Persien 2006
Freitag, 29. September

Almut weckte mich um halb sieben ganz sanft, indem sie mir die Decke wegzog und sich aufmachte, kaltes Wasser zu holen. Motzend und wetternd stand ich eben auf und wir gingen zum Bahnhof. Es gab nur zwei Gleise und der Fahrplan war so verfaßt, daß nicht klar war, welcher b nur zwei Gleise und der Fahrplan war so verfaßt, daß nicht klar war, welcher Zug auf welchem Gleis einläuft. Nur, daß sie zur gleichen Zeit kommen, das war ersichtlich. Um viertel nach sieben saßen wir im richtigen Zug. Die Karten kauften wir beim Schaffner, dann legte ich mich in ein Abteil.

Der schwachsinnigste Brunnen / Parkplatz den ich je sah.

Bis zur Grenze hatte ich noch Ruhe, dann ging es los. Die Tür des Abteils ging auf und irgendein schleimiger Drecksbulle mit seiner widerwärtigen Uniform steckte seinen fauligen Schädel ins Abteil und verlangte nach den Ausweisen. Ich hielt ihm die Pässe mit Daumen und Mittelfinger entgegen, ohne ihn anzuschauen, sonst hätte ich vor ihm auf den Boden spucken müssen. Er ging hinaus mit den Pässen. "Der Tag fängt ja richtig gut an. Die Kanacken da wenn ich schon seh, dann kommt mir das kotzen", sagte ich zu Almut. "Psst!", wies sie mich wieder mal zurecht, während der andere Bulle zu hören war, der unsere Namen durchbuchstabierte. Der andere kann nur schreiben, zum lesen hat er seinen Kollegen dabei. "Warum können die nicht einfach sterben? Tot umfallen, weißt, wie ich mein?" Täglich sterben soviele Leute auf der Welt, warum können nicht eine Zeitlang nur die sterben, die nicht leben müssen?
Gegen mich lag nichts mehr vor, also bekamen wir beide die Pässe zurück. "Danke, gute Fahrt", sagte er und schloß die Tür. "Yes, and I hope your mother dies in a freaky car accident", sagte ich, während ich die Pässe von etwaigen Krankheitsträgern zu befreien versuchte. "Soviel zum Thema: 'Menschen, die die Welt nicht braucht...'" "Schümpf nicht so!", wurde ich schon wieder angefahren. "Scheiß Drecksbullen!" "Psst!"

In Garmisch stiegen wir aus, gingen erst mal zum Bahnhof, zum essen, dann zur Post und erkundigten uns dort, wo die Zulassungsstelle sei. Die war leider in Farchant. Dorthin mußten wir mit dem Bus. So ein Blödsinn. Wir warteten fast eine Stunde auf den Bus - um 7:59 Uhr kamen wir in Garmisch an, der nächste Bus ging um 8:57 Uhr. Soviel zur vielgepriesenen Alternative zum eigenen Auto. Wir stiegen ein und fuhren zur Zulassungsstelle. Selbstverständlich kamen wir in einen Stau und standen zehn Minuten auf einer Stelle. Da fiel mir das Werbeplakat der VGA ein: "Du stehst nicht im Stau, Du bist der Stau", man solle gefälligst die überteuerten und unbequemen öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Sehr witzig. Doch der Busfahrer war so freundlich, uns rechtzeitig rauszuwerfen.

Im Bus von Garmisch nach Farchant.
Ziemlich aufregende Geschichte...

Da saßen wir nun, hatten eine Nummer in der Hand und - spätestens jetzt - die bittere Gewißheit im Kopf, wieder in Deutschland zu sein. Als ich fragte, ob man die Versicherung hier bekommt, konnte man mir auch nicht mehr sagen, als Nummer ziehen, aufgerufen werden, dann fragen. Ein einfaches Ja oder ein Nein wären nicht nur nützlicher, sondern auch schneller ausgesprochen. Man könnte meinen, man hat es mit Schwachsinnigen zu tun. Ich ging zu einem Schalter und fragte wieder nach, ob es im Haus eine Versicherung gibt oder nicht. Endlich schaffte es eine Frau - bezeichnenderweise Ausländerin - mit eine Auskunft zu geben. Sie starb nicht daran, keiner kam zu Schaden. Bei den Ausländern scheint das Hirn noch nicht ganz von Vorschriften zerfressen zu sein. Sie sagte mir sogar, wo die Versicherung ist, nämlich etwa fünf Kilometer weiter im Dorf. Ich ließ mir von Almut Geld geben und ging hinunter, um eine Versicherung zu suchen. Falls wir drankommen, wir uns die Schalterhexe sowieso erzählen, daß wir erst einen Schrieb von der Versicherung bräuchten.

