Alaska 2003
16. und 17. Januar 2004

Freitag, 16. Januar 2004
Ich wachte am Morgen realtiv zeitig auf. Die Couch war zum Schlafen ungeeignet, da zu kurz. Ich zog den Boden vor. "Da steht grad einer an Deinem Auto..." Ich sah zum fenster hinunter, aus dem Elften Stockwerdk hat man einen wunderbaren Blick. Allein, es war schlecht zu erkennen, was der Typ da unten machte. "Einbrecher?", fragte ich. "Nö", meinte Hias, "schaut mehr aus wie ein Penner, der stellt sich da hin, weil's aus'm Auspuff schön warm rauskommt..." Wir beobachteten ihn weiter, während ich mich einsatzbereit machte. "Wo geht denn der hin? Was ist denn das für ein Auto..? - Bullen?!", stellte Hias fest. "Ach nein, nicht schon wieder..."Ich ging hinunter, irgendwie stellte der Polizist gleich die Verbindung her. "Ist das ihr Auto?" Ich nickte bejahend. "Wieso läuft das ohne, daß der Schlüssel steckt?" "Weil ich es laufen ließ..." "Das läuft schon seit 8 Uhr 15, mindestens..." "Ja, eigentlich seit noch länger. Ist halt kalt." Er verstand, meinte aber: "Das sieht halt komisch aus. Und was ist in den Kanistern?" "Nix mehr, alle leer...", ich machte sie nacheinander auf. "Was war drin? Benzin?" "Nein, natürlich Diesel..." Er durchsuchte meine Rückbank, fand nichts. Ich fragte ihn, wie ich denn nun weiter verfahren sollte, ob ich den Motor in Zukunft ausmachen soll? "Nun, zumindest sollten sie einen Zettel ins Auto hängen mit einer Nummer, unter der man sie erreichen kann." Ich zog eine beschrieftete Serviette aus dem Auto und zeigte sie ihm. "Ist das OK?" "Ja, perfekt, warum haben sie sie nicht sichtbar aufgehängt. "Mei, ich war gestern noch kurz weg und hab's verplant. Kommt nicht wieder vor." Sie kontrollierten meine Papiere und alles war in bester Ordnung. "Eine Frage noch", sagte ich, als er schon gehen wollte, "kann ich ein Bild haben?" Er meinte, das sei kein Problem, bat seinen Kollegen zum Auto rüberzukommen. Der Kollege gab mir die Hand und beinte "Hi, ich bin Joe, how are you doing?" Irgendeiner hatte sih einfach mit dazugestellt und er schoß ein Bild.

Wayne Police Department.

Solche Sachen werden schätzungsweise des öfteren passieren... Kein Problem, Polizisten sind hierzulande wirklich OK, nicht deutsch, nicht afrikanisch, es geht also, man muß nur wollen.

Wir fuhren auf die Motor Show in Detroit. Lohnt sich, vor allem, weil sich die Karten hinterher wieder verkaufen lassen. Alle wichtigen Marken waren da, aber ich fang nicht ein expeditionstaugliches Fahrzeug. Nicht eines. Da gibt es wohl keinen Markt dafür, nehme ich an... Schade eigentlich. Aber zum ersten Male sah ich einen dieser legendären Maybäche, die ich nur aus Bildern kannte. Tauschen möchte ich zwar sicher nicht, aber es ist nett, anzusehen, womit man so in die Weltgeschichte rollen kann, wenn man das nötige Kleingeld hat.

Maybach 57.

Abends ging es wieder nach Hause zum Essen. Hier auch nichts los am Wochenende. Am Abend mußte ich eine Runde drehen und ging ich hinunter. Ich war gerade dabei, den Mantel auf dem Rücksitz abzulegen, da fragte mich eine Stimme hinter mir, ob das mein Auto sei. Ich dreh mich um und sehr einen Polizisten. "Ja, warum?" Der Motor war ja seit in der früh nicht abgestellt worden, daher dachte ich, jetzt kommt der Anschiß, aber nein: "Da haben gerade zwei Kids versucht, einzubrechen. Wir haben sie geschnappt." "Soll ich weitermachen?", grinste ich ihn an. "Nein, schon OK, aber den Motor sollten sie trotzdem ausmachen, nicht, daß die da Spaßeshalber ein paar Runden mit ihrem Auto drehen..."

