Libyentour 1998
Sonntag, 6. September

Wie üblich ging es gleich nach Sonnenaufgang weiter. Die Sonne brannte schon in aller Frühe dermaßen runter, daß an schlafen nicht zu denken war. Tagesziel war Ajdabiya. Wir fuhren durch die Sirte-Ebene nach Sirte. Die Landschaft ab Waddan wird oft von Wadis durchzogen bleibt weiterhin recht hügelig und geht dann langsam in eine Hochfläche über. Die Vegetation nimmt langsam wieder zu und geht dann in Steppenlandschaft über. Kurz vor Sirte wird der Straßenzustand nicht mehr ganz so gut und der Verkehr nimmt schlagartig zu. Es gibt zwei Spuren in jede Richtung und wir fuhren auf der, wo weniger Schlaglöcher waren. Es interessiert sowieso niemanden, wer wo fährt, Hauptsache, es geht vorwärts - man ist es ja andersrum gewohnt.

Waddan - Sirt
Mitten in der Sirte-Ebene neben einem Kilometerstein "Made in Austria".

Die libysche Autobahn ist eine Geschichte für sich. Man darf es sich nicht wie eine bundesdeutsche Autobahn vorstellen. Zwar ist der Belag genau so gut oft sogar besser, doch trennende Leitplanken gibt es keine. Nur ein ungeteertes Stück von zwei bis vier Meter Breite. Es kann schon mal passieren, daß von irgendwo aus der Pmpa ein Auto auf die Autobahn fährt oder darauf wendet. Geisterfahrer gibt es keine, weil ohnehin jeder fährt, wo er meint. Entscheidend ist nur die Breite der Straße, Schilder und Striche sind Ornamente. Wenn Bazar ist, dann wird aus der Autobahn ein Parkplatz und man muß zusehen, daß man auf irgend eine gescheite Weise durchkommt. Irgendwie geht es immer vorwärts, ob neben der Straße oder auf der Gegenfahrbahn. Geschindigkeitsbeschränkungen existieren nur auf den Reiseinfos des ADAC, in der Praxis kann keiner etwas damit anfangen. Die sinnlose Bremserei muß man sich schon spätestens in Tunesien abgewöhnen, ab da heißt es "hupen und lenken statt bremsen". Denn es schadet nicht, wenn man grundsätzlich davon ausgeht, daß von den vier Bremsen des Hintermanns erst nach mehrmaligem Pumpen eine davon anspricht. Wenn man also wegen jeder Nichtigkeit bremst, wie man es hier in der Fahrschule (ich habe in Libyen nie so etwas gesehen) lernt, dann kann es schnell passieren, daß man ein Auto zuviel im Kofferraum hat. Und mit Sicherheit kann man davon ausgehen, daß man von der gegnerischen Versicherung, so sie denn überhaupt vorhanden ist, keinen müden Dirham erstattet bekommt. Und wenn man ein Schickimickiauto fährt, etwa einen Boulevard-Off-Road-Jeep Cherokee mit Metallic-Lackierung und Automatik, bei dem die Welt untergeht, wenn es einen Kratzer abbekommt, sollte spätestens an der italienischen Grenze Schluß mit Fahren sein.
In Sirte angekommen wurde ein Brotvorrat angelegt und wir hielten uns ansonsten nicht lange auf sondern fuhren gleich weiter auf den Vormarschwegen des "Wüstenfuchses" gen Osten. Ich wunderte mich anfangs etwas über die Unmenge toter Kamele, die am Straßenrand lag. Bis dahin waren uns nur lebende Exemplare begegnet. Auch hier erwies sich die Klimaanlage als eine segensreiche Einrichtung, denn von dem Verwesungsgeruch drang nichts ins Auto.
Keiner von uns legte großen Wert darauf, auszusteigen, denn es hatte zwar "nur" 38°C, aber es war so schwül, daß die Windschutzscheibe von außen anlief. Als ich an einer Werkstatt bei Siltar kurz ausstieg um Reifendruck des rechten Hinterrades wieder auf 2,4 Atü zu erhöhen lief mir die Soße überall runter. Bäh! Weiter im Süden, fernab von der Küste war es trotz höherer Temperaturen wesentlich angenehmer gewesen. Wir passierten die aus Kalk und -sandstein gebildete Marmarika-Tafel. Hier fanden im Krieg die großen Panzerschlachten statt. Spuren davon sind aber von der Straße aus nicht zu sehen, lediglich Stacheldraht links und rechts davon, wahrscheinlich wegen der Kamele. Gerüchten zufolge sollen hier aber noch Minen liegen.

An der Küstenstraße ist der Verkehr mit dem auf unseren Bundesstraßen vergleichbar. Nur daß ich hierzulande selbst mit einem 200D nie auf der Landstraße von Bussen überholt werde - in Libyen ständig. Schon um 15:45 Uhr hatten wir Ajdabiya erreicht. Wir suchten den Weg nach Tobruk, landeten aber an der Straße nach Kufra, die ich bei Beginn der Planungen für diese Libyenreise zwar zu befahren beabsichtigte, mich aber dann doch anders entschied, keine Ahnung, warum, aber das war das einzig richtige, doch dazu später. Der Kontrollposten am Ortsausgang, gab uns ein Zeichen zum Wenden. Im nächsten Moment hatte er jemanden aufgestellt, der uns bis zum Anfang der Innlandsroute Ajdabiya-Tobruk vorausfuhr. Wir bedankten uns und nahmen gleich noch einen Fußgänger mit, der Kamelzüchter ist und zu seiner Farm etwa 7 km außerhalb Ajdabiya mußte. Diese Straße ist noch ziemlich neu und verläuft kerzengerade (1 leichte S-Kurve bei einem Kontrollposten ca. 70 - 80 km nach Ajdabiya) zunächst durch Kalksteppenlandschaft, dann durch Sanddünen die bald schon von Geröll abgelöst werden. Mit zunehmender Entfernung von der Küste nahm auch die Luftfeuchtigkeit wieder schnell ab, so daß wir uns öfter mal eine Cigarettenpause leisteten (wegen Klimaanlagenbetrieb herrschte im Auto Rauchverbot). Bei km 16 nach dem Ortsausgang von Ajdabiya verlief eine böse Querrinne über die sonst sehr gut ausgebaute Straße. Durch den "Göttler" waren wir darauf vorbereitet, was uns eine unplanmäßige Cigarettenpause ersparte. Der Verkehr ist hier zwar nicht so dicht, wie an der Küstenroute, aber von sehr gering konnte zumindest als wir dort waren nicht die Rede sein. Auffallend waren vor allem die vielen Fahrzeuge mit ägyptischen Kennzeichen, die sich grenzwärts bewegten, alle mit Gepäck auf dem Dachgepäckträger. Ein alter Ford Transit, der uns entgegen kam, also westwärts fuhr hatte eine gesamte Wohnungseinrichtung auf schätzungsweise vier Meter aufgetürmt und verzurrt. Auch das interessiert niemanden. Es hielt und zum Glück muß er nicht unter einer Brücke durchfahren. Die nächste ist erst in Tripolis.
Um 19:15 Uhr verließen wir die Straße, um zu übernachten. Hierbei mußte Schrittempo gefahren werden, da der Untergrund nicht aus feinem Kies bestand, wie zuvor in der Hammada al-Hammra, sondern aus größeren Steinen. Der Verkehr auf der Straße flachte nur unwesentlich ab.

Das letzte Tageslicht
Sonnenuntergang in der nördlichen Sahara.

 


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