Persien 2006
Freitag, 1. September

Um 9:20 Uhr hieß es aufstehen. Viel treckeln konnten wir nicht. Heute mußten wir weiter. Man hatte uns zwar angeboten, einige Tage zu bleiben, aber da unser Visum so klein und das Land so groß waren, blieb uns keine andere Wahl, als aufzubrechen. Aber das hieß nicht losstürzen. Zunächst wurde in aller Ruhe gefrühstückt. Es gab das übliche Pfannenkuchenbrot, das übrigens nicht schlecht ist. Dazu selbstgemachte Kirschmarmelade. Tropfte zwar, aber schmeckte hervorragend. Währenddessen fragte die Tochter, ob wir wenigstens noch nach Tekiemåwen mitführen. Warum nicht? Es war immerhin schon viertel Zwölf, als wir losfuhren. Wieder mit dem Paykan, die Straße entlang, auf der wir hergekommen waren. Die alte Königsstraße, wie es im Reiseführer heißt. Wir kamen wieder an die beiden Felswände, etwa dreißig Kilometer vor Kermanshah. Die waren auch unser Ziel. Denn dort befindet sich das sogenannte "Relief von Darius". Darüber stand erst was in der Teheran-Times zu lesen. Irgendeiner Ölfirma ist wohl verboten worden, hier zu bauen.

Relief von Darius
Das "Relief von Darius". Das im Reiseführer erwähnte Gerüst wurde mittlerweile entfernt.

Das etwa 60 Meter über der Straße liegende Relief zeigt Darius (3. v.l.), ihm gegenüber seine Feinde, unter seinem Fuß der geschlagene König "Gaumata, der mit hochgereckten Armen um Gnade bittet".
Auch hier ist eine Art Park angelegt. Auch mit Weiher, allerdings nicht ganz so schön wie der in Kermanshah. Wir blieben dort eine Weile und ich betrachtete mir die Reliefs aus uralter Zeit. Laut Reiseführer stammen diese etwa aus dem Jahr 148 v. Chr.

Nach diesem Ausflug fuhren wir wieder heim. Als wir in das Wohnzimmer traten, war der Tisch bereits gedeckt. Ja, der Tisch. Nachdem meine Verrenkungen beim Frühstück nicht unübersehen geblieben waren, entschloß sich die Frau des Hauses, schlichtweg auf die abendländische Eßweise zurückzugreifen. Mir war es recht, die anderen störte es auch nicht. Ich räumte nach dem Essen den Tisch wieder da hin, wo er hingehörte. "So, nun müssen wir aber los..." Ich sah zu, wie Michl sich in Bewegung setzte und fügte hinzu: "Losfahren, nicht losschlafen" "Ah, ich weiß gar nicht, was Du hast, ich mach ja schon..." "Penner..."

Nach der Verabschiedung, die sich etwas hinzog fuhren wir los in Richtung Islamabad (14:45 / 273.431). Hier ist nicht die Hauptstadt Pakistans gemeint, sondern das Islamabad 60 km westlich von Kermanshah. Nur Scherzeshalber, damit ich, falls unangenehme Fragen gestellt werden sollten. So konnte ich sagen, ich sei in Islamabad gewesen und erst, wenn ein Polizist oder Zöllner nachhackt sagen, daß alles nur ein Mißverständnis sei. Das nächste Ziel hieß Isfahan. Dort soll es recht nett sein. Nachdem wir uns aber plötzlich im Straßengewirr verirrt haben, ließ ich gleich Kurs auf Isfahan nehmen. Dann mußte ich halt erzählen, wir seien nur in der Nähe von Islamabad gewesen.

Wir fuhren nun zum dritten mal an dem Berg der Götter vorbei. Schon imposant, diese Felswände, wie sie da mitten aus dem Nichts in die Höhe ragen. Nachdem sie lange schon im Rückspiegel verschwunden waren und um uns herum nur noch Flachland war, hielt ich an einer Tankstelle. Ich tanktedas Auto voll, rundete auf, indem ich die Kanister befüllte, entsorgte den Müll, füllte den Brauchwasserflaschen auf, notierte die "Ausgaben" - in diesem Falle weniger als 50¢.

