Gammel in Mexiko 2003
Montag, 5. Mai

Es kommt mir täglich unsinniger vor, etwas zu schreiben, obwohl nichts passiert. Aber leerstehen kann man die Seite auch nicht lassen.
In Zimmer Nummer zehn wurde der Boden Lackiert. Das war alles, was passierte - nicht besonders spannend, wie man sicher zugeben wird. Ich bekam ein eMail von Anno von Martial, in dem er mir meldete, daß er die Schlösser endlich aufgetrieben hätte. Jetzt mußte ich nur noch feststellen, ob Dennis die Scheibe schon abgeschickt hat. Ich hoffte, daß das noch nicht geschehen sei, denn billiger ist es, wenn alles auf einmal verschickt würde und zusammen hier ankäme.
Es war auch ein eMail von Daniel dabei. Der Daniel, den wir in Marokko getroffen hatten, der mit uns durch die Sahara gefahren war mit seinem 207 bis nach St. Louis / Senegal. Er schrieb aus Bolivien:

"Hallo, wie geht's euch? Wir sind in Potosi in Bolivien auf über 4000m Hoehe. Die Stadt besteht aus kleinen steilen Straßen und Gassen und beim Spazieren bleibt einem die Luft weg. Heute waren wir in den Silberminen, die Potosi vor 400 Jahren zur reichsten Stadt der Welt gemacht haben. War eine wirkliche Zeitreise, denn an den Arbeitsmethoden hat sich seit dem nicht allzuviel gäendert. Durch die Gänge muß man teilweise kriechen und die Arbeiter kauen den ganzen Tag Koka und beten den Teufel als Schutzpatron an um über den Tag zu kommen. Kinderarbeit wird hier zwar nicht mehr so groß geschrieben wie vor eingen Jahren aber es gibt immer noch einige Mineros die gerade mal 10 Jahre alt sind. Zu den Neuerungen im Bergbau zählt heute auch das Dynamit, das man auf dem Markt, neben den Kartoffeln, und fuer den selben Preis kaufen kann. Also das wars erst mal.
Bis bald
Daniel"

Wir waren in Potosí, in der am höchsten gelegenen Stadt der Welt gewesen, und ich habe den Daimler die "kleinen Straßen und Gassen" hochgejagt, bis ihm die Luft wegblieb, wir hatten vor den verdammten Silberminen übernachtet, aber von alledem, was Daniel schreibt, hatten wir nichts gehört und nichts gesehen. Und warum? Nicht etwa deswegen, weil das alles nicht stimmt, im Gegenteil, sondern einfach deswegen, weil wir eben nicht gereist sind, sondern einfach nur Kilometer gefressen haben. Das macht man aber leichter auf argentinischen Straßen, denn auf bolivianischen Schotterpisten in 4.000 Metern Höhe.Bild vom Sonntag, 11. Mai 2003  Immer schnell weiter, schnell zur nächsten "Sehenswürdigkeit", die dann wieder zugunsten der übernächsten ausgelassen wurde. Weitgesteckte Ziele. Das ist reine Idiotie, da ist es wirklich besser, man bleibt daheim, das spart Geld und Zeit. Wenn man keine Zeit hat, dann kann man eben nicht Reisen, höchstens Rasen - auch mit einem 200D.

Dafür haben schlaue Leute den Urlaub erfunden. Der ist für die, die keine Zeit zu reisen haben. Im Nachhinein ärgert mich sowas maßlos. Fünfzig Meter wären es gewesen. Fünfzig beschissene Meter und jetzt trennen mich tausende von Kilometern von Potosí und ich ärgere mich, daß ich mir damals trotz Flug und trotz sterbender Gelenkwelle, nicht ein paar Stunden Zeit einfach genommen hatte.

Ich beschloß, das fortan zu ändern, und zwar grundlegend. Ich habe nichts zu verlieren und daher viel Zeit, das Auto hat ebenso Zeit, sonst wäre es kein 200D geworden, sondern ein FIAT. Und wer in Zukunft mitfahren will, hat sich gefälligst anzupassen und Zeit zu haben. Daß das möglich ist, beweist eine Almut, die zwar immer was um die Ohren hat wie kaum ein anderer, aber eben auch dazu in der Lage ist, sich Zeit zu verschaffen.

Die Alternative bietet die TUI, Neckermann, Quelle und wie sie alle heißen. Wer feste Termine hat und trotzdem was vom Land sehen möchte, wende sich an Rotel-Tours. Man zahlt, steigt ein, lehnt sich zurück und genießt die Fahrt. Alles schön von Profis durchgeplant, keine kaputten Gelenkwellen, keine unvorhergesehenen Aufenthalte, keinen Ärger und man ist pünktlich wieder zum Malochen daheim.

Es ist zwar richtig, daß ich überhaupt nicht in Bolivien gewesen wäre, wenn sich Gabi damals nicht zu Besuch angemeldet hätte, das wäre aber, im Nachhinein weit weniger ärgerlich, als dort gewesen zu sein, und außer ein paar Klamottenläden und die schöne Landschaft, nicht viel gesehen zu haben.
Abends kam noch José vorbei, zeigte mir stolz seinen neuen Paß und meldete, er sei zur Abfahrt fertig, der Rucksack sei gepackt, das Auto zwar noch nicht verkauft, was aber kein Hindernis sei. Er hätte einen potentiellen Käufer, aber der will nicht so viel zahlen, wie José gerne haben möchte. Es ist ein Käfer, Baujahr 98, Cabrio. Aber falls es morgen losgehen soll, so sei er bereit. Wie gehabt: Alles wartet auf den Besold. Und der wartet auf bessere Zeiten. Den alten Paß hatte José auch dabei. Da waren unter anderem auch israelische Stempel drin und ein Dauervisum für die USA. Das könnte ganz gut sein, wenn es an die Einreise geht. Aber noch war es noch lange nicht soweit. Der Plan sieht vor, daß wir die Pazifikküste entlangfahren, Richtung Baja California. Er hätte hier und da seine Anlaufstellen, um die Reisekasse zu schonen. Das war schon mal gut, wenn das klappen würde. Wenn nicht? Wir werden sehen... Das einzige, was an dem Plan sicher ist, ist, daß nichts sicher ist.


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