Budapest und Belgrad
Donnerstag, 20. Mai

Ich wache auf, draußen ist's hell, im Zimmer brennt Licht. Es gab einen Luftangriff, erzählte mir Branka stolz. Das ist doch zum Ausderhautfahren. "Du blöde Sau! Hab ich Dir nicht ausdrücklich gesagt, Du sollst mich wecken, wenn was ist?" "Ich hab Dich doch geweckt..." "'n alten Scheiß hast Du gemacht, wecken bedeutet für mich, daß der andere hinterher wach ist und rumläuft oder zumindest was textet!" "Du hast gesagt, 'ich bin gleich da'..."
Ja... super, ich sag viel, wenn die nacht lang ist... sinnlos mit einer Angestellten vom Adler über irgendwas zu diskutieren. Jedenfalls konnte ich mich darüber noch jahrelang furchtbar aufregen und forderte als Entschädigung einen genauen Bericht. In der Nacht wurden der Flugplatz, besser gesagt, der Ort, an dem der Flugplatz einmal stand zum x-ten Male und das Krankenhaus bombardiert. Letzteres selbstverständlich wieder mal "aus Versehen" - Ausreden gibt's ja genug. Es war schon immer eine Spezialität der Angloamerikaner, ihren Bombenkrieg nicht nur bis in die Wohnstätten der Schaffenden, sondern bis in die Krankenstuben hinein zu tragen. Auch in diesem Krieg fehlt es nicht an Beispielen, die das belegen. Doch wer kann das schon verhindern? Der alte Grundsatz "Recht hat der, der gewinnt" hat auch im ach so zivilisierten 20. Jahrhundert seine Gültigkeit nicht verloren. Folglich sind die Amerikaner immer die Hüter von Freiheit und Gerechtigkeit, die Vertreter der Humanität schlechthin, die man vergeblich auf der Anklagebank eines Kriegsverbrechertribunals sucht. Democracy heißt die Parole.
Dann war Stadtbesichtigung angesagt. Es war verboten, zerstörte Gebäude zu photographieren und da befürchtet würde, daß ich es trotzdem versuchen würde, nahm man die Kamera gar nicht erst mit. Nach der Stadtbesichtigung, die eher einer Schadensbegutachtung glich, ging es zurück in die Wohnung, denn bei Einbruch der Dunkelheit wollten wir Jugoslawien verlassen haben.
Die Sachen und die Nichte wurden eingeladen und bald schon waren wir wieder auf Achse. Ich gelangte in den Besitz der Kamera, und konnte sogar ein Bild schießen.

So sah die chinesische Botschaft nach dem "vesehentlichen" Treffer aus. Leider erwischte ich nur die Seite, die nicht viel abbekommen hatte, aber man kann immerhin erkennen, daß die linke Seite des Komplexes fehlt.

Das unmittelbar darauf folgende Geschrei signalisierte, daß das auch schon mein letztes gewesen sein sollte. Zur Strafe blieb der Apparat in Belgrad.
Der Rückweg war etwas chaotisch. Keine Karte dabei. Jedes zweite Schild und die wichtigsten Brücken fehlten. Ich hatte eigentlich gar keine Lust, das Land zu verlassen und ging sehr sanft mit dem Gaspedal um. Wollte mich hier noch ein bißchen umsehen, aber es war Donnerstag und wir sollten am Freitag in der deutschen Botschaft in Budapest vorsprechen. Der Grenzübertritt vollzog sich ganz und gar unspektakulär. Einige ungarischen Kasperl hatten hier und dort etwas auszusetzen. Weiß nicht mehr, was es war, aber bestimmt nicht wichtig. Solche Sachen, wie man sie aus der Heimat kennt. Man meint, etwas sagen zu müssen, weil man eine Uniform und einer Narrenkappe aufhat, sieht dann aber ein, daß es um irgendetwas geht, was es nicht wert ist, überhaupt erwähnt zu werden und man läßt es dabei, erwartet vielleicht noch als großzügig angesehen zu werden.
Um 1:00 Uhr wurde in Budapest getankt und bald darauf fanden wir eine Pension, in der wir über Nacht blieben.


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