Persien 2006
Dienstag, 22. August

Wir fuhren noch eine Stunde. Irgendwo auf den Serpentinen der Strecke startete ich die Nachtplatzsuche. Geschwindigkeit herabsetzen, Nebelscheinwerfer an und nach Abfahrmöglichkeiten Ausschau halten. Zwei oder drei mal fuhr ich ziemlich steile Pisten hoch, die ziemlich Eng waren und entweder genau am Stilhang verliefen oder mitten durch den Wald. In beiden fällen konnte man da nicht bleiben. Wieder auf die Straße und weiter richtung Ankara. An einer langgezogenen Kurze entdeckte ich, etwas abseits der Straße einige aufgeschüttete Kieshäufen in dichter Reihenfolge. Ich fuhr von der Straße über das Kiesbett hinter die Häufen. Zwar waren sie etwas niedriger als das Auto, aber das war nicht weiter schlimm. das Licht vorbeifahrende Autos fiel nur kurz auf unseres, nämlich dann, wenn sie von beiden Seiten in die Szene einfuhren. Wenn sie das kurze Stück passiert hatten, lag der Lichtkegel auf der Straße. Ich stellte das Auto so hin, daß unsere Reflektoren vollständig hinter dem Kieshäufen lagen. Das war schon in Ordnung. Ich nahm noch die Eintragung vor. Das Handy verriet mir den Standort und die Uhrzeit: Tavansuyu, etwa 240 km vor Ankara, 0:05 Uhr. Der Kilometerzähler verriet den Kilometerstand: 270.339. Nur 232 Kilometer seit Istanbul. Der verdammte Stau hat uns eine Menge Kilometer gekostet. Um die Uhrzeit hätten wir schon dicht vor Ankara sein sollen.
Nähe Tavansuyu, 00:05 Uhr, 270.339 km
Ein Bild vom Nachtplatz, in dem Augenblick, als ein LKW vorbeifuhr.

Rundhorchen. Es war wirklich sehr wenig Verkehr. Nur ab und zu zog einsam der eine oder andere LKW auf der Straße entlang. Dazwischen war Totenstille. Von ferne her hallten manchmal Geräusche zu uns herüber, die wie ein kurzes Heulen klangen. "Was war das?" "Keine Ahnung. Aber es läßt sich nicht abstellen." Na, gut. Wie dem auch sei. Das Kiesbett bot eine gute Unterlage, man mußte keine Steine wegräumen, die einen am Schlafen hindern, die drei Decken taten ein übriges, um den Untergrund zu ebnen. In der Nacht wurde es kalt. Der Schlafsack, den ich dabeihatte kam gegen die Kälte schon bald nicht mehr an. Ich mußte mich unter die erste Wolldecke begeben. Das half zumindest soweit, daß ich nicht ständig aufwachte. Gut geschlafen ist aber anders.

Unser Nachtplatz am nächsten MorgenIch wachte wieder mal um punkt neun auf. Die Sonne war da sehr zuverlässig. Wir hörten die Nachrichten ab. Für den Iran läuft irgendeine dämliche Frist ab. Worum es genau ging kam nicht richtig rüber. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats wollten wohl hören, daß der Iran mit der Anreicherung aufhört. Ich dachte, die Frist wäre bis zum 31. August. Wie gesagt, keine Ahnung, worum es genau ging. Aber es war sicher wieder eine willkommene Gelegenheit für irgendeinen Bush, um eine Bedrohung für Amerika und die freie Welt daraus zu konstruieren. Wenigstens fiel die Wahl der einzulegenden Musik leicht. EAV: "Mit bedauern sieht der Homo Sapiens / Das Schicksal der Kurden Arabiens / Im TeVau, ganz genau, / Doch keiner mischt sich ein. / Ich fürcht' da düft' kein Erdöl sein. Willkommen im Neanderthal."
Wir fuhren um zehn los, zurück auf die Straße und ein paar hundert Meter weiter über einen Feldweg zu einer Lichtung, die Almut auf ihrem morgendlichen Spaziergang entdeckt hatte, um Wasser aufzufüllen. Ganz ran an die Quelle fuhren wir nicht, da sich auf dem Weg größere Unebenheiten auftaten. Hätten wir da durchgenußt, dann hätten wir es auch ohne Bleche geschafft. Da wir aber nicht durchmußten, war es die Anstrengung nicht wert und so zugen Michl und Almut zu Fuß los, während ich beim Auto blieb und weiterschlief.

