Persien 2006
Freitag, 18. August


Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein, daß ich die Schlüsselübergabe nicht vorgenommen hatte. Nochmals zurück zum Viktors, dann wieder nach Hause, das vergessene Zeug abholen und von dort dann endgültig los. Es war mittlerweile fünf vor halb eins geworden, als wir wirklich losfuhren. Der Tacho zeigte 268.493 km.

Auf die B17 und immer mit Vollgas in Richtung Süden. Wir waren gerade eine Viertelstunde und dreizehn Kilometer unterwegs gewesen, da blitzten Batterie- und Bremsverschleißanzeige auf. "Ohoh..." Ich starrte fassungslos die Lichter an. Die Temperaturnadel stieg zusehends. "Der Keilriemen ist gerissen", gab ich durch. Und immer an den beschissensten Stellen. Ich nahm den Gang heraus und ließ die Karre auslaufen. "Verdammt! Wieso kommt gerade jetzt keine Drecksausfahrt?" "Weil sie zwischen Königsbrunn und Oberottmarshausen keine hingebaut haben", war Michls dumme Antwort auf meine dumme Frage. Ich mußte ins Grüne hinaus. Ich rollte über den Standstreifen ins Gras und dort so weit wie möglich weg von der Straße. "Taschenlampe?" Almut machte prompt Meldung: "Das Licht ist im Handschuhfach, zur Not hätten wir auch noch die kleine Maglight." Schon beim ersten Versuch stellte ich fest, daß das Licht für den Zigarrenanzünder nicht funktionierte und bat um die Maglight. Von wegen klein. Winzig.

Michl sorgt mit Flutlicht für ordentliche Lichtverhältnisse.

"Hatte nicht meine Mutter gerade vorhin eine Taschenlampe in Espressomaschinengröße in der Hand gehabt?", fragte ich in die Runde. "Ja, aber Du hast sie wieder zurückgehen lassen", erinnerte mich Almut. Ich Depp... Dann muß man eben mit dem operieren, was da ist. Hilft ja nichts. "Hier! Leuchte mal!", brüllte ich zu Michl hinüber. Den verdammten Riemen für die Servo muß man auch abnehmen. Das Fluchen wurde lauter. Dann die Lichtmaschine zurückdrehen. Aber mit dieser verfluchten Einstellschraube hatte ich schon immer Probleme. In welche Richtung geht sie auf, in welche zu? "Almut. Auf der Hutablage liegen Reparaturhandbücher. Lies mal nach." Sie brachte das kleine, an der richtigen Stelle aufgeschlagen. Da standen allerlei Weisheiten drin, unter anderem ganz deutlich, daß man an der Einstellschraube drehen müsse, um den Riemen zu spannen bzw. zu entspannen. Wer hätte das gedacht, daß man an Einstellschrauben zum Zwecke der Einstellung schrauben muß? "Welcher verfluchte Kerl hat das geschrieben?" So einer gehört doch so lange gegen die Wand gedroschen bis er lacht. Eh Almut im anderen Buch die rechte Stelle fand, hatte ich bereits erfühlt, in welche Richtung man drehen mußte und den Riemen aufgezogen. Doch der war leider zu groß. Das Fluchen übertönte mittlerweile die vorbeifahrenden Autos. Da war noch ein Riemen, aber den hatte ich in meiner grenzenlosen Sorglosigkeit ganz unten in den Reserveradkasten gelegt. Kofferraum entladen. Alles. Alles mußte raus, der Riemen, der ganz unten lag, war der richtige. "Gib Deiner Schwester nen Kuß von mir..." Der Einbau ging recht zügig. Man sollte meinen, es sei umgekehrt, immerhin übernimmt den Ausbau des Riemens das Auto. Als wir gerade wieder zusammenpackten hielt ein Fiat Tunto an und fragte, ob wir Hilfe bräuchten. "Danke, Reparaturarbeiten soeben abgeschlossen." Nach 55 Minuten saßen wir wieder im Auto und es konnte weitergehen.

Eine kurze Notiz im KTB, eine Schadensmeldung. Viel mehr war von der ganzen Aufregung nicht übriggeblieben. Das Groteske ist nur, daß das KTB bis dahin aus zwei Zeilen bestand:
0:25      Abfahrt Richtung Venedig     268.493
0:40      Keilriemen gerissen      268.505
Mehr stand da bisher nicht drin. Wenn wir jetzt verrecken, gäben wir höchstens noch den Stoff für eine mittelmäßige Komödie ab. Doch das hatten wir nicht vor. Wir fuhren die B17 entlang. Sehr gut ausgebaut, allerdings durch unsinnige Geschwindigkeitsbegrenzungen durchaus dafür geeignet, dem Verantwortlichen die Kehle durchzuschneiden und sich hinterher auf Notwehr zu berufen. Das wird jeder Richter verstehen.
Wir kamen eine Stunde später in Ettal vorbei, dem Hort meiner Jugend. In stiller Würde stand die Basilika im fahlen Mondenschein da wie eh und je. Hier schieint die Zeit stille zu stehen, selbst die gelben Telephonzellen am Eck hatten sich kaum verändert. Doch wir fuhren ohne anzuhalten weiter über den tödlich gefährlichen ettaler Sattel nach Oberau hinunter und weiter nach Garmisch. Der Grenzübergang gestaltete sich durch sein Nichtvorhandensein vollkommen reibungslos.