Tankstelle an der Kreuzung bei Khorramabad.

Währenddessen, versuchte Michl mit einem Mann zu sprechen, der ihn wohl angesprochen hatte. Als ich fertig war mit tanken, hupte der LKW. "Jaja, gleich..." Ich ging zum Tankwart und bezahlte. Während ich nach dem Geld kramte, hupte der Idiot schon wieder. Ich drehte mich um, nachm die Sonnenbrille ab, sah ihm genau in die Augen und hob kurz fragend den Kopf. Er sah woanders hin, aber ich verharrte. Er deutete dann auf die Säule. Ich hielt ihm die Kohle hin, zeigte in Richtung Tankwart, starrte ihn dabei weiter an, ob sonst noch was käme. Da er aber anstalten machte, Ruhe geben zu wollen, sagte ich nur "Vollidiot", um das ganze zu beenden und machte da weiter, wo ich aufgehört hatte. Was mich an der Situation störte war einfach, daß ich wußte, daß der sich niemals so aufführen würde, wäre er zu Fuß unterwegs. Da sind sie alle die nettesten Menschen, die ich je in einem Land getroffen habe, aber kaum sitzen sie im Auto oder gar im LKW, benehmen sie sich wie Neanderthaler. Völlig irrational.

An der Kreuzung, die ein paar hundert Meter weiter lag stand wieder der Mann von der Tankstelle und der winkte uns zu, als wollte er was sagen. "Der hat gesagt, er fährt uns voraus." Gut, daß ich nachfragte... Ich fuhr auf ihn zu und gab das internationale Zeichen für "Verstanden" durch. Er stieg ein und fuhr los. Wir hinterher. An der Kreuzung ging es rechts. Die Straße war in der Mappe gelb eingezeichnet, also erwartete ich nichts besonders Tolles. Aber ich stellte mit Genugtuung fest, daß die Straße besten Belag hatte und relativ wenig Verkehr herrschte. Unser Lotse hatte auch eine ziemlich persische Fahrweise. Teilweise hatte der alte Diesel Mühe, mitzuhalten, teilweise konnte ich schon fast seine Anzeigen ablesen, weil er nicht zufuhr. Mal kroch er ewig auf weiter Flur hinter einem alten LKW her, dann wieder überholte er ganze Kolonnen im Überholverbot. Manchmal brach er ein Überholmanöver ab und scherte irgendwo in der Kolonne ein und blieb dort, auch wenn kein Gegenverkehr mehr kam. In diesen Fällen zog ich auf die Gegenfahrbahn und fuhr neben der Kolonne her, um ihm zu signalisieren, daß es weiterging. Aber mit mäßigem Erfolg. Relativ sicher läßt es sich überholen, wenn man sich wenige Meter hinter Bussen hält. Die fahren recht zügig, im falle des Iran darf man ruhig sagen halsbrecherisch. Aber sie bieten einen guten Schutz vor Gegenverkehr.

Hier eines dieser Überholmaneuver auf Bild festgehalten. Zwischen dem Saipa und dem Bus sieht man den schwarzen KIA unseres Lotsen. Oft kommt es vor, daß der Gegenverkehr auf den Seitenstreifen ausweichen muß, wie in diesem Falle geschehen. Dabei hupt komischerweise nie einer. Gehupt wird im Iran nur, wenn dies völlig sinnlos ist.

Unser Lotse fuhr bis zur Ortschaft Nahavand voraus. Wir kamen dort an um 17:05 Uhr (273.577). Er hielt am ersten Kreisverkehr und gab mir ein Zeichen, ich solle auch anhalten. Das tat ich. Wir unterhielten uns kurz. Er konnte ein paar Brocken Englisch, dann malte er mir noch die restliche Wegstrecke bis Borujerd auf den Block. Durch verwinkelte, enge Gassen fuhr er wieder voraus bis zum Ortsausgang auf der anderen Seite, den wir zehn Minuten später erreichten. Dort entließ er uns aus dem Geleit und drehte um. Er gab uns noch freundlicherweise den Hinweis mit auf den Weg, daß die Strecke Kerman - Bam sehr gefährlich sei. Auf meine Frage nach dem Warum kam allerdings keine Antwort. Wir fuhren auf der Landstraße weiter. "In beiden Reiseführern wir auch von einem Besuch von Bam abgeraten", ergänzte Michl die Information, die wir gerade bekommen hatten. "Geht jetzt schon wieder Panikmache los, wie in Libyen?" "Nein, ich wollt's nur gesagt haben..." "Gut, ich nehm's hiermit zur Kenntnis..."
Ich wollte heute noch bis kurz vor Isfahan. Nach Isfahan mußten wir. Nicht nur, weil es eine nette Stadt sein soll, nicht nur, weil ich dort Martias Verwandte treffen wollte, sondern weil ich versprochen hatte, das Krankenhaus zu photographieren, in dem er passiert war.