Als die anderenbeiden sich wieder eingerichtet hatte, fuhren wir weiter in Richtung Ankara. Um dreiviertel zwölf legten wir eine kurze Tankpause bei Nailihan ein. Der Sprit war plötzlich merklich teuer geworden. Nun kostete es weit über einen Euro. Wir hofften, daß sich das in Ankata ändern würde, denn die Türkei ist noch verdammt lang. "Wer soll denn das bezahlen? Haben die eigentlich einen Hau?" Wir erklärten uns die Preise damit, daß die Strecke wenig befahren war und man nicht die große auswahl hatte, ob und wo man tanken soll. Wir tankten allerdings nur 15 Liter getankt. Zwar meinte ich 15 €, aber da habe ich mich wohl falsch ausgefuchtelt. Das würde jetzt jedenfalls bis Ankara reichen.

Kurz nach der Tankpause befanden wir uns wieder in der Prairie. Und links und rechts der Straße, ca. 140 km vor Ankara, taten sich die schönsten Nachtplätze vor der Windschutzscheibe auf. Sowas sollte man natürlich vorher wissen. Aber ich merkte sie mir für den Rückweg vor, der vermutlich wieder hier vorbeiführen würde. Aber vielleicht fällt ja Libyen aus und wir fahren dann doch am Mittelmeer entlang.

Nachtplätze, ca. 140 km vor Ankara. Fast 15 Kilometer lang konnte man gut und weit von der Straße abfahren.

Die Straße wurde schlechter. Es wurde aber daran gebaut. Öfter mal löste lockerer Kies den Asphalt ab. Das war in Ordnung, solange die Straße breit genug war. Doch wo es die Berge nicht zuließen, konnte man zum Gegenverkehr nicht genug Abstand halten. Ein LKW prechte vorbei und ein Stein hagel flog uns entgegen. Die meisten Steine trafen auf das Dach, doch einer verfehlte die Frontscheibendichtung nur um ein paar Milimeter und schlug genau hinter dem Rückspiegel in die Scheibe ein und ein spinnennetzrtiger Sprung war die Folge. "Du depperter Kaftankacker, das ist ein LKW, kein Eselskarren. Vollidiot!", schrie ich ihm hinterher. Ich hasse sowas. Muß nicht sein. Ich war etwas wütend, kann man sagen, hielt an und hob mir zwei kinderfaustgroße Steine auf, die am Straßenrand lagen. Das hat sich in Argentinien bewährt. Dem nächsten, der nicht auf Lichtsignal reagiert, kann sich auch eine neue Scheibe zulegen. Weiter. Die meisten LKW fuhren gesittet, doch der eine oder andere glaubte überholen zu müssen. Lichthupe und linken Arm mit Stein ausfahren. Das half. Sie scherten alle wieder ein.

Die Steine verhalten sich wie die Bugwelle eines Schiffes. Sie fliegen im Bogen vom Fahrzeug weg, das heißt, unmittelbar am Ursprung fliegen sie zwar am schnellsten, jedoch noch sehr niedrig und breiten sich keilförmig aus. Gefährlich sind die langsamen, die etwa 5 - 10 Meter entfernt sind. Die fliegen nämlich hock und treffen Scheinwerfer oder Scheibe. Ich habe mal gehört, daß man am besten fährt, wenn man diesen Bereich meidet, also entweder ganz nahe am LKW vorbeifaährt oder mit 15 oder 20 Meter Abstand, auf keinen Fall jedoch in den Bogen hinein, den das Steinwerk bildet. Auch mußte ein Schutz für die Scheinwerfer her. keine Lust, bei jedem Regen neue Birnen kaufen zu müssen.

Auf dem Weg nach Ankara hinein. Die trockene Hitze ließ sich gut ertragen und plagte die Besatzung nicht.

