paar Groschen, ständiger Geldermangel, kein gescheites Instrumentarium. Ich frag mich sowieso schon die ganzen Jahre, was sie überhaupt noch in Deutschland will. Da muß man ja blöd werden mit der Zeit, wenn man sich permanent unter Heulsusen, Alkoholikern, Neunmalklugen und Denunzianten aufhalten muß. Man muß pervers sein, um das zu mögen. Und in gewisser Weise ist sie es auch: Sie ernährt sich von Wasser und trockenem Brot - "Essen dient der Nahrungsaufnahme", noch nie in all den Jahren habe ich sie einmal quengeln gehört, noch nicht einmal hat sie sich über irgendwas beschwert, soweit ich mich erinnere, hat sie seit 1998 zwei Mal "Scheiße" gesagt (wozu aber in 50% der Fälle erst einer draufgehen mußte), also immer ist sie bemüht, alles anders zu machen, als normale Frauen. Zwar mache ich mich gerne witzig darüber und ziehe sie damit auf, aber ich weiß sehr wohl ihre Unkompliziertheit zu schätzen. Frauen sind dafür bekannt, daß sie hobbymäßig Probleme machen, und das habe ich bei Almut noch nie erlebt. Da soll man sich glücklich schätzen, wenn das Schicksal einem so ein elitäres Exemplar ins Auto spült. "Haben wir einen Plan?", fragte ich. "Wir haben einen Plan..."
Sowas... Da schweift man in der Ferne und sucht verbissen nach der Lösung für ein Problem, dabei liegt diese Lösung schon seit Jahren auf dem Beifahrersitz. Wie bescheuert ist das denn? Da hätten wir auch schon früher draufkommen können. Gut Ding will eben Weile haben...

Als der Regen nachließ, verließen wir wieder unsere Höhle und gingen zum Auto zurück. Allerdings besahen wir uns noch eine Weile die restliche Höhlenanlage. Danach stiegen wir ein und fuhren weiter durch die Gegend. Ich fuhr einfach den Schildern hinterher, die Ortsnamen trugen, die mir irgendwie bekannt vorkamen. Und das war widererwarten gar nicht verkehrt. Wir kamen wieder in die Gegend, die ich schon vor sieben Jahren abgefahren hatte. Nun waren aber auch Touristenbusse unterwegs. Meist Deutsche. "Tauschen wir jetzt Länder, oder was?", fragte ich entsetzt. An sich gar nicht schlecht. Sollen sich die Türken mit dem Dreckswetter in Deutschland rumschlagen. Aber die Türkei wird ganz bestimmt nicht dadurch besser, daß hier lauter deutsche Spießbürger rumspringen. Es war auch lästig, wenn man immer erst warten mußte, bis sie das Bild geräumt hatten.

Alles sah irgendwie immer noch aus wie in einem schlechten Science-Fiction-Streifen aus den sechigern - nur in Farbe...

Wir fuhren weiter und kamen dort vorbei, wo wir 1999 "das Kamel" besucht hatten, eine Felsformation, die stark an einen zweihöckrigen Vierbeiner erinnert. Sie stand immer noch da in der Landschaft, als wäre die Zeit stillgestanden. Nun stand ich wieder da und wünschte mir, die Zeit wäre an mir ebenso spurlos vorübergegangen. Das war sie allerdings nicht. Weiter.