Ich ging aus der Zulassungsstelle, da sah ich ein Werbeschild: Schilder nur 8,99€ - Reinschauen lohnt sich. Die Schilder würde ich sowieso brauchen hinterher, ich weiß nicht genau, warum ich eigentlich erst dorthinging, statt erst die Versicherung abzuschließen. Ich ging also in den Laden und sagte, daß ich auf dem Schild gelesen hätte, daß ich mal reinschauen soll. "Was brauchst Du denn?", fragte mich das Mädchen. Es lohnte sich tatsächlich. "Später brauche ich Kurzzeitkennzeichen, aber erst muß ich noch eine Versicherung besorgen. Ich weiß bloß nicht genau, wo." "Die kannst Du bei mir abschließen. Kostet 75€." "Kannst Du mir das vielleicht das nächste mal gleich sagen, ich wäre jetzt glatt losgefahren und hätte nach der Versicherung gesucht." Ich gab ihr die 75€, sie gab mir den rosaroten Versicherungswisch und ich war nach nicht ganz zehn Minuten wieder an der Zulassungsstelle. "Was hast jetzt vergessen?" "Mal nichts. Habe fertig, hier Versicherung..." "Oh, schön..." Wir kamen bald dran und es gab noch eine kurze Rennerei: Von der Zulassungsstelle zum Schildermachen, wieder zur Zulassungsstelle, um die Stempel abzuholen - es wäre nicht kompliziert genug, wenn man alles an einem Ort machen könnte. Aber ich ärgerte mich nicht. Dafür, daß wir wieder im Land der Herren mit dem kleinen Hirn und der großen Schnauze waren, lief es doch recht zügig. Wir fuhren wieder nach Seefeld zurück, wo wir um 12:50 Uhr ankommen, genau 24 Stunden nach Anlegen der Fähre. So kann man mit unsinnigen Vorschriften eine achstündige Fahrt zum Wochenendausflug umvergewaltigen.

Wieder vor dem Gasthof Schlossberg in Seefeld.

Ich montierte das Kennzeichen, packte das Zeug in den Kofferraum. Nun waren wir bereit für das letzte Stück. Bis Absurdistan waren es nur noch wenige Kilometer. Über die Grenze sollte Almut fahren, ich kriege einen Ausschlag, wenn uns die uniformierte Beulenpest anhält. Wenn eine Frau am Steuer sitzt, dann wirkt das weniger verdächtig - woran man erkennt, wes Geistes Kind die Bullen sind. In ihrer Schulung bekommen sie erklärt, daß sie alte Autos mit jungen Leuten anhalten sollen, während die richtigen Drogenkouriere sich teurer Autos mit seriösem Aussehen bedienen, oder Familienkutschen, die natürlich nicht von Polizei oder Zoll angehalten werden. Denken ist eben Glückssache und wer das Denken gelernt hat, der geht nicht zur Bundespolizei, sondern sucht sich einen Beruf.
In Seefeld sahen wir noch einige Wahlplakate der FPÖ mit Sprüchen wie "Daham statt Islam". Als ob das bißchen Islam diesen morschen Republiken hier schaden würden. Sollten lieber froh sein, wenn ein paar normale Menschen sich in diesen inzestuösen Käffern niederlassen. Menschen, die noch über einen gesunden Menschenverstand verfügen, die essen, wenn sie Hunger haben, schlafen, wenn sie müde sind und nicht dann, wenn es gesetzlich verordnet wird. Die an einer roten Ampel stehenbleiben, weil Gegenverkehr kommt, nicht, weil ein blindes Licht rot leuchtet. Leute, die einen vorbeilassen, obwohl sechzig ist und sie selbst auch sechzig fahren, Leute, die ihr eigenes Leben leben und nicht ständig nur auf das Leben anderer aufpassen zu müssen glauben.

Eine Viertelstunde nach dem Losfahren überquerten wir die sinnloseste Grenze der Welt. Beide Länder sind gleichermaßen beschissen, wozu braucht es da eine Grenze? Wir machten noch einen Zwischenstop in Ettal. Das ist Pflicht - es wäre auch einer der wenigen Orte in Deutschland, der nicht mit Napalm behandelt werden sollte. Wir gingen in den König Ludwig, schrieben Postkarten und bestellten zu Essen und zu Trinken. Ich war daheim, und die Fahrt fand hier ihr offizielles Ende.

Die ettaler Basilika.

 


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