Um 14:00 Uhr, km 270580, kamen wir in Ankara an. Erst gurkten wir durch die Gegend auf der Suche nach der iranischen Botschaft, die wir um's Verrecken nicht fanden. Als wir eine Stunde erfolglos gesucht hatten, fuhr ich an eine Tankstelle. Ich wollte den Plan ändern. Erst eine Bleibe suchen und dann von dort aus mit dem Taxi operieren. Es hatte so keinen Sinn, nur mit dem Stadtplan des Lonely Planet bestückt, irgendwas finden zu wollen. Das kostet Zeit und somit Geld, auch wenn es billiger ist, selbst zu fahren, als ein Taxi zu bezahlen. Almut hatte Hunger. Sie brauchte Brot. Das war das erste mal, seit ich sie kannte, daß sie Hunger hatte. Ich dachte immer, die ißt nie. "Laß uns irgendwo an die Seite fahren und das weitere Vorgehen besprechen", schlug sie vor. Ich stellte mich vor die Werkstatt einer Tankstelle, in der jeder hupte und brüllte. "Hier geht das nicht, stell Dich woanders hin." Man merkte, daß sie Hunger hatte. Sonst stört sie nie irgendwas. Ich fuhr also hinaus aus dem Tankstellengelände, links und in die nächste Seitenstraße. Dort suchte ich einen Parkplatz. "Da links ist übrigens die Botschaft", sagte Almut. Und plötzlich konnte das Essen wieder warten. Vielleicht war es nicht Hunger, sondern Beschäftigungsarmut. Es wäre jetzt blöd, irgendwoanders hinzufahren, wenn uns der Zufall schon mal die Botschaft vor die Räder wirft. Wir suchten einen Parkplatz. Das dauerte fast eine halbe Stunde. Ironie des Schicksals. Jetzt mußten wir mangels Parkplatz den Atatürk Boulevard so lange hinunterfahren, bis ein Parkhhaus kam. Wir kamen da auch an der deutschen Botschaft vorbei. Interessant für Almut, die dort ihren Paß abholen sollte - wenn alles klappt. Wir fanden ein Parkhaus im Stadtteil Kizilay, Davor waren viele Restaurants, aber wir wollten nun, da wir die Botschaft gefunden hatten, als erstes da hin. Wir gingen zu Fuß. Das Taxi hätte eh nur im Stau gestanden, weil sich vor der deutschen Botschaft eine Baustelle befand.

Als wir nach einem zwanzigminütigen Fußmarsch endlich vor der Botschaft befanden, erklärte man uns, daß im Iran Feiertag sei. Wir wußten, daß der Iran genau eien Feiertag hatte. Einen von 365, daher hat sich keiner die Mühe gemacht, nachzuschlagen, wann der denn sei. Nun wußten wir es. Das war so idiotisch, daß es fast schon wieder komisch wirkte. "Jetzt muß ich erst mal was fressen". Für heute waren wir mit den Erldigungen ohnehin fertig. Auf dem Rückweg zum Parkhaus gingen wir noch an der deutschen Botschaft vorbei. Die hatte geschlossen, aber man erklärte und, daß für die Paßangelegenheiten sowieso die Außenstelle an der Pariser Straße zuständig sei. Man möchte doch um 8 bereits erscheinen, da der Andrang gar so groß sei.

Im Café TarçinIch holte meinen Block und Almuts Mappe mit der Aufschrift "Iran" aus dem Auto und brachte sie ihr. "Was ist das überhaupt, albernes, was Du mich da rumkutschieren läßt? Bite um Erlaubnis, einen Blick hineinwerfen zu dürfen." Sie gestatte es mir. Ich blätterte darinnen herum. Neben einigen Sprachkursspezifischen Schreibereien fand ich ein eMail einer Bekannten von Almut. Den Inhalt bemühte ich mich, Michl dezent im Verborgenen zu lassen. Hier der Inhalt in Auszügen:

