Budapest und Belgrad
Mittwoch, 19. Mai

Bei Wien (km 562) wurde um 4:45 Uhr getankt. Wir wollten spätestens um 10:00 Uhr in Budapest sein, da dort der Bus nach Belgrad abfährt, den die beiden Damen nehmen mußten. 45 Minuten später passierten wir die ungarische Grenze. Irgendwo auf der ungarischen Autobahn blendete ich auf und das Radio ging aus. Hä? Test. Das ganze noch mal... Wieder schwieg das Radio beim Aufblenden. Also doch die Lichtmaschine. Anhalten, Motor laufenlassen und den Keilriemen kontrollieren. Der war noch da. Ich tippte auf den Regler. Also alle Verbraucher aus inklusive Licht, auch wenn es in Ungarn gegen die Vorschriften geht und weiterfahren. Nach einer Zeit machte ich einen Start Test: Gang raus auf der Autobahn, Motor abstellen und versuchen mit Schlüssel zu starten. Kein Muckser. OK. Also vierter Gang rein und einkuppeln. Er lief wieder. Jetzt bloß nicht abwürgen. In Budapest angekommen suchte ich als erstes einen Elekrofritzen und fand natürlich keinen. Ein VW Händler brachte schließlich einen an den Start. Um 8:00 Uhr fuhren wir in seine Werkstatt. Es war nicht der Regler, sondern die Lichtmaschine. Die sah vielleicht aus... Für 70,- DM bekam ich eine im Austausch. Die ganze Prozedur dauerte eine Stunde und um 9:00 Uhr waren wir fertig. Wir fuhren zum jugoslawischen Konsulat. Dort erkundigten wir uns, ob ich mit meinem Transitvisum vielleicht Einreisen dürfte. Wir sollen es einfach mal versuchen. Also verließen wir gegen Mittag Budapest in Richtung jugoslawische Grenze. Den Bus konnten die zwei auch dort noch nehmen. An der letzten Tankstelle vor der Grenze wurde der Tank bis zum mehrmaligen Überlaufen vollgefüllt, da in der Treibstoff in Jugoslawien rationiert ist. Die Ungarn winkten uns durch und wir standen an der jugoslawischen Grenzabfertigung.

Wir wollten den Durchbruch wagen. Der Grenzbeamte sagte "Nein", sein Vorgesetzter ebenfalls. Der Vorgesetzte des Vorgesetzten aber willigte ein. Er stammte zufällig aus dem gleichen Dorf wie Mama Branka und die hat ihn eben solange volgetextet, bis er zusagte. Ha! Einreisestempel in den Paß und hinein nach Jugoslawien. Bloß weg, bevor es sich noch einer anders überlegt.
Um 14:45 Uhr waren wir fest auf serbischem Boden. Wir rechneten damit, daß wir in den nächsten zweieinhalb bis drei Stunden Belgrad erreicht haben würden. Fehlanzeige. Der direkte Weg war nicht zu befahren, da alle Brücken zerschossen waren. Die Umwege und Polizeikontrollen waren sehr zeitraubend. Der Türkeiaufkleber fiel einer Polizeikontrolle zum Opfer. Der Polizist entschuldigte sich später für sein Aufbrausen, aber meinte, es wäre besser, diesen Aufkleber abzunehmen, bevor mir Zivilisten das Auto zertrümmern würden. Auch die Kamera konnte mehrmals nur durch erstklassige, weibliche Überredungskunst unterstützt durch recht großzügigen Umgang mit den begehrten Marlboro in unserem Besitz verbleiben.

Ansonsten bemühten wir uns, zügig voranzukommen. Wenn das lichtscheue Gesindel Kurs auf Ziele in Jugoslawien nimmt, empfiehlt es sich nicht, sich unnötig an oder auf potentiellen Zielen aufzuhalten, sprich Brücken, Straßen, Tankstellen (da die Herren selbst nicht wissen, was sie bombardieren sollen und auch die "Treffsicherheit" nicht so genau genommen wird kann man die Liste beliebig fortsetzen). Brücken wurden auch innerorts nur mit Vollgas überquert, das sei in letzter Zeit in Mode gekommen, erklärte mir meine Beifahrerin. Wenn es auch fast nichts uninteressanteres gibt, als bei einem 200D Vollgas zu geben, tat ich das auch, allein um kein Geschrei aufkommen zu lassen.
Um Punkt 7:00 Uhr standen wir in Belgrad vor dem Haus der Verwandtschaft und es gab erstmal fett zu Essen.

So gegen neun wurden Wetten abgeschlossen, wann Fliegeralarm sein würde. Nach der x-ten Cigarette, um 21:35 Uhr heulten die Sirenen. Danach wurde es immer ruhiger draußen. Ansonsten tat sich nichts. Da ich die ganze Zeit am Fenster stand, eine Cigarette nach der anderen durchzog und auf mein Autoleinchen starrte, erklärte man mir, ich bräuchte im Krieg keine Angst um mein Auto haben. Es herrsche nämlich Ausnahmezustand und "wer plündert wird erschossen". Das war schon mal sehr beruhigend.
Ich war seit 36 Stunden wach und todmüde, aber wo ich schon mal in Belgrad war, wollte ich auch etwas vom Krieg mitbekommen. Ich ließ das Fenster geöffnet und bat darum, mich beim geringsten Geräusch, das sich nach Flugobjekt anhört, zu wecken. Das war ein Fehler.


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