Fahrt nach Feuerland
Donnerstag, 17. Januar 2002

"Neue Reifen 720.830 km", lautet die Eintragung.

Ich vertrödelte die Tage, fand Internetzugang und fühlte mich eigentlich pudelwohl. Außer, wenn es regnete. Eines Nachts war ich gerade schön eingeschlafen, als es zu regnen begann. Ich fand keinen Unterstand und fuhr durch die Gegend auf der Suche nach irgendetwas trockenem. Erst hielt ich unter dem Vordach eines Restaurants an, aber da kam der Nachtgrattler und verjagte mich. Ob ich denn bescheuert sei, mich vor den einzigen Eingang zu stellen. "Kannst Dich meinetwegen unter's Dach legen, aber das Auto doch nicht." Naja, war vielleicht auch ein wenig zu dreist. Was soll's, also weiter. Bis ich an einem Hochhaus vorbeifuhr, das sich im Rohbau befand. Ich stellte mich mit dem ganzen Auto rückwärts da hin, wo später einmal die Rezeption stehen wird. Am nächste Tag war Sonntag, also keine Bauarbeiten und ich konnte ausschlafen. Täglich traf ich mich mit Max, und wir fuhren ein paar Mal nach Montevideo. Er zeigte mir die Läden, wo man billig an Mercedes-Ersatzteile kam. Scheinwerferglas für 18 US$, in Dollar zahlbar, das war nicht sehr teuer. Ich hatte noch einen Anlasser und ich ging zu einem Schrotthändler, um ihn entweder zu verkaufen, oder gegen etwas anderes einzutauschen. Es klappte. Türscharniere nahm ich mit, eine nagelneue Tachowelle bekam ich auch, allerdings mußte die bestellt werden und ich mußte sie selbst abholen und noch viele andere Kleinteile, die ich schon seit Jahren brauchte, doch nie wirklich dazukam, sie zu besorgen, in Brasilien sowieso nicht. Die Kofferraumreparatur war zu teuer. Das sollen die Brasilianer machen. Alles andere war erledigt, ich deckte mich noch mit Filtern ein.

An einer Tankstelle hielt ich, um zu tanken. Da kam ein fröhlicher Tankwart und meinte "He, Che Guevara, soll ich volltanken?" Ja, mach mal. Er besah sich das Auto und fragte und fragte. Ich blieb den restlichen Abend an der Tankstelle und wurde sogar noch zum Essen eingeladen. Keinen Pfennig wollten sie annehmen und ich durfte sogar noch die Personaldusche benutzen. Ich mußte nur warten, bis der Chef weg war, denn der durfte das nicht wissen.

Argentinien, 5. Januar 2002
Kleiner Fuchs. (Argentinien, 05.01.02)

Beim durchstöbern des Gepäcks fand ich ein Buch mit dem Titel "Pferdestärken". Ich las es mir durch. Sehr interessant. Es geht um das Leben einer gewissen Clärenore Stinnes, Tochter eines Schwerindustriellen. Sie fuhr mit einem Adler Standard 6 um die Welt. Durch Asien nach Nordamerika, dann hinunter nach Südamerika und zurück nach Europa. Besonders interessant fand ich folgendes: Bevor sie losfuhr, mußte sie sich für einen Hersteller entscheiden. Sie wollte nicht mit einem eigens angefertigten Auto fahren, sondern mit einem, das sich Jedermann kaufen konnte. Sie wollte einen Vortrag halten und lud alle wichtigen Autohersteller dazu ein, um ihnen ihr Vorhaben darzulegen. Nichts lag ihr ferner, als Geld zu schnorren, denn davon hatte sie genug. Der Vortrag ging eine Stunde, aber schon nach einigen Minuten erhoben sich die Herren von Mercedes und verließen wortlos den Saal. Das war im Jahre 1927, als das noch keine gemacht hatte und es war nicht irgendwer, sonden Stinnes' Tochter. Wie soll das erst heute sein, wenn jeder Hans Wurst um die Welt fährt und ihm gar nichts anderes bleibt, als einen Mercedes dafür zu nehmen (Toyota und Peugeot folgen an 2. bzw. 3. Stelle)? Läßt keine Fragen offen. Nur, weil ich oft gefragt werde, warum ich nicht mal beei Mercedes angefragt hätte.

Eines Tages machte ich Kassensturz und stellte fest, daß mit noch etwa 50 Dollar geblieben waren. Verdammt knapp, damit kommt man nicht mehr weit. Aber hoffentlich noch bis zur Grenze. Brasilien... wie ein Schreckgespenst stand es vor meinem geistigen Auge. Nicht endlos, sondern nicht enden wollend, ist der rechte Ausdruck. Tage und Nächtelang durch dieses öde, viel zu grüne Land, ich bekam jetzt schon Gänsehaut. Aber es half nichts, ich hatte bald keinen Pfennig Geld mehr und wenn dieses Stadium erreicht ist, dann sollte man an einem Ort sein, wo man des Geldes nicht bedarf. Davon gibt es erstaunlich wenige. In Punta war es mir nicht möglich, an Geld zu kommen. Ich habe es versucht, aber es war gerade Tiefsaison und den Argentiniern ging es nicht gut, finanziell gesehen, daher war nicht viel los.


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