Wir kamen auch wieder an der Abbruchkante vorbei, an der ich 1999 das Auto abgestellt hatte, um ein Bild davon zu machen. Dummerweise stand heute die Polizei auf der anderen Straßenseite und forderte mich auf, das Auto von dem Fels wieder zu entfernen. Ich tat das. Dann stieg ich aus, und versuchte, ein anständiges Bild vom Auto zu machen, obwohl es auf der anderen Straßenseite stand. "Du bist aber kein echter Deutscher, oder?", fragte mich jemand hinter mir. Ich drehte mich um. Hinter mir stand einer, sah mich an und wartete auf Antwort. "Doch, schon. Warum?", fragte ich. Er hatte einen schwäbischen Akzent. "Und wie sieht das Deutschsein bei Dir aus?", fragte ich meinerseits. "Ich bin 120%iger Türke", sagte er mit einem breiten grinsen. "So schaust' aus", sagte ich. "Und wie heißt Du?" "Ich bin der Max", sagte er. "Das klingt aber ungefähr so türkisch wie Karl oder Heinrich", wandte ich ein. "Meine Lehrerin nannte mich immer Max, weil ich damals gerade aus Deutschland zurückgekommen war und mein Türkisch nicht besonders gut war." Ihm gehörte der kleine Souvenir-Stand hinter uns. "Magst nicht vielleicht mal Deinen Motor ausmachen?", fragte er mich. "Du warst zu lang in Deutschland. Ein echter Türke würde sowas gar nicht wahrnehmen. Seit wann interessiert Euch die Umwelt?" "Umwelt? Ich meinte eigentlich eher die Spritpreise!", sagte er, etwas entgeistert. "Ah, OK." Ich war noch zu sehr die iranischen Spott-Sprit-Preise gewohnt. "Was macht ihr hier?", wollte er wissen. "Wir sind gerade auf der Rückreise aus dem Iran, fahren surück in Heimat, waisch?" Da wurde er hellhörig: "Iran? Habt ihr vielleicht irgendwas dabei?" Ich meinte, ich hätte gerade gestern "seinem Kollegen" erklärt, daß ich keinen türkischen Teppich kaufen kann, wenn ich schon im Iran nichts gekauft hätte. "Teppich? Bisch Du blöd, oder was? Ich meine, ob ihr was zum Rauchen dabeihabt!" Nun verstand ich. "Ach, sooo... Nein. Nur Cigaretten", sagte ich und bot ihm eine an. Er nahm eine. "Ich meinte eigentlich was anderes." Ich winkte ab. "Falsche Adresse, Alter. Ich bin zu faul, der Beifahrer ist zu blöd, und die Frau Doktor ist zu schlau für sowas. Kann leider nicht damit dienen." Dann kam er wieder auf die Teppiche zurück. Warum ich keinen Teppich gekauft hätte. "Weißt Du, wieviel ein Perser im Iran kostet?" Nö. "Weißt Du, was Du in Deutschland für einen echten Perser bekommst?" Natürlich nicht, woher denn? Teppiche interessieren mich soviel wie Damenhandtaschen. "Keine Ahnung", sagte ich, "ich kenn niemanden, der einen Perser braucht." Er schüttelte den Kopf. "Nein... Das ist schon mal die komplett falsche Einstellung. Weißt Du, wie Du das machen mußt? Du legst den Teppich in die Wohnung, nicht offensichtlich, aber so, daß man ihn auch nicht übersehen kann. Dann lädst Du ein paar Freunde ein zum Biertrinken und lenkst das Gespräch nach ein paar Stunden langsam auf den Iran, erwähnst den Teppich nebenbei, und sagst, daß Du ihn eigentlich für Deine Mutter gekauft hast, aber daß die ihn nicht haben will, und daß Du nicht weißt, was Du mit ihm machen sollst. Dann fragt bestimmt einer, ob Du ihn nicht loswerden willst und fertig ist der Laden..." Nach diesem Einblick in die türkische Seele verabschiedete ich mich langsam wieder. Es war schon fast zwei Uhr und wir wollten uns noch ein wenig umsehen.

Diese Felsformationen faszinieren auf ihre eigene Art. Die Landschaft sieht gerade so aus, als hätte sie ein Riese an den Horizont geklebt.

Wir kamen langsam in die Gegend in der die Hügel noch ein wenig seltsamer aussahen. Die sahen nicht aus wie Parabeln, sondern diese hier hatten auch noch einen Felsbrocken oben draufliegen, der an allen Seiten überstand. Michl erklärte uns ganz genau, wie sowas entsteht: Das hier war früher eine Ebene, auf der ein paar Steine umherlagen. Das Wasser spült die Ebene weg, die Steine bleiben. Der Boden, der sich unter dem Stein befindet, wird nicht weggespült und so entsteht der Hügel. Diese Hügel hier sind bereits versteinert - und dennoch recht bröselig. Manchmal passiert es, daß der Stein herumterfällt. Das Regenwasser rundet dann die Spitze des Hügels ab und schon haben wir die Eierköpfe, die hier überall aus der Erde ragen.