In Österreich, kurz vor der italienischen Grenze in oder bei Steinach hielten wir um 4:20 Uhr an, um die alten Nummernschilder wieder am Auto anzubringen. Diese Kurzzeitkennzeichen halfen uns auf Dauer nicht weiter. Zwar war das Auto damit bis Montag versichert, aber damit wären die Vorteile auch schon alle aufgezählt. Ohne jegliche Kontrolle ging es auch nach Italien hinein (4:32 / 268.705). Wer hätte gedacht, daß selbst die EU für irgendwas gut ist?

Ja, südwärts, der Sonne entgegen. Mit uns zieht die alte Zeit...

Allerdings muß man hier die Grenzziehung berücksichtigen. Die politische Grenze hatten wir zwar überschritten, aber in Italien waren wir noch lange nicht. Das hier ist Südtirol und gehört wesenstechnisch im weiteren Sinne zu Deustchland. Daran erinnerte mich genau zweiundzwanzig Minuten nach der Einreise ein grellroter Blitz am Eingang zu irgendeinem teutonischen Bauernkaff. Was sollte das denn? Es ist weit nach vier Uhr nachts, gerade in diesen ländlichen Gegenden, wo alle päpstlicher sind als der Papst und nach dem Abendbrot um sechs Uhr, dann ein kurzes Stoßgebet zum Allah ablassen und dann schlafen gehen, damit sie bei der Morgendämmerung wieder fit sind und rechtzeitig damit anfangen können, sich den Buckel krummzuschuften. Hier ist eine Blitzanlage mindestens ebenso notwendig wie ein Netz zur U-Boot-Abwehr. "Nichts wie raus aus diesem Irrenhaus!"
Viertel vor Sechs. Schlafpause. Ich war nicht mehr so fit, wie noch einige Jahre zuvor. Damals hätte mir das bißchen Strecke nicht viel ausgemacht. Nun aber konnte ich förmich zusehen, wie ich den Kampf gegen den Schlaf verlor. Zweimaliges abkommen von der Hauptspur reichen, um zu dieser Einsicht zu kommen. Michl war mir als Beifahrer in diesem Falle keine große Hilfe, da er erst mitkriegt, daß ein Ereignis geschehen ist, wenn es bereits mehrere Stunden zurückliegt.

Als es auch noch so heftig regnete, daß ich kaum mehr etwas sah, fuhr ich in eine Einfahrt, die schon deshalb seltsam war, weil dort mehrere LKW standen, die offensichtlich hier übernachteten, aber nirgendwo ein Hinweisschild. Im Gegenteil. Es hieß Privatgrund. Soll ein anderer daraus schlau werden, denn ich war zu müde, um darüber nachzudenken. Sitz zurück und gute Nacht.

Zwar klingelte der Wecker pünktlich um 6:30 Uhr, wie er eingestellt war, aber erst um 7:18 Uhr (268.773) kamen wir de facto los. Über die Hälfte der Strecke hatten wir laut Michl schon hinter uns. Die Strecke war mit einem mal sehr gut ausgebaut. Keine Autobahn - wir hatten die ganze Zeit mautpflichtige Autobahnen erfolgreich vermieden. In Martincelli (9:20 / 268.904) nutzte ich die Tatsache, daß wir uns schon wieder leicht verfahren hatten, um mich noch eine Weile aufs Ohr zu hauen. Bald würde es dafür zu heiß werden.
"Sollen wir langsam weiter?", fragte mich Almut. Sie hatte Recht. Die Fähre auf den letzten Drücker zu kriegen ist immer so ein Spielchen, das man machen kann, wenn Zeit zur Verfügung steht. Almut mußte am 26. spätestens in Teheran sein, da kommt es wohl auf einen Tag mehr oder weniger an. Zwar wäre der Landweg noch schneller gewesen, aber dafür auch teurer. Wir fuhren eine Weile auf dieser Strecke dahin in Richtung Padua, bis von Almut die Meldung kam, nach der ihre Schwester gemeint hätte, wir sollten den Tank nicht ganz leerfahren, wegen der Plörre, die ich letztes mal als Treibstoff verwendet hatte. Sie glaubt wohl, dadurch hätte sich so viel Dreck im Tank angesammelt, daß das Auto ihn mit einmal ansaugt und dann stehenbleibt - was natürlich nicht stimmt, das weiß ich aus jahrelanger Erfahrung, als ich selber mit einem 200D nur mit dieser Plörre fuhr. Alles, was irgendwie ölig war, sprich Diesel, Heizöl, Altöl, Sojaöl, Maisöl, Olivenöl, Rapsöl, einfach alles, was irgendwie umsonst oder für sehr billig zu kriegen war, in einen 1000-Liter-Tank und dann daheim tanken. Außerdem war diesmal wieder Plörre drin. Wenn man 20 Liter weniger Tanken muß, hat man über 20 € mehr in der Reisekasse. Dafür gibt es im Iran Gerüchten zufolge mindestens 1000 Liter besten Diesels. Auch oben auf dem Dach hatte ich ein 1:1 Diesel-Plörre-Gemisch. Michl bemerkte einige Minuten zu spät, daß er wieder mal geschlafen hatte. Wir hatten nämlich die Ausfahrt verpaßt. Da wir nun ohnehin eine Verzögerung drinnenhatten, beschloß ich auch gleich bei der Tankstelle zu tanken, die sich gerade im Moment des Verfahrens vor uns zeigte. Erst völlig hirnlos mal die Pumpe in gang setzen und das Diesel, das in Italien mittlerweile teurer ist, als in der BRD in den Tank fließen lassen. Nach einer Weile kam mir, daß das in Griechenland ja billiger sein muß als hier in Italien. Ich stoppte das Ganze und ließ den Rest voll mit der Plörre aus den Kanistern.

