Budapest und Belgrad
Freitag, 21. Mai

Die Botschaft fanden wir gleich und waren schon in aller Frühe dort. Dann kam die Enttäuschung: Es durften keine jugoslawischen Staatsbürger hinein. "The germans to the front!", hieß es dann mal wieder. Da alle anderen nur minderwertige Pässe besaßen, mußte ich ran. Mit meinem deutschen Paß bewaffnet marschierte ich mit den Unterlagen auf die Pforte zu aber ich wurde ebenfalls abgewiesen. Es mußte ein Termin vereinbart werden und den bekamen wir auch gleich - für nächsten Donnerstag. Toll. Das konnte man uns nicht früher sagen, man ist ja blöd. Vier Anrufe bei der Visastelle in der Botschaft und zwei beim Auswärtigen Amt erbrachten so viel, wie ein Brief an den Papst geholfen hätte. Wir sollten in einer Woche wieder kommen. Klar. Die kleine stellen wir derweil ums Eck ab. Im Gegensatz zu Beamten müssen andere Leute arbeiten. Wozu, zum Geier, muß man ein Kind aus Belgrad holen, um einen Termin auszumachen? Und warum sagt man uns, wir sollen heute kommen, um den Antrag abzugeben und nimmt ihn dann nicht entgegen? Mittags gaben wir es auf, da die Botschaft bald schließen würde und fuhren zurück in Richtung Grenze. So viele Flüche und Verwünschungen hatten noch nie mein Auto verlassen, wie beim Vorbeifahren am Botschaftsgebäude. Normal sollte man ja alle Eingänge zumauern und ein paar hungrige Bären hineinlassen, dann wäre das Drecksgesindel auch entsorgt gewesen.

Die ganze Aktion, seit der Abfahrt in Augsburg war umsonst gewesen. Das hätten wir uns alles sparen können, wenn das Fräulein am Telephon in der Lage gewesen wäre, sich an ihre eigenen Anweisungen zu erinnern. Der Herr Außenminister scheint das mit der Behindertenquote wohl auch zu wörtlich genommen zu haben. Da schickt man Leute nach Jugoslawien, wohlwissend, daß dort Krieg ist, um ein Kind zu holen und es nach Budapest zu bringen und wenn es da ist, dann sagt man, man soll in einer Woche wieder kommen, als ob das überhaupt kein Problem wäre. Und dann dieser arrogante Tonfall, der einem immer zu sagen schien "zwischen uns befinden sich ein Eisenzaun und dicke Mauern". Genau diese lebensunwerten Kreaturen sind es, die man mit bestem Gewissen auf das Gelände des Belgrader Flughafens stellen könnte, ohne den geringsten Zweifel könnte man davon ausgehen, daß es immer den richtigen Trifft.

Ein zweites mal würde der Durchbruch an der Grenze wohl kaum gelingen und wir waren uns von Vornherein einig, daß der Versuch unterlassen werden würde. Ich verließ Ungarn in der Absicht, im Niemandsland noch ein Bild zu schießen. Als ich das machen wollte fiel mir ein, daß der Photoapparat ja in Belgrad lag. Sehr gescheit. Das kostete mich dann eine dreiviertel Stunde, bis ich wieder in Ungarn war. Ich verabschiedete meine Ladung, die gleich in den Bus einstieg, der nach Belgrad unterwegs war und trat sogleich den Rückmarsch an. Es war 15:40 Uhr, der Tageskilometerzähler zeigte den 1.939 Kilometer seit der Abfahrt in Augsburg an, als ich nach der Grenze in Ungarn losfuhr. Non-stop durch, wie gewohnt, bis Augsburg. Meine Frontscheibe war von Insekten und -fetzen zugekleistert. Es hätte keinen Sinn gehabt, das Wischen anzufangen, da sie nach kurzer Zeit wieder zu war. Der Verkehr war sehr angenehm an diesem Freitag, denn ich konnte ohne Störung duchheizen. Um 23:23 Uhr passierte ich die österreichisch-deutsche Grenze.


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© by Markus Besold