Wir fuhren durch die Gegend, die Touristenbusse wurden mehr. Es gab immer wieder schöne Aussichtspunkte, an denen man anhalten konnte und die Landschaft begaffen. Das Problem war nur, daß die Pausen zwischen den Bussen nicht besonders groß waren. Die kotzen scharenweise die Touris aus, die dann unkontrolliert durch das Bild springen. Bei einem dieser Aussichtspunte fuhr ich so nah wie möglich an die Kante, so daß sich keiner mehr zwischen Auto und Kante durchdrücken konnte, ohne ein paar hundert Meter in die Tiefe zu stürzen. Zumindest war das der Plan. Den hätte ich mir allerdings sparen können, denn nachdem ich mich mühevoll an am Auto entlanggehangelt hatte, um nicht selbst abzustürzen, zog ich los. Die meisten Touris hielten mindestes zwei Meter Abstand, die eine hörte ich noch zu ihrem Mann sagen, er solle nicht so nah rangehen. Ich mußte lachen, als ich selbst an die Kante ging, und feststellte, daß wenige Zentimeter unter der Kante ein Vorsprung war, auf dem man ebenfalls noch stehen konnte, und der ziemlich gestreckt war, so daß man an genau dieser Stelle überhaupt nicht weiter als ein paar Zentimeter abstürzen konnte. Ich ging wieder zurück auf die andere Straßenseite, das war mir hier viel zu hart...

280.989 km
An der Kante.

Ich ging dorthin, wo unser Auto stand. Natürlich lief der Motor, es gibt nichts dümmeres, als den Motor bei so kurzen Aufenthalten auszuschalten. Das braucht man normalerweise nicht erwähnen, aber ich beobachtete einen, der verächtlich zum Auto blickte und mit der Hand vor der eigenen Nase wedelte. Tja, Alter, wenn's Dir nicht paßt, dann geh woanders hin. Wir sind hier nicht daheim - allahseidank.
Ich stieg ein und machte meine Notizen, wartete noch auf die anderen. Almut waren hier zuviel Leute unterwegs, sie kam auch gleich wieder ins Auto. Ein ganz Mutiger ließ sich allerdings nicht von Motor und Abbruchkante abschrecken und näherte sich von hinten dem Auto. Ich sah ihn im Augenwinkel im Rückspiegel, während ich meine Notizen machte. "Was will denn der Idiot jetzt?", sagte ich und machte Almut dadurch auf ihn aufmerksam.
"Wenn mir da jetzt nur ein Wort, ein Geklopfe an der Zelle, eine falsche Geste oder irgendwas kommt von wegen Umweltverschmutzung, dann lauf ich Amok." Wie oft mußte ich mich in Deutschland zusammenreißen. Diese Heulsusen holen ja immer gleich die Drecksbullen, wenn sie eine in die Fresse kriegen. Aber hier draußen geht das eben nicht so einfach. Da warte ich schon seit Jahren drauf, daß mir hier draußen so ein Gestapo-Heini blöd kommt. Ich nehme jeden Anlaß, in Härtefällen bieg ich mir auch gerne einen Anlaß zurecht, um endlich dem glühenden Haß, der sich im Laufe der Jahre angestaut hat, freien Lauf zu lassen. Ich beobachtete ihn im Rückspiegel, wie er auf das Auto zukam, spürte das Blut in den Schläfen hämmern. Das Herz beschleunigte, die Hände hielten den Stift krampfhaft umklammert, der Block war tropfnaß, dort, wo mein Daumen aufgelegen hatte. "Der fliegt den Hang runter", dachte ich mir und wartete auf ein Startsignal. Er war an die sechzig, ein typischer Spießer mit deutlichem Hang zum "Kriminalassistentenanwärter im Vorbereitungsdienst". Der denkt in deutschen Rechtsnormen, der hat hier keine Chance.
Aber er sagte nichts, meckerte nicht, er gestikulierte nicht. Alles, was er tat, war noch näher zu kommen. Es war nicht der Auspuff, den er anstarrte, sondern das Kennzeichen. Ob der TÜV überprüfen will? Das nehme ich auch als Anlaß. Hauptsache, er kommt mir blöd, alles andere regle ich. Alles, was auch nur andeutungsweise in die Richtung ging, mich zurechtweisen zu wollen, hätte ich in diesem Moment zum Anlaß genommen, mit einem Satz aus der Beifahrertür zu springen, ihm einen Stein in die Fresse zu werfen und entweder so lange auf ihn eintreten, bis mein Heiliger Zorn verlogen war, oder bis er durch fortgesetztes Treten hundert Meter weiter unten lag. Das ergibt sich meist aus der Situation. In Deutschland wäre hätte ich vielleicht das Gaspedal durchgetreten und ihm verständlich gemacht, daß ich nicht verstehe, was er will, aber hier spare ich mir gerne diesen Umweg. Wir hatten nicht einen einzigen Spaten dabei. Die hingen beide am Gepäckträger des braunen. Eine hervorragende Nahkampfwaffe, hieß es immer. Das sind so Gelegenheiten, herauszufinden, was da dran ist.
So lag ich weiter in Lauerstellung, und mit jedem Schritt, den er auf das Auto tat, jagte mein Blut stärker durch die Adern. Ich griff mangels Spaten nach dem Steinsbrocken der im Fußraum lag, und der eigentlich für Köter gedacht war. Dabei merkte ich, wie schwer ich atmete. Ich sah, wie er sich im Rückspiegel herunterbeugte, um das Kennzeichen aus nächster Nähe zu inspizieren. Er sah vermutlich unseren behelfsmäßigen Zulassungsstempel. Sein Kopf blieb eine Weile in der Position, er griff zur Brille, dann richtete er sich wieder auf, schob seine Unterlippe vor und ging wieder zurück, immer noch dem Auto zugewandt, mit einem Blick, der verriet, daß er mit uns nichts anzufangen wußte. Er sagte kein Wort. Ich sah Almut an. Sie kicherte vor sich hin, als sei es unanständig, vor Lachen loszubrüllen. Ich ließ den Stein wieder fallen, fing dann an zu lachen - über meine eigene Blödheit. Das fehlt mir bloß noch, daß am Ende ich noch dieser deutschen Volksseuche anheimfalle, selbst paranoid werde und in jedem Rentner einen Blockwart sehe.
Der Typ war sichtlich verwirrt, ging erst zu seiner Frau, dann zur Gruppe zurück, zuckte mit den Schultern und verschwand bald wieder im Bus. Ich beruhigte mich, schrieb meinen Eintrag zu Ende und als Michl in das Auto zurückkam, fuhr ich langsam los. Schon war wieder alles vergessen und ich erfreute mich wieder daran, daß der Asphalt unter dem Auto vorüberzog, der Erdball sich wieder unter dem Auto hinwegdrehte. So waren wir es gewohnt, so wollen wir es, ist's recht. Und schon war wieder alles vergessen.