Agip an SS47 b. Basano del Grappa, 10:44 / 268.938
Das schwere Diesel in den Iran fahren... Geht's dümmer?

Außerdem hatte ich nicht berücksichtigt, daß dieses Auto noch keine Tankerweiterung hatte, also nur 60 Liter faßte. Ich wurde daran erinnert, als die schwarze Brühe begann, sich über Karosserie und Boden zu verteilen. Irgendwie war ich noch nicht ganz wach.

Wir machten uns nicht mehr die Mühe, umzudrehen, sondern fuhren auf Nebenstraßen weiter. Es waren keine 100 km mehr bis Venedig und wir hatten noch Zeit. Zwar kamen mir angesichts des streckenweise heftigen Verkehrsaufkommens Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, aber als es wieder einigermaßen lief beließ ich es dabei, daß wir auf dieser Strecke weiterfahren, statt umzukehren. Verwirrungen gab es noch, als wir in Mestre plötzlich in einer Sackgasse standen und umkehren mußten. Auch hier fiel mir wieder auf, daß irgendwas mit dem Wendekreis des Autos nicht stimmte. "Irgendwann fahre ich damit noch irgendwo dagegen", prophezeite ich. Ich bin den 123er gewohnt, doch der hier hatte einen größeren Wendekreis als meiner. Und mit meinem fahre ich oft nur wenige Zentimeter an einem Hindernis vorbei.

Bei diesem hier hatte ich schon des öfteren die Bremse unsanft betätigen müssen, da ich sah, daß das Manöver nicht gutgehen würde. Und da er überhaupt kein Spiel in der Lenkung hatte, bin ich überzeugt, daß da irgendwo dran herumgeschraubt worden war. Auch die Reifen machten komische Wetzgeräusche. Ich konnte nur nicht feststellen, welcher Reifen das genau war. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken. Der würde sich schon melden, wenn ihm etwas nicht paßte. Aber hoffentlich nicht mit einem lauten Knall, sondern mit einem leisen Poltern. Immerhin hatte das Auto zwei Jahre gestanden und daher waren Plattstellen in den Reifen. Nach ein paar tausend Kilometer merkt man davon in der Regel nichts mehr.
Wir erreichten Venedig, doch damit war es noch nicht ganz geschafft, denn wir mußten auch noch den Richtigen Hafen finden. Fest stand nur, daß wir über eine Brücke mußten. Das taten wir auch.

Die letzte Brücke vor Venedig.

Aber wie es weitergehen sollte, wußte nicht mal Michl. Es gab einen Hafen für die Touris, die nach Venedig wollen, einen für die Frachter, einen für die Fähren. Porto industriale wollte ich erst anfahren, aber nachdem ich zahlreiche andere Schilder sah, die auf tausend andere Häfen hinwiesen, überlegte ich es mir doch anders. Porto turistico versuchten wir, fuhren an einem kilometerlangen Stau vorbei, an Polizisten, die so beschäftigt damit waren, den stehenden Verkehr zu regeln, daß sie keine Zeit hatten, sich um mich zu kümmern und mich einfach weiterschickten. So kennt man Italien. Ganz vorne angekommen hielt ich an und schaute, ob ich was sah. Als ich sah, daß da nichts war, fuhr ich wieder zurück. "Kruzifix, da muß doch irgendwo Minoan-Lines stehen. Scheiß Analphabeten, ich werd' mich bei der Tournierleitung beschweren! Da war doch eine Fähre gestanden, als wir über die Brücke kamen. Die werden doch nicht mehrere Fährhäfen haben, das muß der sein. Irgendwo da links." Michl, der natürlich die Fähren nicht gesehen hatte und erst auf die Ansage hin reagieren konnte, lotste mich dann in die Richtung. Erst fuhren wir den rechten Spuren nach und kamen an einen seltsamen Ort, an dem zwar eine Fähre stand, aber weiter nichts. Und immer noch nichts von Minoan-Lines. "Aaaah, dann fahmer halt gechts...", gähnte Michl hervor.