Da hatte er wohl recht, möchte ungern meinen lieben Daimler an einem Pfosten hängen sehen. Dreckskinder, da sind mir ja Köter noch lieber, die pissen höchstens an die Reifen, das ist nicht so schlimm. Und Köter darf man überfahren, bei Kindern reagieren die Leute immer so empfindlich. "Wenn sie wenigstens anständige Buben dahergebracht hätten, aber nicht solche Spastis, da..." Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht, ich fühlte von Anfang an, daß die Gegend nicht geheuer war. Das sieht man einfach, da soll einer sagen, was er will, es gibt gewisse Tatsachen, die man nicht dadurch beseitigt, daß man sie nicht hören mag oder sich blindstellt, und wenn sie noch so politisch inkorrekt sind. Was schert mich außerdem politische Korrektheit? Das ist Amerika, hier gibt es noch Freedom of Speech.

Polizei mit den Verdächtigen, eingehüllt in dem aus der Kanalisation aufsteigenden starken Dämpfen.

Am Abend hatte ich ein eMail von Almut abgerufen. Sie erzählte darin, wie es mit ihr weiterging, nachdem wir uns am Flughafen getrennt hatten - "verabschiedet" wäre übertrieben, denn dazu hatten wir nicht mehr die Zeit:

[...] "A propos Abschied, der fiel irgendwie sehr überstürzt aus. Hätte er gar nicht müssen, aber sowas weiß man ja erst hinterher. Ja nun, wie es mir ergangen ist? Es war äußerst unterhaltsam, kann ich da nur sagen. Deswegen im folgenden mein Bericht.

Ich stürmte umwendend vom Auto zum Schalter und legte der Dame meinen Fahrschein vor. Sie fragte, wann der Flug ginge. Ich sagte heiteren Tonfalles, daß das Flugzeug gerade abgeflogen sein sollte. Sie schaute mich mißmutig an und meinte: "You are lucky, the plane is a little bit late due to the weather". Ich erwiderte aus vollem Herzen: "Yes, I am lucky!" Nun, soweit war ich das auch. Das Luck nahm sogar noch zu! Wegen der drängenden Zeit war an die Gepäckaufgabe nicht zu denken. Ich rannte zur Sicherheitskontrolle, legte Mantel und Schuhe hinter Rucksack und Tasche aufs Band und wurde anschließend aufgefordert, die Tasche zu öffnen, da dort irgend etwas drinnen sei. Nun, da waren natürlich alle spitzen und gefährlichen Gegenstände enthalten, die ich nicht im Handgepäck - dem Rucksack - hatte haben wollen. Verdächtig kam ihnen jedoch nur ein Nußknacker vor, den ich für Jowi eingekauft hatte. Es ist ein US-Modell, das sich neben dem eigentlich Knacker durch zwei zahnstocherähliche Metalldinger auszeichnet - zum Nüsse hinausbefördern. In Sekundenschnelle wurde mein Nähwerk vernichtet, und auch das Panzerklebeband mußte daran glauben. Sie betrachteten interessiert den Nußknacker und überließen ihn mir großzügig - versehen mit der Empfehlung, mir doch eine Tasche mit funktionierendem Reißverschluß zuzulegen! Ich rannte weiter und dachte, der Wegbeschreibung zum Gate gefolgt zu sein. Aber meine Beine waren wohl schneller als mein Verstand. Ehe ich es mich versah, war ich wieder draußen! Also nochmal durch die Kontrollen. Dieses Mal fanden sie meine Nagelschere und meine Nagelfeile. Die beiden Taschenmesser und den Hundepfeffer wollten sie wohl nicht sehen in Erwartung von ein wenig 'action'? Keine Ahnung. Ich rannte wieder los - dieses Mal in die richtige Richtung. An Bord hatte ich dann noch ca. 20 Minuten zum Nachdenken über den Sinn und Unsinn des Hetzens. Um 9 Uhr landeten wir in Washington, um 9.50 ging der Anschlußflug. Ein wenig Zeit nahm die Paßkontrolle in Anspruch, und dann waren die großen Entfernungen innerhalb des Flughafens ungünstig. Außerdem - und das ist eindeutig meiner Schußeligkeit geschuldet - rannte ich nicht gleich zum Flugzeugabflugplatz, sondern dachte, mich erst nochmal bei United melden zu müssen. Weit gefehlt. Ein weiterer Fehler war, daß ich beim Ausrufen meines Namens nicht gleich zum Nächstbesten ging und meldete, daß ich so gut wie da bin. Fast am Ziel angekommen kam mir jemand mit einem bedauernden Blick entgegen und meinte, ich hätte fünf (sic!) Minuten eher da sein sollen. Eben seien die Türen geschlossen worden ... Ja ja, so kann es gehen. Ich hatte keine Lust, in irgendein dummes Hotel zu gehen und nahm statt dessen drei Decken und zwei Kopfkissen an und durfte nach Deutschland telefonieren. Also rief ich Wera an und sprach ihr aufs Band, sie möge Ines anrufen und ihr sagen, sie solle doch um 19 Uhr zum Unterricht gehen - Lektion 19 stehe auf dem Lehrplan. Dann legte ich mich schlafen und schlief zwölf Stunden und war gar nicht traurig, noch ein wenig Zeit zu haben. Ich beendete meine Aufzeichnungen und schrieb unsere Ausgaben aufgedröselt auf, so daß ich sie am Wochenende zusammenzählen werde. Abends um 17.30 ging dann der Flug nach Frankfurt am Main, und am nächsten Morgen nach Leipzig. Ach ja, noch in Detroit beim Einsteigen wurde ich von einer Angestellten gefragt, ob ich jemandem 100 Dollar schulde - es sei deswegen nach mir gesucht worden. Ich dachte, ich höre nicht richtig und verneinte natürlich. Erst im Flugzeug sitzend fiel mir ein, daß dies vielleicht die Ticketänderungsgebühr sein könnte, die die Telefondame allerdings nicht erwähnt hatte. Nun ja, bis jetzt hörte ich nichts mehr von den 100 Dollar und werde ja sehen, ob noch etwas kommt.