Wir fuhren weiter in Richtung Ürgüp. Dort war eine Teepause geplant. Wir fanden das Kaff. Es waren viele Touristen da. Wir parkten da, wo Platz war und blieben in einem Café auf der anderen Seite der Straße. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit fuhren wir weiter. Auf dem Weg zurück, füllten wir noch Brauchwasser auf.

Irgendwo in Kappadokien.

Wir fanden zu diesem Zwecke nur einen Brunnen, der irgendeinem Nationalhelden gewidmet war. Schon bald ging es weiter. Wieder zurück auf die Straße. Irgendwie schafften wir es, uns zu verfahren und so befanden wir uns in einem Kaff, in dem wieder alle Häuser halbfertig oder halbverfallen waren. Irgendwie hatte ich die Straße, die wir suchten überquert, ohne es zu merken. "Verdammt! Ich will wieder auf die Straße!", sagte ich. Michl meinte, in diesem Falle solle ich doch einfach umkehren und denselben Weg zurückfahren. "Den find ich Depp in hundert Jahren nicht, schaut doch alles gleich aus hier. Mach, jetzt." Wieso ich dann überhaupt hierhergefahren sei. "Weil ich zu blöd bin, mich zu orientieren, Du Trottel! Das sollst Du machen!" Zehn Minuten waren wir wieder auf der Straße und fuhren in die richtige Richtung, nach Westen, auf Konya zu. Ich sah ein Schild, das auf einen Aussichtspunkt hinwies, bog rechts ab und fuhr die staubige Piste entlang.