Ich tat wie befohlen, und unmittlebar darauf erspähte ich ein Plakat, auf dem der Schritfzug Minoan-Lines und ein Pfeil nach geradeaus angebracht waren. An einem Polizeiposten vorbei, "Minoan-Lines" gewünscht, statt "Guten Tag", durch ein zackige Handbewegung den Weg gewiesen gekriegt und weiter. Keine Minute später standen wir mit Hunderten anderer Autos in Reih und Glied vor einer Fähre der Minoan-Lines. Im Nachhinein stellte sich heraus, daß es genau diese Fähre war, die ich von der Brücke aus gesehen hatte (Bild oben) , wie man in der Vergrößerung erkennen kann. "Ob das wohl schon unsere ist?" Ich wollte mich vergewissern. Es war zwar noch ein bißchen früh, aber genausogut konnte es sein, daß es sich um eine Fähre handelt, die eine andere Route fährt. Dann stehen wir morgen früh auf Kreta. Wir hatten ja ein eTicket. Mit diesem bekommt man die Tickets am Hafen. Die Sache war reichlich unkompliziert. Es gab eine Fähre, einen riesigen Warte- bzw. Parkplatz, und ein ebenfalls riesiges Gebäude, in dem anscheinend die Büros untergebracht waren. Ich nahm alle Papiere an mich, den ausgedruckten Wisch eingeschlossen und stapfte in die Halle, in der sich bereits Tausende von Leuten tummelten. Der großteil deutsche Touristen, die mit der ganzen Familie in Urlaub fuhren. Schreiende Kinder sprangen überall herum und die Klimaanlage schaffte es nicht, gegen die Hitze anzukämfen. Ich stellte mich ganz hinten an, vor mir warteten bereits an die hundert Leute. Aber da die sich immer mit der ganzen Sippschaft anstellen blieb mir die Hoffnung, daß es schlimmer aussah als es tatsächlich war.

12:15 / 269.010
Der Liegeplatz bei unserer Ankunft kurz nach Mittag.

Doch in der schwülen Hitze ist jede Warterei nervig. Ich zückte mein Handy, nahm die deutsche Karte heraus, legte die amerikanische ein und begann, in die Weltgeschichte zu SMSen. Dabei erfuhr ich, daß Frank in Konstantinopel war. Vielleicht läßt sich da ein Treffen arrangieren. Nach zwanzig Minuten war ich dran. Ich reichte den Zettel durch den Schlitz und bekam nach wenigen Sekunden die ausgedruckten Tickets. Das ging mal überraschend schnell. Die wollte nicht mal einen Ausweis sehen, stellte keine Fragen, alles was sie sagte war "Gute Reise". Warum klappt das hier und in Deutschland nicht? Dort muß man an fünf verschiedenen Schlatern achzig verschiedene und doch gleichermaßen sinnlose Formulare ausfüllen und bis hin zur Schuhgröße der Urgroßmutter alles angeben, bevor sich das Fräulein bequemt, den Drucker zu bemühen.

12:40 Uhr: Mit den Tickets in der Tasche und einem Schild mit der Aufschrift "Igoumenitsa" in der Hand ging ich wieder zuf den Parkplatz. Ganz allein stand das Auto da, wo ich es abgestellt hatte. Almut und Michl saßen drin und es schien keinen zu stören, daß alle anderen schon vor der Fähre standen. Ich fuhr vor und stellte mich einfach an. "Ist das unsere Fähre überhaupt?" Das konnte ich nicht sagen. Wir glichen da jenem Mann, der irgendwo eine Schlange stehen sieht, zwar nicht weiß, was es gibt, sich aber anstellt. Wird sich schon etwas finden, irgendwas wird es schon geben, weil die Menschen da stehen.

13:20 Uhr: Fahren in den Laderaum.

Es ging alles sehr schleppend. Ich konnte nicht erkennen warum. Sollte doch kein Problem sein, die Autos in den Bauch dort vorne hineinzubekommen. Ich habe das jedenfalls schon schneller gesehen. Als wir dann nach einer halben Stunde vorne ankamen, fragte ein Schiffsoffizier nach den Tickets. Aber Ausweiskontrolle gab es wieder keine. Im Prinzip könnte jeder hier umsonst mitfahren, sofern er eine Referenznummer ergattern kann, sollte man meinen. Allerdings muß man dann auch sicherstellen, daß der eigentliche Passagier die Fahrt nicht antreten kann und auch das Ticket nicht storniert. Und das ist so unwahrscheinlich, daß es sich nicht lohnt, Ausweiskontrollen durchzuführen. Ich fand auch, als wir vorne ankamen, den Grund für die unverhältnismäßig lange Wartezeit (20 Minuten am Schalter, vierzig in der Schlange) heraus: Man mußte rückwärts auf die Fähre fahren. Die Deutschen stellten hier die Mehrheit und somit waren also die meisten Leute zu blöd, auch nur einen Meter gerade rückwärts zu fahren. Die Einweiser trugen noch ihren Teil zum Chaos bei, weil jeder rumbrüllte und in eine andere Richtung wies als sein Kollege. Am besten man beachtet sie nicht und fährt so, wie man meint. So taten wir es auch. Einfach rückwärts hoch schön nicken, wenn einer was meint. Es reicht, wenn man weiß, wo man sich hinstellen soll, das Wie übernimmt man am besten selbst.