Ansonsten war alles unspektakulär. Ich fragte mich nur, ob ich nicht doch lieber das Flugzeug in Detroit hätte verpassen sollen. Wir hätten noch Eisessen und ins Casino und ins Kino gehen können. Überall wären wir wahrscheinlich dabei eingeschlafen." [...]

So viel Aufwand also, um am Ende den Flug doch noch zu verpassen. Alles umsonst, aber es zeigt auch nur wieder einmal, daß es gar keinen Sinn hat, zu hetzen. "Wen es soll, erwischt's ja doch", gilt für fast alles. Und den Flug hätte sie eben nicht kriegen sollen, das ist Schicksal, gegen das man nicht ankommt, was man auch tut.

Samstag, 17. Januar 2004
Wir ließen heute den Tag gemütlich angehen, wie es eben unter Studenten so Sitte zu sein scheint. Die rennen sich nicht über den Haufen. In der Früh ging ich hinunter, um das Auto anzuwerfen. Springt nicht mehr mit der gewohnten Leichtigkeit an, es bedarf mehrerer Versuche. Es ist mir nie passiert, daß der Motor wieder ausging, nachdem er einmal lief. Irgendwas stimmt da nicht. Hias saß seit Jahren wieder einmal auf dem Beifahrersitz.

Ich rief Almut an, um zu erfahren, wie alles so läuft. Alles wieder beim alten, dennoch wäre es nicht unrecht gewesen, wenn sie mit nach Kalifornien gefahren wäre, aber was nicht geht, geht eben nicht. Kommt Zeit, kommt Rat.

Als wir dann Stunden später endlich losfuhren, lief er ganz normal. Ich stellte ihn wieder ab. Heute wurden Berichte geschrieben, wenig gefahren. Am Abend wurde noch ein Indischer Student am Flughafen abgeholt, der nach Indien geflogen war, um zu heiraten. Daraus schloß ich, daß er wohl eine Greencard bereits haben muß. Allerdings fuhren wir nicht mit dem Daimler, sondern mit Hias' Escort, da meine Rückbank nur Platz für eine Person bietet.