Da stand nach einigen Kilometern eine Hütte, auf der Eintrittspreise standen. Da aber weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, fuhren wir einfach weiter. Die Piste endete an einer Felsenwand. In einer Ecke des Wendehammers stand ein Anhänger, der an einen Bauwagen erinnerte, und der wohl tagsüber Touristen irgendwas verkaufte. Die waren aber schon mit aufräumen beschäftigt und auch das Licht reichte gerade noch aus, um Photos zu machen, ohne daß man die Belichtungszeit über eine Sekunde schrauben mußte.

Als ich zur Seite schielte, sah ich Almut, die schräg hinter mir stand, das Bild beobachtete, und eine Rebe Trauben in der Hand hielt, von der sie sich immer wieder mal eine Traube herunterzupfte und aufaß. Ich ließ die Kamera sinken. "Wo hast Du denn die jetzt her?" Sie überlegte, was ich wohl meinte, dann sah sie mich verwirrt an und sagte: "Die wachsen hier." Ich mußte lachen. "Du kannst doch nicht einfach irgendwas fressen, nur weil es hier wächst. Sind die mit oder ohne Fuchsbandwurm?" Das konnte sie nicht herausschmecken. Andererseits waren meine Bedenken völlig grundlos, weil sie nie krank ist. Auch Michl nicht. Ich habe nie erlebt, daß er auch nur einen Schnupfen hat. Bei ihm liegt es am Alkoholgehalt im Blut - welcher bei ihm in Prozent gemessen wird, statt in Promille. Ich weiß nicht, woran es bei Almut liegt. Bestimmt nicht daran, daß sie ihre Immunabwehr mit trockenem Brot und Pfützenwasser verwöhnt. Auch nicht daran, daß sie Vegetarierin ist. Ich vermute, daß sie Nachts heimlich aufsteht und Plutonium frißt. Ich finde es schon noch heraus, mit was sie betrieben wird, jedenfalls nicht mit Nahrung (sie ist nur selten und gewiß nichts Gescheites) und nicht mit Diesel (der Verbrauch steigt nicht, wenn sie an Bord ist).

Ich entdeckte auf dem Rückweg noch eine Piste, die links abging und bog kurzerhand ab. Es ging stark bergab. Links von uns waren Weinplantagen, die Piste wurde immer enger und holperiger. "Vielleicht doch keine so gute Idee", sagte ich noch, als ich am Ende der Piste ankam. Hier ging es nicht weiter. Und es war weich, denn beim Brensen spürte ich, wie sich das Auto leicht senkte. Ich mußte nun auf dem kurzen Stück wenden. Rückwärtsgang einlegen. Das Auto sank beim Anfahren tiefer. "Absitzen!", sagte ich. Die anderen beiden stiegen aus. Ich probierte es noch einmal, wieder sank das Auto. "Scheisse! Das war schon wieder völlig überflüssig! Dreck, da! Und keine Ausrüstung", fluchte ich los. "Aber wir können es doch auch mit der Hand ausgraben", sagte Almut, mit ihrem gewohnten, leicht verklärten Lächeln, als wäre es das Angenehmste von der Welt wäre, bei Dunkelheit auf einer Staubpiste festzustecken, die nirgendwo hinführt, die nicht auf dem Weg liegt, ohne, daß irgendeiner von uns wußte, was wir hier überhaupt suchen. "Warum sind wir eigentlich hierhergefahren?", fragte mich jemand. "Frag mich doch nicht solche Sachen..." Natürlich wußte ich nicht, was ich hier eigentlich wollte. Ich zog mit die Arbeitshandschuhe an und fing an, den Sand unter dem Auto wegzuschaufeln und stattdessen Steine unter die Räder zu legen. Almut und Michl taten das gleiche, allerdings ohne Handschuhe. "OK", sagte ich, "sollte reichen. Ich probier's, ihr schiebt." Ich nahm Platz, gab ihnen ein Zeichen, gab Gas, löste die Handbremse und das Auto machte einen Satz nach hinten, bevor es sich wieder daran machte, sich in Richtung Erdkern zu arbeiten. Ich trappte die Bremse durch und stieg wieder aus.

Almut und Michl, als wir versuchten das Auto aus seiner idiotischen Lage zu befreien.