An Bord der PASIPHAE PALACE. Blick nach achtern.Beim Aussteigen wies ich die anderen an, das Zeug erst mal dazulassen. "Meinst wir können noch ans Auto, nach dem Ablegen?" "Ich find schon einen Weg. Jetzt erstmal raus hier, da hin, wo es kühl ist. Wir gingen an Deck und sahen auf den Liegeplatz hinab. Da wir genau rechtzeitig angekommen waren, konnten wir nicht, wie ursprünglich geplant, ein Eis in Venedig essen. Das holten wir nun an Bord auf Deck nach. Schließlich waren wir irgendwie schon noch in Venedig. Almut ging los und kam mit drei Eis zurück. Es kam, während wir unser Eis hinunterwürgten, bevor es hinwegschmolz, eine Durchsage, daß auf der Fähre die griechische Zeit gelte und die Uhren daher eine Stunde vorgestellt werden sollten. Nun war es nicht mehr 14:00 Uhr, sondern 15:00 Uhr und das Schiff legte erstaunlicherweise auf die Minute genau ab. Es kamen noch weitere Durchsagen: Die Frachträume seien nur für diejenigen zugänglich, die "Camping on Board" gebucht hätten und diese befinden sich auf Deck 4. Wir hatten natürlich nur eine Deckspassage, denn schon ein Sitz kostete mit 84 EUR zwei Euro mehr als das Auto, welches sich auf Deck Nummer 3 befand. Dann eine Durchsage, daß die Fähre sich für 45 Minuten mit 6 kn an Venedig vorbei bewegen werde. Vermutlich wegen des Wellenschlags, doch man solle sich doch die Stadt derweil ansehen. Dazu gab es Hinweise auf verschiedene Sehenswürdigkeiten dieser sinkenden Stadt.Um Vier gingen wir hinunter zu einer der Zugangstüren auf Deck 4. Sie ging nicht auf, daher belagerten wir sie Almut schlug ihr Persischbuch auf, setzte sich davor, Michl stellte sich in den Gang wie eine Maschine, die man eben an dieser Stelle heruntergefahren und abgestellt hatte und ich legte mich mangels Unterlage auf den boden vor die Tür. Erstmal ausschlafen, dann fällt mir schon war ein, wie wir da hineinkommen. Plötzlich ging die Tür auf und Leute kamen heraus. Von Innen ging sie also auf. Gut zu wissen. Aber ich wollte erst mal ein wenig Schlaf nachholen. So lagen, lernten, standen wir dort weiter herum. Doch die Ruhe wurde öfter gestört von anderen Touristen, die auch da hineinwollten. Ein ganzer Pulk stand da, etwa zehn, zwölf Mann. Ich erklärte, daß die Tür nur von innen aufgeht. Aber es käme immer wieder mal jemand heraus, man müsse nur etwas warten. Es kamen weitere hinzu. Unter anderem ein älteres Ehepaar. Sie drängten sich an allen vorbei und der Mann drückte auf den roten Knopf. Nichts. Er probierte es nochmals. Ich sagte in ernstem Ton: "Ich habe mal im Prager Tagblatt gelesen, daß die Tür aufgeht, wenn man besonders fest auf den Knopf drückt. Das ist so wie mit der Hupe und der Enter-Taste am Comp..." Gekicher in der Menge, er selbst sah mich etwas verstört an. "Psssst!", wies mich Almut zurecht und lachte dabei auch. "Ist doch wahr, oder? So ein Depp. Meint der die Leut sind noch nicht auf die Idee gekommen, den Knopf zu drücken, der bald größer als die Tür ist? Sind wahrscheinlich alle dumm, nur er ist gescheit." Ich drück gleich sicherheitshalber auch noch mal drauf, vielleicht geht's dann... "Jetzt gibt's nichts mehr zum sehen, schick die alle weg, ich will schlafen", wäre meine nächste Ansage gewesen, aber das erübrigte sich, weil die Tür aufging. Ich schlich mich hinein, um auszukundschaften, ob es dort vielleicht Duschen gebe. Über den Frachtraum gelangte ich zu dem Teil des Schiffs, in dem sich die Kabinen befanden. Dort gab es auch Duschen. Nach dieser Feststellung ging ich zurück, um Bericht zu erstatten. "Es gibt Duschen. Hier gleich links und dann genau unter dem Schild durch die Tür. Wieder links, nach 10m sind linkerhand die Duschen." Michl ging zuerst. Er kam auch recht bald wieder. Ich war als nächster dran. Ladies first gehört nämlich in die Mottenkiste. Heutzutage ist, soweit ich mich erinnern kann, Gleichberechtigung angesagt. Ich ließ mir relativ viel Zeit und als ich fertig war, wollte ich wieder über den Frachtraum zurück. Ich grüßte einen Steward freundlich, ging an ihm vorbei wie selbstverständlich zur Tür und wollte hinaus. Doch sie ging nicht auf, nur von der anderen Seite. Ich dachte, es mit einer defekten Klinke zu tun zu haben und setzte etwas mehr Energie in mein tun, was wiederum den Steward auf den Plan rief. Er sagte irgendwas auf irgendeiner Sprache zu mir. Ich denke, es war Russisch. "Njet pa russki!" Wo ich denn hinwollte, soviel verstand ich noch. "Sjuda!" und zeigte auf den Frachtraum. Da müsse ich die Karte in den Scanner halten. Ich machte eine auf nix verstähn. "Karte, chirr", er zeigte auf den Scanner, um dem Nachdruck zu verleihen, dann wiederholte er "Karta". "Ah. OK. Aber Karta in Auto." Dann müsse ich oben herum gehen. Reception..." Das tat ich. Irgendwie, nachdem ich eine Menge Treppen gelaufen war, stand ich vor der Reception. Es war über eine Stunde vergangen, als ich wieder bei Almut auf Deck 4 eintraf. Sie war schon fast am Einpennen. Ach, da ist ja der Herr. "Wo ist der andere?" "Der sieht sich auf dem Schiff um und raucht 'ne Cigarette." Ich erklärte ihr, warum es so lange gedauert hatte und schob die Schuld auf den Steward. Nun mußten wir zum Auto, das überflüssige Zeug ablegen und anderes Zeug holen, z.B. Duschzeug von Almut. Als wir gerade los wollten, kam der russische Steward wieder. Er ging von Deck 5 nach Deck 3, kam nach einer Weile wieder in umgekehrter Richtung mit einem Packen Prospekten, sah zu uns und meinte im Vorbeilaufen: "Finito. Upstairs." "Das war übrigens der Iwan, der mich erwischt hat. Warten wir kurz, bis er weg ist." "Und wie kommen wir zum Auto?", wollte Almut wissen. "Die Tür da unten ist offen." "Hast Du das auf der Erkundungstour festgestellt?" "Nein, schon vorher. Jetzt aber schnell rein.", sagte ich, ging voraus und drängte sie zur Eile. "Das geht nicht, wenn Du die Tür zuziehst, während die andere Hälfte von mir noch draußen ist." "Oh! Entschuldigung..." Tür wieder auf, Almut rein, Tür wieder zu. Mit einem lauten Knall ging die Türe zu. "Verdammt. Muß hier alles Krawall machen?" Ich schlich zum Auto und als wir dort waren kam auch schon ein Heini von der Aufsicht und fragte uns, wie wir hier hineingekommen waren. "Durch die Tür." "Durch welche Tür? Zeig mir. Hier unten keine Passagiere. Keine Tür, alle zu." "Nein, sonst wir nicht hier." Durch Wände gehen können wir auch nicht. Ich zeigte auf das Auto, weil ich noch Zeug brauchte. Er nickte und meinte nur: "Wenn fertig, Du zeigen Tür." "OK", sagte ich zu ihm. Zu Almut: "Pack alles, was Du brauchst." "Dürfen wir hier nicht sein?" "Nein, anscheinend nicht. Aber die werden uns schon nicht über Bord werfen..." Ich packte noch die Tickets mit ein und dann gingen wir los. Hinter uns der Aufseher. Ich zeigte ihm die Tür und ging anschließend durch. Gerade als ich glaubte, das Gröbste hinter uns zu haben, kam von oben der Russensteward und sah mich. "Shit! Was erzähle ich dem jetzt bloß? Und warum erwischen sie immer mich?", dachte ich mir. Ich hielt ihm die Tickets hin und sagte "Hier. Karta." Er machte eine abweisende Geste und sagte "Karta... Ticket! Karta blau!" Ich tat, als ob ich verstand und wandte mich wieder dem anderen zu. Er sah mich an und meinte, es sei alles OK. Nur nicht während der Fahrt in den Frachtraum. "Gibt das jetzt Streß?", fragte Almut. "Ja, ich denke schon." Und der ging auch gleich los. Der Aufseher stauchte den Russen zusammen, daß man das Gebrüll noch zwei Decks weiter oben hören konnte. "Auweh... Keine Experimente mehr für heut." Michl kam auch gerade wieder zurück mit der Meldung, er hätte bei den Pullmann-Sitzen auch Duschen entdeckt. Na, bravo. Aber ich mußte ja immer erst da hin, wo es verboten ist. Das war noch nie anders. Verboten = Interessant.