"Hallo Almut,

es freut mich sehr, daß die Iranreise in Planung ist und hoffe, es lässt sich alles realisieren.
[...]
Daß Du mit der Bahn über die Türkei reisen möchtest, finde ich bedenklich. Die Grenze Türkei-Iran liegt auf kurdischem Gebiet, die Türkei hat an dieser Grenze ein 'Terrorismusproblem', das kurdische Iran befindet sich seit Ahmadineschads Machtübernahme im Ausnahmezustand, außerdem liegen sämtliche Atomkraftwerke (Ausnahme Isfahan) in Iranisch-Kurdistan. Du würdest als Ausländerin ohne iran. familiäre Bindung wahrscheinlich Probleme bekommen bzw. wäre die Gefahr, daß man Dich nicht raus (Türkei) oder rein (Iran) läßt ziemlich hoch. Ich wurde an der türk. Ostgrenze nach mehreren Befragungen durch Sicherheitskräfte und mit Unterstäutzung einer Begleitperson einer kurd. Partei schließlich nur durchgelassen, weil ich als Ehefrau mit Kind zur Familie reiste. Ich rate Dir von diesem Reiseweg unbedingt ab, frage aber auf jeden Fall im Reisebüro nach. Warum mußt Du eigentlich über den Landweg nach Libyen? [...]"

So stand es diesem eMail von Anfang Juli an Almut. Natürlich wetterte ich sofort los, was denn die überhaupt will, ob die zuviel Fox-News anschaut hat und Ähnliches. Ich wurde aber von Almut darüber belehrt, daß es sich bei der Schreiberin um eine handelt, die irgendeine wichtige Arbeit über den Iran geschrieben hat, der ihr Spezialgebiet sei, daß sie mit einem Perser verheirat' sei und auch länger im Iran gelebt hätte. "OK, ist ja schon gut. Aber das werden wir schon selbst rausfinden." Wenigstens wurde mir in dem Punkt zugestimmt und dazu sagte Almut noch "Es ist ja sowieso hinfällig, weil undser Grenzübergang ja weiter im Norden, außerhalb des Kurdengebietes liegt". Das schon, aber falls sie uns nicht hineinlassen, würde für Almut dieses eMail eventuell wieder aktuell. Unsere Situation hatte sich dadurch subjektiv betrachtet, keinesfalls verbessert und ich fing langsam an, die Hoffnung zu verlieren, daß wir überhaupt in den Iran kommen würden. Wir hatten weder ein Visum, noch ein Carnet. Ein einziger Reisebericht im Internet von einem, der ohne Carnet in den Iran gekommen war. Einer von hunderten. Nein, es sah nicht gut aus. "Am Ende müssen wir Dich am Bahnhof in Van absetzen und Du kannst mir dem Zug weiterfahren", sagte ich zu Almut. "Dazu brauche ich aber erst mal meinen Paß mit dem Visum", stellte sie ganz nüchtern fest. Aber es gibt ja noch andere Länder. Syrien, Libanon. Irgendwas würden wir schon finden.

Den restlichen Nachmittag und den frühen Abend verbrachten wir im Café Tarçin. Der Besitzer sprach Englisch und war sehr höflich und zuvorkommend, übersetzte uns alles, ging auf jeden Sonderwunsch ein. Ich bestellte Burger, weil sie keine Pizza hatten. Wir saßen draußen und schmiedeten Pläne für den nächsten Tag. Hier erfuhr ich nebenbei, daß Brigitte gestorben war. "Das hab ich Dir schon vor 'nem Jahr geschrieben. Und mich gewundert, daß Du nie drauf eingegangen bist." Ich wußte davon nichts. "Wie oft soll ich es Euch noch sagen? Wenn ich nicht reagiere, dann weil die Message nicht rübergekommen ist. Seid ihr begriffsstutzig oder ich? The old communications problem again. Action on that is imperative. Take that down, Darling..."

Wir srtudierten den Reiseführer, um ein brauchbares, billiges Hotel zu finden. Im Stadtteil Ulus standen davon jede Menge, alle nahe beieinander. Man mußte sich nur das beste heraussuchen. Um viertel nach Acht fuhren wir los und waren kurze Zeit später auch schon dort eingetroffen. Ankara ist wesentlich kleiner als Istanbul, und so fanden wir uns hier meistens besser zurecht. Ich parkte an einem Markt und wartete am Auto, Almut und Michel zogen los.