Das gleiche Spielchen. Bald saß ich wieder drin und fuhr an. Diesmal kam das Auto frei. Ich schlug nach rechts ein und fuhr eine scharfte Kurve, so daß ich nun vorwärts wieder den Weg hinauf fahren konnte. Als ich zum Stehen kam und mich wieder nach vorne umdrehte, war Almut gerade damit beschäftigt, Michl vom Boden aufzuheben und er selbst damit, seine Brille wieder geradezurücken. Beide lachten laut. "Hoffentlich schaut niemand zu", sagte ich, und versuchte mir vorzustellen, was im Hirn eines Einheimischen vorgehen muß, der diese durch und durch hirnrissige Aktion vielleicht beobachtet haben mag. Wir fuhren wieder auf die Straße. Keine Pistengeschichten mehr für heute.

Um halb sieben tankten wir hinter Göreme. Das Rütteln am Lenkrad war mittlerweile so stark geworden, daß ich die Marschgeschwindigkeit auf 80 herunternehmen mußte. So fuhr ich dann etwa anderthalb Stunden. An einer Tankstelle hielt ich und fragte nach "Lastik". Was es genau heißt, weiß ich nicht, aber es hat was mit Reifen zu tun und erinnert stark an das Wort "Elastik" oder "Plastik". Er sagte "Fifftin Kilometre" und zeigte in Richtung Westen.
Ich stieg wieder ins Auto und wir fuhren weiter. Das Rütteln wurde so stark, daß ich auf 60 herunterging. Vor uns in einigen Kilometern Entfernung, war ein Lichtschein. Ich merkte, daß das Auto nun langsam vorne links absank. Ich mußte das Lenkrad immer weiter nach Steuerbord lenken, um das Auto gerade zu halten. Kurz darauf setzte das charakteristische Poltern ein, das anzeigt, daß der Druckausgleich zwischen Reifen und Umgebung erfolgt ist. Da muß man auf Schrittempo herunter, wenn man nicht will, daß der Reifen wich verabschiedet und sich um das Gestänge wickelt. Der Benz humpelte in die nächste Tankstelle.

281.079 km / 19:55 Uhr
In einer Ecke an der Tankstelle angekommen.

Um das Theater, das wir in Griechenland hatten zu vermeiden, fuhr ich auf einen Stein. So stand das Auto höher und man mußte nicht erst Stufenweise das Auto aufbocken. Es dauerte genau eine halbe Stunde, das ist so die Richtzeit für einen Reifenwechsel. Während ich den Reifen wechselte, funktionierte Almut die Kotflügel des Anhängers, der neben dem Auto stand zur Kückenplatte um und machte Abendbrot.

Um fünf vor halb neun ging es weiter. "Diese Ruhe", sagte ich und bezog mich dabei auf den leisen Lauf des neuen Reifens. Einach schön. Den alten Reifen nahmen wir mit. Der hatte wahrlich ausgedient, da war nichts mehr zu machen. Die Geschwindigkeit lag wieder bei 120 km/h, die Strecke verlief weitgehend gerade. Weit vor uns machte ich ein stetiges blaues Aufbliten aus. Zweifellos ein Blaulicht, aber die entfernung war schwer zu schätzen. Schätzungsweise drei, vier Kilometer. Manchmal verschwand es, dann tauchte es wieder auf. Es kam jedenfalls nicht näher. Nach einer Dreiviertelstunde erkannte ich, daß es sich um einen Sanka handelte. Wir näherten uns nur langsam. Ein Sprinter. Er fuhr gut, daher beschloß ich, mich hinten dranzuhängen. Wieder nach einigen Minuten war ich dran. Er fuhr auch 120, so ließ sich der Abstand schön regulieren und ich fuhr auf wenige Meter heran. "Das macht kein Krawall und spart Brennstoff..."