So warteten wir bei den Niedergängen von Deck 6 darauf, daß Almut vom Duschen wieder zurückkam. Das ging recht zügig. Danach setzten wir uns an einen der Tische, die auf dem Gang stehen. Ich schlief eine Weile, bis ich erst von Kindergeschrei geweckt wurde. Meine Eltern hätten mich sauber durch alle Decks gewatscht, hätte ich es gewagt, so einen Lärm zu veranstalten. Michl ging Almutsuchen und ein etwa 20 - 25 Jahre altes Mädchen nahm seinen Platz ein, nachdem sie mich gefragt hatte, ob der Sitz frei sei. Die Kinder gingen weg, ich schlief wieder ein. Das ging so lange gut, bis irgendwelche Balkanesen mir aus einem halben Meter Entfernung ins Ohr brüllten. Das Mädchen versuchte zu lesen. Sie sah auch etwas irritiert zu den Typen hinüber, dann sah sie mich an. Ich zuckte mit den Schultern. Versteh auch nicht, was das nun soll. Erst dachte ich, wir säßen vielleicht an ihrem Tisch, aber es war keine Bar, es war nichts reserviert, auch lagen keine Sachen auf oder unter den Sitzen. Und als das Mädchen ihr Buch demonstrativ zuklappte, sich erhob und ging, verzeichneten sie das zwar, denn sie sahen ihr nach und pfiffen ihr halblaut hinterher, machten aber keine Anstalten, ihren Platz haben zu wollen. Die zwei Mastschweine unterhielten sich offenbar nur und machten sich nicht die Mühe, dafür einen dämlicheren Platz zu suchen. Zwar standen sie nebeneinander, aber man könnte meinen, sie stünden auf zwei verschiedenen Berggipfeln. "Bestimmt gehen die gleich wieder", sagte ich mir und tat so, als wären sie nicht da. Weit gefehlt. Der eine setzte sich auf meine Lehne und begann hin und her zu schaukeln, der andere nahm auf dem Tisch Platz und ich fand mich buchtstäblich inmitten dieser zweifelhaften Konversation wieder und kam mir vor wie im Affengehege eines Großstadtzoos. Das Schiff ist ja zum Glück etwas größer. "Hab mal Tischmanieren, wenn man vom Boden frißt.", murmelte ich halblaut und begab mich an Deck. Irgendeiner brüllte mir wohl noch was nach, denn es wurde noch lauter. Ein paar Tische weiter sahen ältere deutsche Touristen zu den beiden hinüber, dann sahen sie mich fragend an. Ich zuckte mit den Schultern und ging weiter.

