Persien 2006
Mittwoch, 30. August

HafezUm neun klingelte der Wecker. Wir standen langsam auf. Das dauerte eine Weile. Erst um Dreiviertel Elf saßen wir am Frühstückstisch. Auch da ließen wir uns Zeit. Wir packten unser Zeug zusammen, trugen alles ins Auto und ich fragte nach, ob es in Ordnung wäre, wenn wir das Auto noch eine Weile auf dem Parkplatz stehen ließen. "No problem". Es war schon fast Mittag, als wir endlich loslatschten. Es mußte schließlich noch gespült werden. Die zwei Becher, zum Beispiel. Und das dauert natürlich. Wir mußten noch Öl kaufen, nachdem ich die Flasche, die für die ganze Fahrt reichen sollte in der Dummheit vertan hatte. Öl war wider erwarten doch relativ teuer. Ein Vier-Liter-Kanister kostete um die 10 Euro. Wir nahmen das Öl von Shell, weil der Schumacher dafür so schön Werbung vor dem Laden machte. Als Pappkamerad, versteht sich.

Nun brauchten wir noch persische Musik für die Fahrt. Die fanden wir nach einiger Suche auch. Sieben CDs für umgerechnet vier Euro. Das ist schon in Ordnung. Auch wenn wir nichts lesen konnten, hofften wir auf ein paar Glückstreffer. Und außerden waren wir froh, daß wir nicht stundenlang suchen mußten, sondern uns von zwei Jungs, die wir zufällig trafen, den Weg zeigen ließen, nachdem wir ihnen schon zwei CDs abgekauft hatten. Nun waren wir sogut wie fertig. Allein das Wichtigste hatten wir noch nicht erledigt: Die Kopien für Almut. Sie hatte uns gebeten, den Teheran-Teil aus dem Reiseführer zu kopieren. Sie mußte ja schließlich hierbleiben. Nun suchten wir einen Lichtpausen-Laden, auf Neudeutsch Copy-Shop. Michl meinte, sich an einen erinnern zu können. Wir gingen hin, kamen nach ewiger Latscherei auch an, mußten aber dann feststellen, daß der Kopierer schon seit Jahren kaputtwar. Allerdings wußte der Ladenbesitzer einen Copy-Shop mit funktionierendem Kopierer. Den steuerten wir an, genau der Beschreibung folgend. Es kostete wieder einiges an Zeit, bis wir herausgefunden hatten, daß der Lichtpausenladenbesitzer, der uns hierhergeschickt hatte, wohl nur auf persisch erwähnt hatte, daß sich der Laden im zweiten Stock befand. Das hätte er auch gestikulieren können, irgendwie. Aber man will ja nicht nörgeln. An die zwanzig Seiten kosteten 7.000 Rial. Dafür darf man in einem Kopyshop in Deutschland den Kopierer einmal kurz anschauen. Dann auf schnellstem Wege zurück zum Hotel, aufsitzen und los. Auf dem Weg holten wir noch zwei Säfte.

Ich machte noch den Sahara-Kühlschrank klar. Dabei hatte ich eine Idee: Man wickelt den Saft in ein oder zwei Handtücher, je mehr, desto besser, und legt dieses Ensemble in die Felge des auf dem Dach befindlichen Reifens. Dann tränkt man das ganze mit Wasser und zwar soviel, daß die Felge auch noch damit voll ist. So sauge sich die Handtücher immer von selbst voll und man braucht nicht ständig anhalten. So bleibt der Saft kühl. "It's an old trick, I picked up in Libya..."

14:45 Uhr / km 272.863: Los geht's nach Esfahan. Doch erst bei Almut abmelden. "Findest Du zur Almut?" "Ja, ja, kein Problem." Stadtplan brauchte er dafür nicht. Und wenn er sonst nichts kann, navigieren kann er. Bloß die Fahrkommandos erfolgreich anbringen, dabei hapert es noch. Während er noch erklärt, warum so und nicht anders zu fahren das Vernünftigste sei, kariolt man natürlich an der Kreuzung vorbei. "Alter, noch so'n Ding und ich funktionier die Fliegenpatsche um. Wobei es fraglich ist, ob man das bei Deinem Fliegenhirn wirklich muß... Links, Rechts. Geradeaus. Das will ich hören, alles andere sprich in eine Tüte." Das hatte er für die nächsten zweieinhalb Minuten kapiert, dann ging es wieder los.

Gleich, nachdem wir die kleinen Gassen um das Hotel verlassen hatten und auf der großen Straße waren, kamen wir in unsere erste Polizeikontrolle. Der Polizist wollte eigentlich nur wissen, wo wir her seien. "Germany", reichte ich die Pässe samt Kfz-Papieren aus dem Fenster. "Welcome", sagte er und besah sich derweil die Pässe. Die Papiere interessierten ihn nicht die Bohne. Er gab uns die Pässe zurück, winkte uns weiter und ging hinter das Auto. Ich fuhr allerdings nicht los. Bald schon merkte er, daß er etwas zuviel in den Händen hielt, kam ans Beifahrerfenster, entschuldigte sich, gab mir die Papiere. Erst dann fuhren wir los. "Wenn alle Polizeikontrollen so sind, haben wir nichts zu meckern. Das ist ja wie in Libyen", stelte ich fest. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, geschweige denn, irgendetwas verschreien.
Polizeikontrolle in Teheran.

Wir waren recht schnell beim Institut. Eine Halbe Stunde ab Abfahrt Hotel. Ich war erstaunt. Mittlerweile empfand ich den Verkehr gar nicht mehr als so schlimm. Es machte zwar keinen Spaß und war nervig, aber inzwischen hatte ich herausgefunden, daß man einfach zufahren muß, ohne sich mit Rückspiegeln und sonstigem Zeug aufzuhalten. Und ohne sich um die Mopedfahrer oder Fußgänger zu kümmern. Die fielen mir nun schon fast nicht mehr auf. Man könnte jetzt zwar sagen, daß es überall in diesen Ländern so zugeht, aber hier trifft der Begriff chaotisch auch zu. Es gibt kaum Regelungen. An keinem Kreisverkehr ist ein Schild, das die Vorfahrt regelt. Man drückt einfach herein, wenn der Abstand unter 20 cm fällt, dann bremst der andere schon, außer, er ist bereits vor dem eigenen Wagen. Dann muß man selbst eben bremsen. geht schon irgendwie.

Wir standen nach den zweiten Anlauf vor dem Institut. Yassir war da und bestellte auch Almut gleich herunter. Wir Übergaben ihr die Kopien samt Brief, den ich für den Fall verfaßt hatte, daß wir sie nicht antreffen. Sie gab uns noch die Adresse in Kermanshah, wo wir eine Medizin oder sowas abliefern sollte. Keine Ahnung, was es war, es befand sich jedenfalls in einer Tüte. Die hatte Almut von einer Kollegin, die in Leipzig Farsi unterrichtet bekommen mit der Bitte, diese an ihre Familie zu übergeben. Das mußte sie nun uns überlassen, da der Sprachkurs nicht ausgefallen war und sie bleiben mußte / wollte. Und das Ziel hieß nun, nach einem Blick auf die Karte, nicht mehr Esfahan, sondern Kermanshah. Es zog sich doch etwas hin, bis wir loskamen war es vier. Und bis wir aus Teheran waren, war es dreiviertel fünf. Wir schafften es gerade noch, bevor der Berufsverkehr losging. Aus dem Reiseführer entnahmen wir die Empfehlung, den Straßenverkehr zu meiden zu Uhrzeiten, die die Zahlen von 7 bis 9 beinhalteten.