Langsam näherten wir uns Konya, den Nachtplatz wollten wir davor aufschlagen, nicht in Konya und nicht dahinter. Dort gab es anscheinend etwas Wichtiges zu sehen. Alle zehn Kilometer war eine Entfernungstafel. Als die 60er vorbeikam, mußte ich mich nun entscheiden, ob ich vom Gas gehen oder überholen sollte. Ich überlagte hin und her und überholte. Genau falsch. Denn nun hatte ich den Sanka hinter mir, war geblendet, sah nichts von der Landschaft und Leute die erst überholen und dann abbremsen hasse ich wie die Bullen. Ich mußte als Abstand gewinnen und ließ die Maschine AK laufen. Doch die Scheinwerfer entfernten sich nur sehr langsam. Ich war viel zu schnell, um Feldwege rechtzeitig zu erkennen, so schoß ich an mehreren vorbei. Dann erhellten auch schon die Lichter von Konya den Horizont. Dreißig Kilometer lang nur Sprit verfahren. Ich fuhr rechts von der Straße und wendete in einem Zug, wobei ich stark über den Wendekreis ins Schimpfen geriet: "So eine Scheisse, mit dieser Scheisse hier. Verdammt!"

Ich fuhr gemütlich wieder zurück und fuhr wieder zwanzig Kilometer zurück, bog nahe Kilometertafel 50 dort rechts in eine Seitenstraße und fuhr dort einige Kilometer, dann bog ich, wieder rechts in einen vermeintlichen Feldweg, der sich schnell als Bautrasse entpuppte. An Steuerbord lag eine geschlossene Kette von Kieshügeln, und es war Kies, auf dem wir fuhren. Etwa fünf Kilometer mußten wir fahren, bis sich eine Lücke zwischen den Kieshügeln auftat, die das Auto beherbergen konnte. Dort wendete ich - dank verstelltem Wendekreis diesmal in ein paar hundert Zügen, und blieb dann stehen. "Hoffentlich ist die Trasse nicht befahren", sagte ich und began, das Zeug aus dem Kofferraum zu holen. Kurze Zeit später vernahm ich das typische "Ah!", mit dem Michl üblicherweise seine Sätze einzuleiten pflegt. Ich sah über den offenen Kofferraumdeckel und sah ein Scheinwerferpaar. "OK. Sie ist befahren...", sagte ich gelangweilt und schloß den Kofferraumdeckel. Ich horchte, immer in der Hoffnung, das Auto könnte sich vielleicht doch auf der Straße befinden. Doch bald schon vernahm ich das charakteristische Geräusch, das entsteht, wenn ein Auto mit hoher Geschwindigkeit über Wellblech fährt. Das hört man weit früher als das Motorengeräusch. "Almut, Auto von vorn. Tür zu!" Almut saß auf dieser Fahrt immer auf der Beifahrerseite und war gerade damit beschäftigt, ihr Zeug für die Nacht herzurichten. Die Piste war zwar nicht so schmal, daß das ankommende Auto keinen Platz gehabt hätte um vorbeizufahren, wenn die Tür offenbliebe, aber es würde vermutlich Kies spritzen. Der Fahrer würde unsere Stellung wahrscheinlich erst im letzten Moment erkennen. Almut schloß die Tür und kam auf die Fahrerseite. Wir blieben so stehen, daß der Benz zwischen ihm und uns stand. Das Auto rumpelte vorbei und hupte kurz zur Begrüßung. Das Auto stand aber relativ sicher, da konnte keiner aus Versehen reinkrachen, vorher würde man im Kieshügel landen und - war der vorbei, hätte man unmittelbar danach eine scharfe Rechtskurve fahren müssen. Auf dem Untergrund nicht die leichteste Übung und wieso soll jemand mit Absicht irgendwo dagegenfahren?

Sichtschutz: keiner. Wir blieben dennoch hier. Lang würden wir hier wahrscheinlich eh nicht bleiben, denn es war bewölkt und es blitzte fortwährend. Daher schliefen wir auch in voller Montur, damit wir, wenn es losregnet, schneller im Auto sitzen und weiterfahren können. Der Boden war auch noch naß vom vorangegangenen Regen. Wir legten die Plastikdecke zuunterst, genau zwischen Auto und Hügel, so daß wir heute vor dem Auto lagen und nicht daneben. Auf die Plastikfolie legten wir die Schlafsäcke, wie immer, und wir nahmen Fuß des Kieshaufens sogar als Kopfkissen. Zum Schluß fuhr ich das Auto ein wenig weiter vor, damit der Abstand zwischen Hügel und Auto möglichst klein war.


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