Almut saß in ihrem Kopftuch eingehüllt an Deck und prügelte sich Vokabeln in den Kopf. Diesmal keine arabischen, sondern persische. Es war nicht leicht, einen Platz zu finden, den man als gemütlich hätte bezeichnen können. Hier oben pfeifte der Wind ziemlich heftig, unten ist auch alles voller dämlicher Leute. Ich zog mit Michl los, um vielleicht doch einen Platz zu finden. In der Nacht müssen wir uns schließlich irgendwohinflacken. Der beste Platz war bisher der vor der Eingangstür zum Deck 4 oder drei. Was Besseres hatten wir bislang nicht gesichtet. Also gingen wir auf Erkundungstour nach Innen. Wir starteten am Bug. Dort fanden wir ein schickes "Á la Carte"-Restaurant vor. Nicht ganz unsere Preisklasse. Erstrech nicht auf der Fähre, auf der ein Werbefeuerzeug das Einzige ist, was einen einigermaßen realistischen Preis hat. Doch auf der Steuerbordseite war ein Selbstbedienungs-Restaurant für Normalsterbliche. Es öffnete gerade, denn es war kurz vor 19:30 Uhr. Wir gingen zurück zu Almut und erstatteten Bericht. Wir mußten uns allerdings beeilen, denn bald würde der Andrang so groß sein, daß wir eine Stunde antehen müssen und anschließend keinen Sitzplatz finden. In der kurzen Zeit, die wir benötigten, um Almut zu verständigen, war die Schlange schon ganz beträchtlich angewachsen. Doch wir hatten Glück und saßen schon nach 10 Minuten am Tisch. Ich hatte meine Lasagna und alles andere war mir Wurscht.
Anschließend Lagebesprechung. Wir blieben im Restaurant, denn dort war es zwar teuer (Dose Cola 3 €), jedoch am gemütlichsten. Einen richtigen Plan, wie die Fahrt verlaufen sollte, hatte immer noch keiner von uns. Wir hatten eigentlich gar nichts, so daß es allein schon großzügig war, diese Fahrt als "Iran-Fahrt" zu bezeichnen. Keiner von uns hatte ein Visum für den Iran, selbst die Fahrzeugpapiere waren so chaotisch, daß es fraglich war, ob sie uns überhaupt in die Türkei hineinlassen. Das Auto hatte Almut ihrer Schwester abgekauft, doch das Auto war abgemeldet und statt des Fahrzeugscheins, hatten wir nur die Abmeldebestätigung. Bei der Abmeldung hätte der Schein als verloren gemeldet werden sollen, was natürlich nicht geschehen war. Keinen Schein, nur den Brief, in dem keiner der Namen der Fahrtmitglieder auftaucht. Gleiches gilt für den Internationalen Fahrzeugschein. Die Versicherung läuft auf mich. Das heißt, das Auto ist bei mir versichert. Zahlen kann ich zwar im Zweifelsfall nicht, aber ich kann dafür sorgen, daß es soweit nicht kommt. Versicherungen und Airbags sind was für Tunten. Wir hatten noch nicht mal einen Plan für die Rückreise. Mit diesem Auto in diesem Zustand nach Deutschland hineinfahren wäre der schnellste Weg in den Knast, dem ich gerade entkommen war. Kennzeichenmißbrauch, Fahren ohne Versicherungsschutz, ohne TÜV, und die nimmermüden Korinthenkacker da drüben finden noch ein paar Paragraphen, gegen die ich verstoßen habe, wenn sie genau hinsehen, und das tun sie dann auch, darauf ist Verlaß. Nicht eingetragene, dafür rundum abgefahrene Reifen, überladener Gepäckträger, nicht zulässige Lenkhilfe, blablabla...

