Gammel in Mexiko 2003
Sonntag, 4. Mai

Ich saß noch bis spät abends mit José vor der Rezeption und wir haben uns unterhalten. Pläne geschmiedet, wo es denn hingehen soll. Baja California. Er selbst ist eigentlich aus Acapulco, war aber schon ein wenig unterwegs. USA, Europa, Ägypten, von dort aus mit dem Kamel nach Palästina. Da hat man schon mal keinen Anfänger an Bord. Und der Typ kommt nie aus der Ruhe, immer völlig entspannt, und redet stets so, als würde er gleich einschlafen. Das ist schon mal besser als das Gegenteil. Zeit hat er auch, ihn hätte es vor einigen Jahren hierher verschlagen, denn er wollte seine Ruhe haben. Die hat er jetzt natürlich nicht mehr, denn Playa wächst wie verrückt. Er wohnt auch am Arsch der Welt, in Punta Maroma, in irgendeiner Hütte im Wald. Schlägt sich als Kite-Surf-Lehrer für Touristen durch. Die zahlen nicht schlecht, wie es aussieht. Einen Köter hat er auch, da muß er noch eine Bleibe finden. Gut ist jedenfalls schon mal, daß ihm nicht irgendein Chef im nacken sitzt, daß er also Zeit hat. Und selbst wenn man grundsätzlich bei Einheimischen aufpassen muß, er kennt sich in Mexiko aus, hat es schließlich zu Fuß von Nord nach Süd bereist und daher schon mal als Reiseführer gut zu gebrauchen. Daß er nicht von hier ist, das hört man am Dialekt, ich kann den zwar schlecht einordnen, aber er hört sich definitiv nicht playacarmenitisch an. Keine Ahnung, wie dieser Mischmasch von einem Dialekt zustandekommt, hatte ich noch nie gehört. Die Mutter ist aus Brasilien, der Vater keine Ahnung, er lebt mit Italienern und Franzosen zusammen und redet irgendwas zwischendrin. Es wurde wieder mal spät, bis ich endlich unter mein Moskitonetz kroch.

Als ich aufwachte war es halb Elf. Peter stand gerade in der Rezeption, als ich mich erhob. "Wieso machen die Leut' hier keinen Lärm mehr? Halb Elf..." Peter meinte aber: "Sei doch froh, langsam kommst Du hier an, wirst immer relaxter, das ist doch gut." Na, wenn er das so sah, dann sollte es mir auch recht sein. Ich ging gleich mal hinauf und sah mit den gang an, den ich gestern poliert hatte. Lauter Trapper drinnen! Da muß irgendein Idiot mit seinen Springerstiefeln drübermarschiert sein. Also nochmal von vorn, nur diesmal unter Mittagssonne. Laß laufen, die Soße...

Ich pinselte anschließend den verdammten Gang an, während die Mittagssonne runterknallte, bis ich es aufgab. Ich ging hinunter und orderte was zum Essen. Das übliche Schinken-Käse-Baguette, das immer falsch zusammengestellt wird. Pedro fragte mich, ob es in Ordnung wäre, wenn er mir das morgen bringen würde. "Wieso?" "Weil Sonntags die Küche nun mal geschlossen hat." Richtig, heut war ja Sonntag... "Nein, laß man..." So ein Mist aber auch. Hunger, Durst, Hitze. Ich wollte einfach nur zu meiner Scheibe, sie in den dafür vorgesehenen Rahmen einbauen und weg hier. Weg von dieser ekligen, fauligen Luft, von dieser widerlichen Karibik, von diesem verfluchten Kaff, in dem sich lauter Perverse aufhalten, um sich von der Arbeit zu erholen. Vielleicht ist das für die sogar eine Erholung, ich versteh darunter was anderes. Vielleicht bin ich auch einfach nur zu verwöhnt, kann sein, aber ich gehöre jedenfalls nicht hierher. Und der Benz auch nicht, der gehört auf den Asphalt in die lebendige Natur.


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