Gammel in Mexiko 2003
Montag, 28. April

Als ich herauskam, das Mosquitonetz und die Isomatte ins Auto zu räumen, saß Darius beim Frühstück. