Alaska 2003
Samstag, 27. Dezember 2003

Wir waren erst um halb fünf in der Früh auf dem Autobahnrastplatz angekommen, daher fiel das Aufstehen etwas später aus. Als ich das "Bett" ansah, auf dem ich geschlafen hatte, sah ich eine Handgroße Eisblume. Ein Vorbote dessen, was uns erwartet. Ich hatte es jedenfalls im Schlafsack wohlig warm, obwohl es Joes Schlafsack war, den er damals mit nach Afrika genommen hatte und bei dem mittlerweile der Reißverschluß fehlt. Mit einem Tropenschlafsack in Winter nach Alaska zu fahren ist zwar gelinde gesagt idiotisch, aber es hilft nichts, man muß mit dem arbeiten, was man hat.

Am morgen auf dem Rastplatz an der Interstate 5.

Als ich das erste mal von Arizona kommend nach Kalifornien hineinfuhr, fiel mir auf, daß das Diesel teurer war, die Straßen schlechter und die Mehrwertsteuer höher. Daher dachte ich, daß das Diesel in Oregon billiger sein müßte. Diese Spekulationen haben mir schon mal eine Schiebepartie beschert, nämlich damals in Schweden, als ich dachte, mit dem vorhandenen Kraftstoff noch bis nach Finnland zu gelangen. Ähnlich lief es hier ab, wir kamen zwar nach Oregon, aber die erste Tankstelle hatte kein Diesel, und zur zweiten reichte es nicht mehr. Ich mußte aus den Kanistern nachfüllen. Dabei stellte ich fest, daß mir der Dieselschlauch irgendwie abhandengekommen sein mußte. Ich hatte nur noch den Trinkwasserschlauch da. Jetzt muß wohl ein neuer her. Und der reichte nicht mal vom Kanister direkt in den Tank, sondern wir mußten die Brühe erst in eine Pepsiflasche füllen und sie dann in den Tank kippen. Das war ein Gemisch aus Diesel und Pflanzenöl aus Brasilien. War mal Zeit, daß das zeug wegkommt, sonst wird es am Ende noch ranzig...
Man kommt gut voran auf dem amerikanischen Highway. Das GPS zeigte eine Durchschnittsgeschwindigeit von 53 Stundenmeilen an, trotzdem wir einen Tag im Stau verbracht hatten. Auf Touren durch Deutschland schaffte ich nie mehr als 63 km/h Schnitt. Meiner Meinung nach liegt es einfach daran, daß die Amis im Gegensatz zu den Deutschen autofahren können, statt verkrampft und wichtig hinterm Steuer zu sitzen wie die Deutschen.
Frühstück, Mittag- und Abendessen gab es an Bord, daher konnten wir durchfahren. Wir fuhren durch Nacht und Regen, hörten die alten Abba-Songs, romantisch untermalt durch das ruhige Hämmern des ewig laufenden Diesels. Das sind zweifellos die schönsten Augenblicke einer Reise, es ist einfach das Höchste, die Städte und Landschaften zu sehen, die sich vor dem Stern auftun und verschwinden, frei zu sein, dahin zu ziehen, wohin man möchte. Gerade hier in Amerika wird dieses Gefühl noch verstärkt, denn nirgendwo war noch das Reisen so einfach und bequem wie hier. Es ist auch billiger als anderswo und in der Regel stört einen nichts und niemand. das Gefühl ist nur schwer zu Beschreiben und darum geht es auch nicht, das muß man selbst erleben, man kann es nicht vermitteln, man kann höchstens den Anreiz bieten. Do it yourself. Es ist nicht teurer als drei Pauschalurlaube auf irgendeine Affeninsel im Mittelmeer oder an der Karibik. Und man hat wesentlich mehr davon, wenn man denn zu reisen gewillt ist. Möchte man nur Urlaub machen, sieht die Sache anders aus. Auf das definitions Problem komme ich im Zentralamerika-Bericht zu sprechen. Momentan bin ich überaus glücklich darüber, daß seit der letzten Argentinientour mal wieder gereist wird, statt gehetzt, auch wenn wesentlich weniger Zeit zur Verfügung steht. Es ist nämlich keine Frage der Zeit, sondern der allgemeinen Einstellung.
"Städte und Dörfer flogen
Vorüber an unserer Fahrt
Wir sind immer weiter gezogen
Der Abschied fiel manchmal hart
..."

Das Capitol in Salem. / Oregon.

Wir hatten gar nicht richtig bemerkt, daß wir Oregon schon längst verlassen hatten und uns in Washington State befanden. Dadurch hatten wir mehr Zeit übrig, als zunächst gedacht, denn wir waren wieder mal pünktlich zum Wochenende angekommen. Wir mußten den Marsch etwas drosseln, denn wir waren noch nicht bereit zum Ausreisen und den Sonntag mußten wir demnach irgendwie rumkriegen. Bis Seattle war es nicht mehr weit. Wir fuhren bis vor Olympia zu einem Nationalpark, der zwar zu hatte, aber wir fanden einen netten Platz. Es lag schon Schnee, hier. Ich schloß den LapTop an und kritzelte an den Reiseberichten in der Hoffnung, das Wetter würde sich irgendwie stabilisieren, aber es nieselte, hörte wieder auf, setzte wieder ein, dann hörte es für längere Zeit auf. "So", dacht ich mir, "jetzt geh ich ins Blech..." Ich richtete mein Nachtlager auf dem Dach her und legte mich hin. Doch gerad' entschlummert, fühl ich nassen Regen mir ins Gesicht fallen. Ich zog die Plane aus dem Koferraum, legte sie über das Auto und über mich selber und schlief weiter. Laß laufen die Soße...


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