Jeder fährt Zickzack, die Strichlein auf der Straße haben weiter keine Bedeutung. Das ganze bei 70 km/h Geschwindigkeit, versteht sich, wie man im Gesamtbild sieht.

Wir kamen, kurz nachdem wir das Grabmal des Khomeini passiert hatten, an die erste Mautstation. Eine architektonisch sehr gelungene, übrigens. Und der Preis war mit 1.000 Rial (10¢) auch gerade noch so akzeptabel. "Die stürzen uns noch in den finanziellen Ruin, wenn die so weitermachen. Bei den Spritpreisen geht's schon los..." Kermanshah lag nahe der irakischen Grenze. Auf dem Weg fand sich Karbala schon auf den Tafeln angeschrieben. Das liegt bereits im Irak. Interessanterweise muß man, um nach Karbala zu gelangen, zwangsläufig über Bagdad fahren. Doch davon stand nichts angeschrieben. Das weiß ich nur, weil Michl das feststellte. Wahrscheinlihc sind die Iraner den Irakern noch Böse wegen dem Angriff Anfang der Achziger. Um viertel nach Sieben, bei Sonnenuntergang, hielten wir an einer Tankstellen, um den Tank und die Brauchwasserflaschen aufzufüllen. Das hatte ich nämlich im Hotel vergessen. Ich wollte heute früher Feierabend machen, damit wir morgen zeitig loskamen. Erst fuhr ich vor das Tankstellenhaus. Ich wollte erst Brauchwasser nachfüllen, denn die Flaschen waren fast leer. "Kannst Du Brauchwasser auffüllen?", fragte ich Michl. Er nahm die Flaschen und stellte fest, daß aus dem Schlauch kein Wasser kommt. Ich fragte den Tankstellenchef.

Der schickte mich zu den Bädern. Ich schloss den Schlauch am Wasserhahn an und drehte auf. Michl füllte die Flaschen, was natürlich exorbitant lange dauerte. Die Flaschen fielen nämlich jedes mal um, wenn das Wasser aus dem Schlauch auf sie fiel. "Vielleicht nimmst die andere Hand auch noch dazu und hältst die Flasche fest?" Er legte den Flaschendeckel auf der kleinen Brüstung ab und hielt die Flasche. Der Deckel landete im Dreck, wie sollt's auch anders sein. Kopfschüttelnd ging ich zum Auto. Wie man nur so ungeschickt sein kann? Ich lud die Flaschen ein und wunderte mich, warum meine Hände dabei so naß wurden. Verschlüsse kontrolliert. Von sieben Flaschen waren vier nicht ganz zugeschraubt. Ich versuchte eine Aufgabe zu finden, die ich ihm zuweisen konnte. Außer navigieren fiel mir nicht viel ein...
Während Michl sich mit dem Tankstellenchef unterhielt, fuhr ich an die Zapfsäule und tankte. Warum nicht? Kostet ja nichts... Der Tankwart schickte mich zur Benzinsäule. "Nein. Diesel." "Benzin." "Bist Du Brasilianer? Oder dumm? Wenn ich sage Diesel, dann meine ich das auch", ich nahm den Zapfhahn und begann, den Tank zu füllen. Ich war noch nicht ganz fertig, da gab er mir ein Zeichen, ich solle aufhören. "Was willst Du, Alter? Geh weg. Ich sage, wann genug ist..." Aber er ließ nicht locker, so ließ ich es bleiben. Die Rechnung betrug 7.298 Rial.

Tankstelle kurz vor Hamadan.

