Alaska 2003
Mittwoch, 7. Januar 2004

Wir blieben etwas länger als erwartet, denn wir versumpften natürlich im Internet. Aber das ist insofern verständlich, da es das erste mal seit Seattle war, daß es uns gelang, einzuloggen. In Kanada ist das eher problematisch. Ich hätte mir nich träumen lassen, daß es heute noch Orte in der zivilisierten Welt gibt, bei denen das Einloggen über AOL nicht klappt. Aber es gibt es. Wenn man in Watson Lake sitzt, dann ist der nächste Knoten in Vancouver. Das ist ein Long Distance Call und kostet entsprechend. Doch auch wenn man bereit ist, zu bezahlen, heißt das noch lange nicht, daß auch eine Verbindung zustandekommt. Gleiches gilt für Mobiltelephone, sowohl in Nordwestkanada als auch in Alaska. AT&T, der Anbieter mit der angeblich besten abdeckung schweigt ab Chatwyn und meldet sich erst wieder in Anchorage, allerdings nur an bestimmten Stellen der Stadt und nur für eingehende Anrufe. In Tok hat es geheißen: "Deswegen besitze ich kein Cellphone. Hier geht es, zwei Schritte weiter geht es nicht. Und die meiste Zeit ist man eh im Haus, das heißt, man zahlt und hat nichts davon. Reiner Quatsch." Und genau so scheint es auch in Anchorage zu sein. Und mittlerweile betraf mich diese Problematik auch nicht mehr, da ich es geschafft hatte, daß auf meinem Display nur noch die Meldung erscheint: "SIM-Zugriff verweigert" Was mich daran am meisten ärgerte war die Tatsache, daß der Converter nicht mehr funktioniert und ich nichts mehr auf Metrisch umrechnen konnte. Ab jetzt mußte ich mich mit Fahrenheit und Meilen und all diesem Käse herumprügeln.

Mittags wurde zum Aufbruch geblasen. Es war alles erledigbare erledigt, nun waren wir auf dem Rückmarsch.

Einige Minuten später befanden wir uns auf der Autobahn. Diese Autobahn sollte uns zum Alaska Highway zurückbringen, auf dem wir gekommen waren, allerdings etwas weiter südlich, nicht wieder über Fairbanks. In Tok sollten wir auf ihn treffen. Schon nach wenigen Kilometern bekamen wir mit, wie die Temperatur wieder abfiel. Erst merkte man, daß das Auto wieder ein wenig anzog, was ich darauf zurückführe, daß sich am Luftfilter kein Eis mehr bildete, dann begannen die hinteren Fenster zu vereisen, dann wurde das Schalten schwerer. Die Straßen waren nicht mehr glatt, aber immer noch gut rutschig, was ich merkte, als ich eine rentierbedingte Schlitterpartie hinlegte. Genau in dem Augenblick, als die Viecher auf die Straße laufen wollten, kam auch Gegenverkehr. Wir manövrierten beide durch die Tiere hindurch und an ihnen vorbei. Daß allerdings nichts geschah, lag daran, daß die Viecher nicht die Straße überquerten, sondern verwirrt stehen blieben, jedes auf einer Straßenseite. Denn ich wäre nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen und ein Ausweichen wäre wegen des Gegenverkehrs nicht möglich gewesen. Es bestätigte sich wieder Göttlers Theorie, die wir seit Libyen kannten, nach der auf wenig befahrenen Straßen der Gegenverkehr immer nur zeitgleich mit einem Hindernis auf einer der Spuren auftaucht. Als sich schließlich die Kupplung nur noch sehr schwer treten ließ und auch nur langsam wieder in Nullstellung zurückging, hatten wir meinen Schätzungen zufolge wieder die Minus-Dreißig-Marke erreicht oder unterschritten. Als nächstes ging die Bremse den selben Weg.

Der Himmel war sternenklar und die Nacht eiskalt. Man soll eben nicht über die "Lauwarme Fischsuppe" schimpfen. Wir konnten beobachten, wie sich zu beiden Seiten des Mondes jeweils ein kleines Nordlicht formte. Das erste Bild, das ich mit den neuen Belichtungseinstellungen schoß sah aus, als wäre es am hellichten Tag aufgenommen. Völlig überbelichtet. Aber so nach und nach bekam ich den Bogen raus. Es riechen nämlich auch zwei Sekunden.

Das war übrigens das erste Nordlicht, das nicht grün war...

Lange konnte ich mich allerdings draußen nicht aufhalten, es war erbärmlich kalt. Beim ersten Halt hielt ein LandRover an und fragte, ob alles in Ordnung sei. "Jaja, Mercedes-Benz, immer in Ordnung, ich muß nur ein Bild machen, aber danke." Ich hoffte immer noch darauf, in Haines Junction wieder auf Nordlichter zu treffen, um ein paar bessere Aufnachmen zu machen, als beim letzten mal. Blöd nur, daß man nicht recht viel mehr tun kann, als hoffen. Normalerweise kann man auch noch warten, Nordlicht ist um diese Jahreszeit nichts außergewöhnliches, allerdings konnten wir nicht warten. Wir mußten am Mittwoch in Detroit sein und wenn man einen Blick auf die Karte wirft, dann kommt man ins Schlucken. Das sind sechstausend Kilometer, wir haben eine Woche Zeit, das heißt, mindestens 870 km pro Tag mußten bewältigt werden. Heute hatten wir 521 km gemacht, das waren knappe 350 km zu wenig. Am Ende rächt es sich. Könnte teuer werden, nicht nur wegen des Geldes. Damals hatte Almut wegen unserer Afrikatour ihren Job verloren, das sollte nicht wieder passieren. Noch sagt es sich leicht, der nächste Mittwoch ist noch weit: "Wird schon irgendwie gehen."

Wir checkten wieder im selben Motel ein, wie auf dem Herweg. Wieder bekamen wir unseren Rabatt. Wir stellten den Benz vor die Türe, der Motor blieb an, wie immer und wir gingen hinein in die gute Stube. Am Abend köchelte Almut uns noch einen Glühwein und röstete unter anderem ein paar Semmeln. Ich roch irgendwie verbrannten Kunstoff. "Was riecht denn hier so komisch verbrannt?" "Das ist der Käse von dem Brötchen", sie kann ja nicht "Semmel" sagen, wie jeder normale Mensch. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, ist ja klar, daß amerikanischer Käse nach Plastik riecht. Aber es war natürlich nicht der Käse, sondern der Teppich. "Ja, spinnt ihr denn? Wollt ihr die Bude abfackeln?", fiel mir unser alter Biolehrer, Herr Heim ein. Mehr konnte ich dazu auch nicht sagen. Den Teppich zierte nun ein großer schwarzer Brandfleck. Ich kümmerte mich auch nicht weiter darum, sondern tippte weiter, goß mir meinen Glühwein in die Rübe und hatte eine ziemlich unruhige Nacht, denn beim letzten Tanken wurde meine Visa verweigert. Das fehlte mir noch. Almuts Karte geht nicht, nun fängt meine an, Spiranzerl zu machen und draußen hat es 32 Grad Minus.


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