Einsatzbesprechung im Restaurant an Bord der Pasiphae Palace.

Doch zum Teufel mit den ganzen Vorschriften und Amtsstuben. Davon entfernten wir uns mit jeder Sekunde. Darüber würden wir uns schon noch früh genug Gedanken machen müssen, aber nicht hier und nicht jetzt. Jetzt galt es, sich die nächsten Schritte zu überlegen. Griechenland war nicht das Problem. Das erste Problem würde die türkische Grenze sein, doch die Hürde ist die einfachste. Je weiter wir nach Osten fahren, desto komplizierter wird das ganze. Unterfangen. Nicht fahrtechnisch, sondern papiertechnisch. Erste Station Konstantinopel, Visa beantragen, dann weiter nach Ankara, Almuts Paß bei der deutschen Botschaft in Empfang nehmen. Falls wir in Konstantinopel keine Visa bekämen, müßte man es eben hier probieren. Dann weiter nach Erzurum und dort gegebenenfalls Visa für Michl und mich, und eventuell auch noch für Almut besorgen. Dann erst wird eine Weiterfahrt möglich sein. Lassen sie uns in den Iran ohne Carnet hinein oder nicht? Wenn ja, geht der Tanz hinter der Grenze weiter, denn wir müssen Falls sie uns hineinlassen, Visa für Pakistan oder Afghanistan besorgen. Falls sie uns nicht hineinlassen, was nicht unwahrscheinlich ist, lassen uns die Türken einfach so zurück ins Land? Oder mach ein spitzfindiger Beamter Streß wegen des Paierchaos? Alles Fragen, auf die wir einzugehen nun nicht die geringste Lust verspürten. "Wird schon alles klappen", sagte Almut, mit dem ihr eigenen Optimismus, den man leicht mit Naivität verwechseln könnte, wenn man sie nicht schon lange genug kennen würde. "Stimmt. Wenn nicht, können wir immer noch nach Armenien, Syrien oder in den Libanon... oder oben rum nach Afghanistan." "Wehe ihr fahrt ohne mich nach Afghanistan. Hoffentlich fällt der blöde Sprachkurs aus", sagte Almut. Das war das Nächste: Das alles mußten wir natürlich so hinkriegen, daß wir spätestens am 26. August in Teheran waren, denn da fing der Sprachkurs an, der eigentliche Grund, der allerdings immer mehr zur Ausrede zu verkommen schien. "Wenigstens bleibt es spannend..."

Zu einem richtigen Schluß kamen wir nicht. Taktisch galt es, Griechenland zu durchrasen, um so möglichst schnell nach Konstantinopel zu kommen. Der Ober kam und bat uns, ins Restaurant nebenan zu gehen, da wir nichts aßen, sondern nur Getränke zu uns nahmen, aber eine Reisegruppe nun doch noch essen wollte. Das taten wir auch ohne Widerrede. Allerdings saßen wir nicht lange. Wir hatten immer noch keinen Nachtplatz. "Melde mich mit einem Mann ab zur Nachtplatzsuche. Fräulein Doktor möchten sich derweil Ihren Vokabeln widmen." Mit diesen Worten überließ ich um 20:30 Uhr Almut ihren Vokabeln und stiefelte mit Michl los zu den Außendecks. Vierzig Minuten lang sahen wir uns jede Ecke und jeden Winkel dort oben genauestens an. Was nicht besetzt oder zu laut war (schließlich segelt die Fähre nicht, sondern hat einen kräftigen Diesel als Antrieb), war zu windig. Was nicht zu windig war, was einfach patschnaß, denn dort hielt sich das Wasser. Schwül war es sowieso immer. Das war auch mehr oder weniger die Meldung, die wir machen mußten, als wir wieder in der Bar angekommen waren. Um halb zehn saßen wir wieder im Restaurant und ich holte noch eine Portion Tortellini. Wer weiß, wann wir wieder was kriegen. Unsere Bordküche war einen Tick bescheidener ausgestattet als diese hier auf der Fähre. Dafür aber auch um einiges billiger.

Am Ende des Abends gingen wir doch zu den Pullmann-Sitzen. Eine Ordnung war ohnehin nicht zu erkennen. Alle lagen oder saßen da, wo es ihnen am bequemsten schien. Wir teilten uns auf. Michl setzte sich auf einen Plastikstuhl an Deck, Almut nahm sich einen freien Sessel im Pullmann-Raum und ich schlief unter einem Regal, das offenbar nicht für Leute in meiner Größe gedacht war.


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