Das kommt davon, wenn man den Motor über Nacht ausschaltet...
Alles zugeschneit, da muß man dann hinunter, den Motor anmachen (was in letzter Zeit nicht mehr so glatt geht), dann wieder hoch, duschen, fertigmachen, frühstücken, dann kann man wieder hinuntern und alles ist aufgetaut und warm.

Wir kamen zu der Erkenntnis, daß man mit Zitaten aus "Das Boot" durch das ganze Leben kommt. Hier ein Beispiel aus der Praxis: Ich steh im Zimmer mit meiner Montur und dem Gammelpulli, den ich damals von Daniel Dömer in Marokko bekommen hatte. "He, weißt Du, wie lang ich das Hemd schon anhabe?" Hias antwortet nach dem Drehbuch: "Na, seit dem Auslaufen, oder?" "Nee, schon drei Wochen vorher. Hahahaa..." Klar könnte man einfach sagen: "Habt ihr 'ne Waschmaschine?", aber wie klingt denn das? Völlig verkrampft.
Gewaschen wird hier allerdings nicht so, wie man es halt macht, nämlich indem man die Wäsche in den TopLoader haut, Waschpulver hineinkippt und auf Permanent Press stellt, sondern es wird als erstes die helle von der dunklen Wäsche getrennt. Nun, das macht man wohl so, ich habe nicht nach den Gründen gefragt, aber er studiert schließlich und weiß, was er tut. "Richtig sauber machen diese amerikanischen Waschmaschinen natürlich nicht", erklärte er mir, "das ist alles mehr so symbolisch, nä?"
Anschließend kommt das Zeug in den Trockner und es werden der Ladung so Tücher beigegeben. "Was ist denn das Schwules?", fragte ich ganz entsetzt. "Na, das braucht man, damit das Zeug fein riecht. Außerdem lädt sich damit die Wäsche nicht mehr statisch auf." Ist ja pervers... Wenn ich will, daß meine Wäsche fein riecht, dann tunke ich einen Socken in Diesel und leg' den dazu. "Statisch aufladen? Was soll das?" "Ja, mei, da kriegst keinen Schlag mehr... Ist doch klar, stirbst halt nicht mehr beim Wäschezusammenfalten, also, wenn das nicht sinnvoll ist..."
Hias fragte mich, was ich denn für Zeug beim Waschen hätte. Unterwäsche und Socken, Handtuch... und ein Hemd. "OK, weil ich nehm die Hemden und Hosen schon nach zwanzig Minuten heraus und laß sie abhängen, dann schaut das Zeug aus wie gebügelt. Trick..." Seit wann bügeln Männer ihre Klamotten? "Wo hast denn das gelernt? Bei der Bundeswehr? Am Ende ist das wirklich ein Häkelverein für Schwule... Die kriesche uf de Bundesbräuteschule einisches beigebracht..." Hias ist Reserveoffizier, sollte man vielleicht zum allgemeinen Verständnis erwähnen. "Das lernt man bei Muttern..."
Eine halbe Stunde später stapfe ich mit Hias den Gang entlang zurück in die Wohnung. Er hielt eine Hose und drei Hamden im Arm. "Ist da mein Hemd auch dabei?" "Schon..." er sah es sich an und fuhr fort: "Naja... als Du gesagt hast, Du hättest ein Hemd in der Maschine, hab ich halt an ein Hemd gedacht... Das ist zwar eines, aber mehr so ein Hemd Modell 'Fetzen'... Aber jetzt haben wir es schon dabei, gell?" Hinterher sah das Hemd wirklich aus wie ein frisch gebügelter und gestärkter Putzlumpen. Vom Feinsten, die Ärmel zerfetzt, überall Öl- und Rostflecken, aber glatt wie ein Babypopo.

Abends wurde der Epilog fertiggeschrieben. Keine Anstrengungen den ganzen Tag, keine Besonderen Vorkommnisse, und genau so soll es sein, ich wollte schließlich mal entspannen. Das einzige, was ich nicht geregelt bekomme, ist es, vor fünf Uhr in der Früh ins Bett zu kommen.


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