Fahrt nach Feuerland
Freitag, 11. Januar 2002

Ich verbrachte eine Ruhige Nacht am Straßenrand. Nach dem Aufstehen, fuhr ich bei der nächsten Polizeistation vor, nahm die Tasche und legte sie auf den Tresen. "Schaut Euch mal an, was hierzulande alles auf der Straße liegt..." Er meinte, da hätte schon jemand nachgefragt und sich für die Ehrlichkeit bedankt. Hätte er nicht müssen, es war eh nur wertloses Zeug drin. Wäre es etwas wertvolles gewesen... dann hätte es der Besitzer nicht verloren, oder es hätte schon ein anderer vor mir mitgenommen gehabt.

Um 13:20 Uhr gingen zwischen Frey Bentos und Montevideo die 720.000 durch. Weiter ging es nach Montevideo. Ich blieb ein wenig, sah mir den Hafen an. Es ist schon etwas ganz anderes, wenn man an einem Hafen steht und keine Fracht drin hat. Da geht man viel entspannter an die Sache. Ich wollte mir einfach mal so einen Hafen anschauen und ich fühlte mich wieder in meine ettaler Zeit zurückversetzt, als wir im riesigen Speicher des Klosters, der Schule und des Internats stöberten und staunten, was es da alles zu entdecken gab. Freilich lag hier die Sache ein wenig anders, denn dort mußte man nur beim Rein- und beim Rausgehen vorsichtig sein - hier nicht. Also, Auto geparkt, meine Unterlagentasche unter den Arm, Unschuldsmine aufgesetzt und hineinstolziert. Natürlich konnte ich nicht den Frontalangriff durch den Haupteingang wagen, also versuchte ich, über eines der Gebäude in das Hafengelände zu gelangen. Ich ging hinein, den Security-Typen begrüßte ich höflich: "Servus, wie geht's? Ich geh mal schnell zum Gerardo..." Er nickte und ich passierte, verschwand aus seinem Blickfeld nach möglichst weit hinten. Die Türklinken waren rund, das war ungünstig. Da muß man bewußt dran drehen und kann nicht sagen "Oh, perdón!, bin hängegeblieben", wenn doch jemand in den Räumen ist. Hören konnte man nichts. Ich probierte mein Glück bei der letzten Türe. Nicht klopfen, einfach nur hineingehen. Da stand ich dann vor einer Theke. Mist. Oben Panzerglas, kein Durchgang, links eine Stahltür, die wohl hinaus ins Gelände führen mußte, doch die war leider verschlossen. Rechts eine Treppe, die zu einer auch wieder verschlossenen Holztüre führte. Ich hörte Frauenschritte und ging wieder aus dem Raum. Wieder draußen probierte ich mein Glück bei der nächsten Türe. Zu. Übernächste auch zu. Saftladen! Doch eine der Türen war offen. Ich ging hinein und es waren natürlich Leute da. Ein älterer Herr im Hintergrund, hinter der Theke eine junge Sachbearbeiterin, die recht unbeholfen aussah und vor der Theke ein Mann mit Vollbart in mittleren Jahren, der gerade dabeiwar, sich zu verabschieden. Ich begrüßte alle höflich und versuchte, irgendetwas herauszufinden. "Liegt gerade ein Deutsches Schiff vor Anker? Ich suche ein Deutsches Schiff Namens... Moment." Ich griff in die Tasche und kramte wichtig in den Papieren umher. "Moment, ich hab's gleich... Irgendwas mit Weser, oder so. W - E - S - E - R." Das wüßte sie nicht auswendig. "Da gibt es doch sicher eine Liste", den älteren Herrn ansehend, "oder?" Da wußte sie nichts davon. "Doch, meinte er, natürlich gibt es eine Liste... Was wollen Sie wissen?"

Argentinien, 3. Januar 2002
Blick auf's weite Meer hinaus (Argentinien, 03.01.02)