Botschaft der Islamischen Republik IranNach einer halben Stunde waren die beiden wieder da. Sie sind in alle Hotels gegangen und haben nachgefragt. Beim Mithat, dem im Reiseführer erwähnten, kostete die Übernachtung 45 YTL, der Parkplatz war aber abgetrennt vom Hotel. Das Hotel Buhara, hingegen, hatte einen am Gebäude angeschlossenen Parkplatz,kostete war aber mit 60 YTL genau 15 Lire teurer. Das der Parkplatz war uns die acht Euro wert. Wir gingen hinein und während die anderen eincheckten, fragte ich nach der Parkplatzsituation. "Du geben mir Schlüssel, kein Problem". Ich sah Almut an und meinte, wenn die wirklich auf den Schlüssel bestünden, sollten wir woanders hingehen. Das merkte er, und meinte, es wäre auch ausreichend, wenn wir uns genau vor die Tür an die Wand stellen würden. Ich holte die Sachen aus dem Auto und dann bat mich der Manager, dem Einparker die Schlüssel zu geben, damit er das Einparkmanöver vollführte. Ich zögerte erst, dann gab ich ihm verärgert den Schlüssel. Der Narr fuhr natürlich beim Einparken mit dem hinteren linken Eck gegen die Stoßstange eines dahinter geparkten Ford Transit. "So ein Depp! Ganz toll gemacht", applaudierte ich. Der soll weiter mit seinem Esel an der armenischen Grenze Kümmelsäcke tansportieren, oder nach Deutschland gehen, da macht er wenigstens nichts kaputt. Das Autofahren soll er den Leuten überlassen, die eine Fahrschule besucht haben... Als er ausstieg nahm ich ihm als erstes den Schlüssel weg, mit der Bemerkung, daß ich das alleine auch geschafft hätte. Depp. Ich hasse diese Einparkidioten, die sollen sich eine Wurstsemmel kaufen. "Wenn der jetzt doch den Schlüssel haben will, oder ein falsches Wort sagt, dann ziehen wir einfach ins Mithat um."

Nachdem ich noch einige Sachen aus dem Auto geholt hatte, so nach und nach, war ich doch relativ froh darüber, daß ich nur vor die Tür mußte und nicht auf einen abgetrennten Parkplatz. Michl und ich zogen noch los, um Cola bzw. Bier einzukaufen. Michl wollte unbedingt das Efes. Wir nahmen zwei Dosen, eine große Cola und latschten zurück zum Hotel. Ich machte mich am Rechner zu schaffen, Michl trank sein Bier und Almut eine Art Cola-Helles. Ich lud das Gerät im Nachtkästchen zwischen den Betten ab, das ich am Koppel trug. Das mache ich immer so. Alles in eine Schublade hinein: Telephon, Kamera, Papiere, Geldbeutel. Auf die Weise verliert man nichts, denn alles liegt an einem Platz.
Eine Weile später sah ich im Rahmen der allgemeinen Unterhaltung rüber und irgendwas paßte mir an dem Bild nicht, das Michl neben einer offenen Schublade mit Inhalt zeigte. Ich hatte vergessen, sie zuzumachen und irgendwie habe ich bei dem Vorzeigetollpatsch immer ein schlechtes Gefühl. Daher gebe ich ihm auch nicht die Kamera, denn er schafft es, und liefert sie mir. Und es paßte mir nicht, wie er da so neben meinem Gerät saß und in Selbstgesprächen vor sich hinfuchtelte. Ich stand auf und machte die Schublade zu, übersah dabei allerdings die Dose Bier, die natürlich nicht auf das Nachtkästchen, sondern idiotischerweise in der offenen Schublade stand, weil es gerade eben bequemer war und ihm ein paar Zentimeter Armbewegung sparte. Der Inhalt ergoß sich in die Schublade. Ich war nicht sicher, wer von uns der größere Idiot war. Der, der ein offenes Bier in eine offene Schublade stellt, oder der, der sie dann auch noch zumacht. Für großes Wehgeschrei im Staate Israel war jedenfalls gesorgt, denn um die Kamera spülte nun eine mit Blasen versetzte gelbe Flüssigkeit. Für Gelächter war gesorgt, nur konnte ich mich daran nicht beteiligen. "Jaja, lach Du nur, solang Du noch kannst. Bald lachen wir, wenn Du im Sprachkurs eingesperrt bist und wir uns in aller Freiheit Persepolis anschauen..."


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