Libyen 2008 / 2009
Sonntag, 4. Januar

Wann ich aufgewacht bin, das weiß ich nicht mehr. Auch das ist ein Vorteil der Dunkelheit. Es ist außerdem auch vollkommen egal, welche Uhrzeit man gerade schreibt. Danach kann man eh nicht gehen, weil es immer mehr wird. Und man konnte auch selbst anhand der Geräuchkulisse nicht einmal ungefähr sagen. Es ist rund um die Uhr Leben an Bord - auf Deutsch würde man es wohl Radau nennen. Erst ein Blick auf die Uhr macht dem Mysterium ein Ende. Es war vier Uhr früh. Die Fahrt dauert etwa 24 Stunden... Abgelegt haben wir um 14 Uhr tunesischer Zeit... Ob es eine Zeitverschiebung gibt wußten wir nicht... Das heißt, meinen Berechnungen zufolge kommen wir ungefähr irgendwann an. Mehr konnte ich nicht sagen. Es war mir auch zu blöd, darauf zu warten, bis die Fähre anlegt. Als würde man schneller rauskommen, wenn man sich schon einen Stunde vorher mit Sack und Pack in den Gang stellt. Ich schlief weiter. Ab und zu kam eine Durchsage. Erst auf Französisch - idiotischerweise - dann auf Arabisch, dann Italienisch und schließlich auf Englisch. Aber da sowieso keine der Sprachen auch nur annähernd verständlich war, beließ ich es dabei, blöde Witze darüber zu machen. Ich lief zwar tatsächlich ein paar Male raus,um zu sehen, wie weit die Sache vorangeschritten war, kehrte aber jedes Mal wieder ohne Neuigkeiten in die Kajüte zurück. Alle Baraber stehen auf dem Gang, ihre dummen Kinder machen Lärm und die bescheuerten Eltern versuchen, ihre gewichtigen Ehefrauen und ihr gewichtiges Gepäck zusammenzuhalten. So kann das einfach nichts werden. Ich zog wieder meinen Schlafanzug an und legte mich ins Bett. Erst geraume Zeit später gingen Almut und ich hinunter in den Frachtraum. Auf dem Weg dorthin legte ich noch unsere Pässe vor. Natürlich nahm ich vorher den Fünfhundert-Euro-Schein heraus, der zwischen Paß und Hülle sich befand. Nicht, daß man mir das hier falsch versteht...

Die, die es eilig hatten standen lägst an der Schlage vorm Zoll.

"Hoffentlich springt der Kamerad auch an", dachte ich mir, als wir im Frachtraum angelangt waren. Der Benz stand auch da, ganz allein auf weiter Flur. Er sprang auch nach einigem Orgeln an. Zwar hing eine Dieselwolke im Raum, aber es störte niemanden, weil kaum noch jemand da war. Dann fuhren wir hinaus. Italienischer Zoll. Die sind oft auch etwas spießig unterwegs. Aber nicht heute. Wir kamen wieder durch und trotz aller Durchsuchungen kam noch keiner auf die Idee, auch nur einen einzigen der Kartons aufzumachen. Da hätte Allah weiß was drinnen sein können. Ist ja schön, daß wir im Polizeistaat auch ach so sicher sein, aber mal ehrlich: helfen tut das nicht wirklich. Das ist so, wie mit der idiotischen Idee, Karten zu verlangen, damit man am Automaten eine Cigarrettenschachtel bekommt. Es ist mit einem unsäglichen Aufwand verbunden, dem sich der ach so mündige Bürger unterziehen muß, aber jeder Sechzehnjährige, der vorher geraucht hat, rauch jetzt auch noch. Und wenn ich eine Waffe haben will, bekomme ich sie beim Albaner am Bahnhof Zoo. Trotz aller Waffengesetzverschärfungshysterie wird es keinen einzigen Amoklauf weniger geben. Der ganze blinde Aktionismus dient nur dazu, dem Wähler, der noch dämlicher ist als der Gesetzgeber, vorzugaukeln, daß ja ach soviel getan wird. Das ist normal in so Polizeistaaten. Die SED kam 1989 auch noch schnell daher mit irgendwelchen Gesetzen, die höchstens noch als Armutszeugnis herhalten konnten.

Wir waren vom italienischen Zoll schnell entlassen. Ich hielt kurz nach dem Hafen an, um den Schlauch der Wischwaschanlage geradezubiegen, und um den Fünfhunderter wieder in den Paß zu tun, damit ich ihn nicht verliere. Bin ja Spezialist für solche Sachen... Wir genossen noch die uns verbleibenden Stunden in Italien. Ein Stop war nicht geplant, aber er kam nach Einbruch der Dunkelheit. Tank leer. Der Verbrauch war wirklich enorm. Ich mußte auf der Autobahn anhalten und aus den Kanistern nachtanken. In Österreich wurde wieder vollgetankt für unter ein Euro. Am Zierler Berg hatten wir unsere liebe Not. Gerade noch so mit schleifender Kupplung schaffte es der Daimler den Berg hoch. Also, da war wirklich was faul. Definitiv ein Fall für die Werkstatt. Vor der Grenze nahmen wir einen Fahrerwechsel vor. Drecksbullenviecher...

Kaum ist man in diesem Dreckspolizeistaat zurück sthet man erst mal wieder im Stau. Und das nun am Ettaler Sattel. "Komm, laß mich wieder hin, das ist doch eine Scheiße schon wieder!", sagte ich zu Almut. Meine Laune war verständlicherweise im Keller - das geht bei überschreiten der Grenze wie auf Knopfdruck. Kaum ist man nicht mehr in Italien, wid man ständig kontolliert und jeder ist zu blöd zum Autofahren. Fuck!


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© by Markus Besold