In einem gottverlassenen Nest Namens Delijan (22:10 / 273.928) ergänzten wir die Getränkevorräte. Saftflasche aus dem Kühlschrank wickeln, neue einwickeln, Kühlschrank gießen, weiter. Das funktionierte mit jedem Mal schneller. Öl füllte ich auch noch gleich nach. Mir war wichtig, daß das Öl immer an der Max.-Marke stand. Schließlich führt das Öl auch Wärme ab und Kühlung würden wir brauchen.

"Was ist das da vorn?", fragte ich Michl und zeigte auf den hellen Schein am Himmel, der von einer Stadt kam. "Ah, das muß eigentlich schon Isfahan sein." Er kramte nach der Karte, ich machte das Licht an. Nach einer Weile: "Ja, das ist schon Isfahan." Ich machte das Licht wieder aus. Normalerweise ist das Aufgabe des Navigators, aber in diesem Falle hieße es, Minutenlang auf den Rückspiegel verzichten zu müssen, daher machte ich das lieber selbst. Da es ohnehin schon so spät war, beschloß ich, gleich nach Isfahan hineinzufahren. Such was Billiges mir Parkplatz aus dem Reiseführer. Es war schon halb Zwölf, als wir in Isfahan ankamen. Das Hotel, das wir ansteuerten und auch zielsicher fanden hieß Sheherazat, war mehr eine Art Herberge, und es war voll. Man bot uns einen Gebetsraum stattdessen an. "Parking?" Er deutete auf die Straße. Das war wohl nichts. Ich ging hinaus und sah, daß gleich nebenan wieder ein Hotel war. Ich fragte nach. "Full". Also, entweder war was Besonderes los in der Stadt, oder die hatten die keinen Bock - das gibt es in arabischen Ländern auch häufig. Wir fuhren weiter, drehten um und dann rechts. Es war eine schöne Straße, Chahar Bagh hieß sie. Zwei Spuren in jede Richtung, die für den Iran typischen Wasserablaufgräben, die mehr an Schützengräben erinnerten, links und rechts davon. Die Gegenfahrbahn wurde durch einen breiten Mittellstreifen getrennt, der mindestens so breit war, wie die einzelnen Fahrbahnen. Alle paar hundert Meter gab es Gelegenheit zum Umdrehen.

Irgendein vergessenes Kaff auf dem Weg nach Borujerd.

Wir fuhren in Richtung Süden. Das einzige Hotel, das ich sah, war offensichtlich nur für Leute, die eine Ölquelle besaßen. Das fiel schon von vornherein weg. Irgendwie waren wir an dem Hotel, das wir suchten vorbeigefahren. Wir drehten am Kreisverkehr um und fuhren zurück, dann wieder umdrehen und wieder zurück. Diesmal etwas langsamer, das ganze. "Da!", rief Michl. Ich fuhr ganz nach rechts, stieg aus und ging hinein. Das Hotel war nicht direkt an der Straße. Dort hing nur ein Schild. Um das Hotel zu erreichen mußte man in eine tunnelartige Gasse, dann die Treppen hoch. Es standen einige Leute mit Gepäck herum, die ich einfach mal als Afghanen bezeichne. Das war schon eher unsere Preisklasse. Ich wollte gerade an der Rezeption nach einem Raum Fragen, da hörte ich schon vom Rezeptionisten das Wort "Full". OK, dann halt nicht. Zurück am Auto: "Voll. Nächstes."


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