Er übernahm, die Sachbearbeiterin ging leicht zur Seite. "Ich suche ein bestimmtes deutsches Schiff, allerdings hab ich ein schlechtes Namensgedächtnis und die Unterlagen nicht dabei, die liegen im Auto. Wenn ich den Namen sehe, fällt er mir bestimmt wieder ein. Normalerweise gibt es in Häfen Büros, die haben eine Liste mit Schiffen, Anlegezeit usw. Bin ich hier richtig?" Er schickte die Sachbearbeiterin los, die Liste zu organisieren und erklärte ihr, wo sie anrufen müsse. Er wollte natürlich wissen, was ich denn mit dem Schiff wollte. Aber da hatte ich mir natürlich schon einen Plan zurechtgelegt. Ich erklärte ihm, daß ich auf dem Schiff arbeiten würde und hierhergekommen, weil das Schiff hier vor Anker liegen soll. Wieso ich den Namen denn dann nicht wüßte. "Ich hab die Unterlagen nur überflogen und halt den Namen vergessen, ist auch nicht wichtig. Ich legte ihm einige Papiere auf Deutsch vor, inklusive die Papiere der Afrika-Verschiffung und erklärte ihm eifrig, wie die Sache in Deutschland gehandhabt würde, damit er den Papieren nicht zuviel Aufmerksamkeit schenkt. Die Sachbearbeiterin kam dann auch wieder und meinte, daß die Leute in der Mittagspause wären. Es seien aber zur Zeit nur wenige Schiffe im Hafen, und soweit ihm bekannt, war auch kein deutsches darunter. Ich wartet noch eine Weile und unterhielt mich mit dem Typen. Er ging irgendwann und wies die Sachbearbeiterin an, es erneut zu probieren, in einer halben Stunde. Ich blieb dann da und unterhielt mich mir der Sachbearbeiterin, fragte sie nach einer Weile, ob ich nicht schnell die Molen ablaufen könnte, um selbst nachzusehen. Dazu bräuchte ich ein Permiso. "Nun, dann gib mir doch so ein Permiso, wo ist das Problem? Ich lasse Dir meinen Paß da, ohne den kann ich nirgendwo hin." Sie könnte keinen Permit ausstellen, dazu müßte ich zur Hafenpolizei. "Wo ist die?" Sie erklärte mir den Weg. "Dann laß mich kurz ohne rein, ich sag, ich sei über den Zaun gesprungen, hm?", aber das war natürlich aussichtslos. Sie erklärte mir auch, daß jeder, der im Hafen herumliefe, ein Permiso haben mußte, sichtbar. "Darfst Du also auch nicht in den Hafen?" Doch, denn sie hätte eines. "Wo?" Sie zog es aus der Schublade und zeigte es mir und erklärte, daß es auch so eines für Besucher gibt, allerdings ohne Bild. Umso besser. "Ich komme später nochmal, würdest Du derweil probieren, die Liste zu bekommen?" Selbstverständlich. Ich ging wieder hinaus. Verdammt, jetzt bräuchte man einen LapTop. Das Permiso war nicht schwer, nachzumachen. In einem Copyshop außerhalb der Stadt ausdrucken und in Plastik einschweißen lassen, dann durch den Haupteingang rein. Nur hatte ich keinen LapTop und ein Internet-Café fand ich ums Verrecken nicht. Auch bei der Hafenpolizei bekam ich mit der Story keinen Permiso, ich solle zu einer Naviera gehen und das über einen Agenten regeln. Ich ließ das, so neugierig war ich dann auch wieder nicht, außerdem besteht der Reiz ja gerade darin, ein System zu knacken und nicht auf dem vorgesehenen Weg hineinzugelangen, denn was sollte ich denn dort? Der Weg ist das Ziel... Der Tag war allerdings mehr oder weniger rum und ich hatte es überhaupt nicht eilig, denn je länger ich von Brasilien fernblieb, desto besser.
Ich fuhr hinter einer Tankstelle an den Strand, las ein wenig, köchelte und als es Nacht geworden war, legte mich aufs Autodach und schlief. Es war angenehm kühl, so daß man einen Schlafsack benutzen konnte. Mücke gab es kaum. Die paar, die ich fand, wurden gekillt.

Nach erfolgloser Suche nach gebrauchten Mercedesteilen fuhr ich nach Punta del Este los, wo ich auch am späten Nachmittag ankam. Das ist schön aufgeteilt: Barra Mansa und Barra Brava oder so, Eins liegt in der Mitee und von da aus wird gezählt, jeweils nach außen und mit Mansa bzw. Brava versehen. Ich mußte zu 18 Mansa. Ich fand daher überraschend sehr schnell zu der angegebenen Adresse, allerdings war keiner da. Ich machte mir also Pop-Corn, nahm die Stahlgewitter zur Hand und ließ den Tag verstreichen. Ich brauchte Reifen, denn in Brasilien würde es wohl keine in der Größe geben. Wenn, dann hier. Und sowieso wollte ich noch ein paar Teile für das Auto, denn es hatte mir ja die Scheinwerfergläser zerschlagen - auf die letzten meter Piste. Aber zunächst wollte ich ein paar Tage ausspannen. Ich fand einen schönen Nachtplatz am Strand, fuhr zur Tankstellen, machte den Abwasch, dann zurück zum Nachtplatz, wo ich es mir gemütlich einrichtete. Die Wäscheleine vom Gepäckträger zu einem Pfosten gespannt, die Wäsche daran aufgehängt, Tee gekocht und Jünger ausgelesen.


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© by Markus Besold