Ich fuhr erst weg, gab ihm einen Zehner, weil ich nichts Kleineres hatte. Er konnte nicht herausgeben, und gab mir wieder ein Zeichn, daß es so paßte. "Dir paßt das vielleicht", sagte ich, und zeigte auf die Anzeige. Er nickte, drückte auf den Knopf, der die Säule wieder auf Null stellte, gab den Zapfhahn dann einem LKW-Fahrer, der zu Tanken begann. Ich stieg ins Auto und fuhr an die andere Zapfsäule, nahm den Hahn in die Hand und da kam er wieder an und meinte, es sei genug. Ich bekam langsam das Gefühl, er wollte mich verarschen. Ich zeigte auf die Säule, an der ich vorher war, nannte den Betrag, zeigte auf ihn, nannte den Betrag. Dann packte ich mein Handy aus und machte die Rechnung: 10.000 minus 7.298 sind 2.702. "Und genau das tanke ich jetzt..." Dabei gab ich ihm ein Zeichen, er solle sich entfernen. Was sollte das denn? Gut, es ging einerseits nur um weniger als 30 Cent. Die soll er gerne haben. Auf der anderen Seite sprechen wir hier von 16,4 Litern Diesel. Und Diesel verschenke ich nicht. Als der Tank voll war, ging es an die Kanister. Als ich den Zapfhahn vom Tank zum Kanister führte, kam er wieder an. "No, no, Mister.' Ich sagte nichts, sondern deutete ihm, daß er dort hinten bleiben solle und mich nicht nerven. Als die uhr an der Zapfe auf 2.708 stand - ich hatte es nicht ganz elegant hinbekommen, hörte ich auf. "So. Und jetzt ist's gut." Verstanden habe ich das nun nicht, aber da der Tank voll war, war es mir auch egal. So ein Spinner. Hat er Angst gehabt, ich könnte die Unsumme von einem Euro nicht aufbringen, um die sechzig Liter zu bezahlen? Keine Ahnung. Wir fuhren weiter. Die Gegend sah gut aus und wir wollten einen Platz finden, solange die Dämmerung noch genug Licht hergab. Und die Dämmerung ist hier verdammt kurz, wir mußten uns also beeilen.

Um acht, es war gerade noch soviel Licht, daß man das Gelände erkennen konnte, nahm ich die bisher beste Gelegenheit wahr und verließ die Straße. Wir fuhren länger auf einer Piste, die erst lotrecht weg von der Straße führte und dann langsam wieder parallel zu ihr verlief. Davon zweigte wieder eine Piste ab. Irgendwie sah es hier noch nicht nach Wüste aus, sondern mehr nach abgeerntetem Acker. Von der Piste, die von der Piste wegführte, führte eine weitere Piste weg. Die ging allerdings durch eine große Vertiefung. Sah aus wie ein ausgefahrener Bombentrichter. Wir fuhren durch und weiter auf der Piste, bis diese wiederum die Gelegenheit bot, in den Acker abzubiegen und hinter einem Hügel, geschützt vor Einsicht und Sonne, das Auto zu parken. Der Tacho stand auf 273.108 km.

Blick nach Westen. Schemenhaft erkennt man noch die beiden Pisten.

Da es noch so früh war, beschlossen wir mit dem Esbit-Kocher Wasser anzuwärmen, um die Suppen zu vernichten. Die nahmen Platz weg im Kofferraum und hier war jede vollwertige Mahlzeit weitaus billiger als ein Minuto. Es dauerte nur ewig, bis das Wasser endlich kochte. Die ganze schöne Ausrüstung, von AirCondition bis Zelt lag in L.A. in der Garage und wir operierten hier mit unzureichendem Instrumentarium. Sandige Pisten fallen aus. Wir hatten keine Sandbleche, ja nicht mal einen Spaten dabei. Nach dem Abendmahl begaben wir uns zu Bett. Nun rächte es sich, daß wir in der Früh nicht zeitig aufgestanden waren. Einschlafen konnten wir erst weit nach Mitternacht. Es dauert immer einen Tag, bis wir den Rhythmus wieder drinnenhatten, den wir in Norwegen, Libyen, ganz zu Anfängen der Fahrenszeit hatten. Bei Sonnenaufgang aufstehen, bei Sonnenuntergang schlafengehen. Lang war es her...


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