Libyen 2008 / 2009
Mittwoch, 31. Dezember

Gleich in der Früh fuhren wir zur Baustelle. Wir wollten uns das neue Haus der Familie anschauen und mich würde es mal interessieren, wie so eine Baustelle in Libyen aussieht. In Deutschland würde ich nie freiwillig auf eine Baustelle gehen, aber hier ist es interessant zu sehen, wie die Leute arbeiten und - was mich interessiert - ob man sich hier selbst so einbringen kann, daß Kohle dabei rausspringt. Natürlich nicht speziell auf dieser Baustelle, sondern in Libyen allgemein. Schon auf den ersten Blick fällt auf, daß das Handwerk hier goldenen Boden hat. Alles ist krumm, alles ist schief, nichts hält, oder ist im schlimmsten Falle schon kaputt, bevor es überhaupt fertiggestellt ist. Zusätzlich zu dem, was sich dem Auge bot, kamen noch Janettes Geschichten über die Art und Weise, wie hier so gearbeitet wird. Also eigentlich müßte man hier mit halbwegs solider, sauberer Arbeit gut Geld verdienen können. Die positive Beantwortung dieser Frage scheitert nun daran, daß man nicht weiß, ob die Leute auch bereit sind, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen. Man sollte es fast meinen, wenn man sich anhört, was sie allein schon für Pfusch auszugeben bereit sind. Allerdings hätte man hier auch ganz andere logistische Schwierigkeiten. Wenn man nämlich jede Schraube aus Deutschland kommen lassen muß, dann kann man Termingeschäfte schon mal vergessen. Und gerade mit denen mußte ich immer meine im Vergleich zu deutschen Handwerkern mangelhafte Sachkenntnis kompensieren.

Haus an der Küste
Das Haus am Meer.

Danach fuhr ich mit Janette und Almut zurück in die Stadt. Zwar fuhren wir nicht mit dem Blauen, aber ich saß am Steuer. Verbitte ich mir, mich von einer Frau chauffieren zu lassen, auch wenn diese hier weitaus besser fährt als der Rest der deutschen Frauen. Die hatte ja auch eine der besten Fahrschulen. Wer hier in Tripolis fahren kann, der kann fast überall fahren. Allerdings fährt sie, wie gesagt, in Deutschland nur noch, wenn es gar nicht anders geht. Verstehe ich sehr gut. Hier fährt es sich nämlich wirklich so schön, das kann sich wohl keiner vorstellen, der nie hier oder in einem Land war, in dem es ähnlich zugeht. Und wer sagt, daß es sich in Deutschland auch schön fährt, der mag wohl in der Lage sein, sich ordnungsgemäß in einem Kraftfahrzeug von A nach B zu bewegen, aber vom Autofahren hat er keine Ahnung. BMW wirbt mit "Freude am Fahren", aber ich denke, das ist mehr für das internationale Publikum gedacht. Kann man ihnen nicht übelnehmen. Man muß heutzutage ja global denken.

Tripolis
Ein seltsamer Bau mitten in Tripolis.

Alles in allem verlief der Tag recht ruhig. Wir standen sehr lange im Stau, sahen und dies und jenes an, Fuhren zum Autowaschen, dann zum Tanken. Als ich an der Kasse stand, sah ich einen Menschen, der genau so eine Dose in der Hand hielt, wie ich sie in den Daimler gekippt hatte. Als ich dranwar und feststellte, daß der Kassierer ein wenig Englisch konnte, sagte ich ihm, daß ich auch so ein Öl haben wollte. "Das ist kein Öl", sagte er. "Was für ein Öl brauchen sie?" "Na, Öl für den Motor", ich sah mich um und fand die Dosen. "Das hier", sagte ich und stellte ihm die Dose hin. "Das ist immer noch kein Öl", sagte er und stellte es weg. Dann holte er eine große rote Dose mit 5 Litern inhalt. "Das hier ist Öl für Motor." Ich fragte, was denn das andere sei. "Das ist für Prick!" Was ist denn ein Prick? "Für was ist das?" "Prick, you know? Prick, prick!" Und machte eine Art Lenkbewegung. Nun war ich komplett verwirrt. Prick hätte vielleicht Brake, also Bremse heißen können, aber nie Handbewegung hat diese Annahme zunichte gemacht. Ich wollte es ehrlich gesagt auch gar nicht mehr wissen, was ich für einen Scheiß in den Motor gekippt hatte. Ich zog es vor, Almut gar nicht erst zu erzählen. Mit würde schon was einfallen.

Als wir die Kinder von der Schule abgeholt hatten fuhren wir wieder heim. Janette erzählte in bunten Farben, wie vor ihr neulich irgendein Idiot ins Schleudern geriet und völlig spektakulär gegen den Randstein stieß, abhob und in eine Bushaltestelle krachte. Die war nun weg. Ob da je ein Bus gehalten hat, das fragte ich gar nicht erst. Verletzt wurde aber offenbar niemand. Rein gefühlsmäßig würde ich behaupten, passieren hier weniger Unfälle, als das ungeübte deutsche Auge vielleicht glauben mag. Klar, Unfälle passieren. Das ist überall so, auf der ganzen Welt, und es liegt daran, daß überall auf der Welt Menschen leben. Wie Ratten und Viren, die sind auch überall. Jedenfalls passieren überall Unfälle, wo Menschen sind. Das wird immer so bleiben und man kann machen was man will, trotz aller Reguliererei. Es ist witzig, daß gerade Staaten wie Deutschland, die am liebsten Menschen aus der Stanze hätten, so gegen Gentechnik sind. Aber das ist wieder so eine weibliche deutsche Eigenschaft, daß sie gerne genau das Gegenteil dessen propagieren, was sie vorleben. Wie die selbsternannten Sittenwächter und Gesinnungspolizisten, die gegen Nazis wettern und nicht merken, daß sie selbst genau das Verkörpern, was sie aus tiefstem Herzen verabscheuen. Engagierte Liberale, grüne Kampflesben, läufige Sozi-Zicken, alles gut konditionierte Köter, die sich vor siebzig Jahren bei der Feldgendarmerie oder bei der GeStaPo verwirklicht hätten. Nur gab es früher den Vorteil, daß man solchen Leuten einen Stahlhelm auf den Kopf setzen und ihnen ein Gewehr in die Hand drücken konnte, dann hat sich das Problem oft von selbst erledigt...

Silvester in Tripolis.
Abends in Tripolis.

Tripolis ist eigentlich eine schöne Stadt und es hat sich auch einiges getan. Irgendwie kam mir alles ein bißchen sauberer und aufgeräumter vor als vor 10 Jahren. Das einzige was ein wenig störte waren die vielen Kopftücher. Die sah man damals selten, bei jungen Frauen überhaupt nicht. Und irgendwie löst alles was mit Religion zu tun hat ein Gefühl des Unbehagns in mir aus. Wie man mitten im 21. Jahrhundert noch an so einen Quatsch nicht nur glauben kann ist mir schon unerklärlich, daß man aber diesen Dreck auch noch mit einer Überzeugung in die Welt trägt, das zeigt nur, daß derjenige, der dem Menschen einen Verstand gegeben hat, entweder selbst nicht über genug Verstand verfügte, oder er wußte, daß man den bedenkenlos verschenken kann, da er sowieso nichts wert ist. Der Verstand ist ohnehin überbewertet. Jeder beruft sich zwar darauf, kaum einer macht wirklich davon Gebrauch. Das ist überall auf der Welt gleich.

Was hier anders ist als im Abendland, ist Silvester. Das ist hier wann anders. Wann, das weiß ich nicht, und ob das so gefeiert wird, wie bei uns, das weiß ich auch nicht. Heute tat sich hier jedenfalls nichts. Fest steht, daß sie eine andere Zeitrechung haben, die Islams. Dernach befinden diese sich um 1400 oder 1500. In der arabischen Welt kann man eigentlich immer guten Gewissens zu jedem sagen: "Die Aufklärung war etwas, was mit anderen Leuten geschen ist, richtig?" Libyen und Irak waren, was das angeht, angeblich immer am weitesten Entwickelt. Wahrscheinlich war das mit ein Grund, warum die beiden Staatschefs auch zu verbrecherischen Diktatoren deklarieren mußte. Geht ja nicht an, daß solche Länder am Tisch der zivilisierten Nationen mitessen. Der Ausbreitung des Islam, jedenfalls, scheint so ein Verhalten Vorschub zu leisten. Nicht, daß das Christentum besser wäre, im Gegenteil. Aber es hat dem Islam gegenüber den entscheidenden Vorteil, das dunkle Mittelalter bereits hinter sich gelassen zu haben. Jesus ist, zumindest in Europa, längst mit dem Weihnachtsmann und MickyMaus in guter Gesellschaft und die Kirche ist ein etwas größerer Faschingsverein. Aber keinem noch so bescheuerten oder gar glaubigen Christen würde es einfallen, in einem fremden Land einen Aufstand zu schieben, nur weil ein Schraubenhersteller beispielsweise damit wirbt, daß Jesus' Aufhängung am Kreuz mit Schrauben deutlich stabiler gewesen wäre. Der Fanatismus, der hinter dem Islam steht, hat nochmal eine ganz andere Qualität. Manches gehört einfach auf den Müll, aber es wird noch Jahrzehnte, wahrscheinlich Jahrnunderte dauern, bis der Islam soweit sein wird, daß er über sich selbst lachen kann. Religionen, besonders die monotheistischen, dienen nur dazu, sicherzustellen, daß die Menschen nicht zuviele werden.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold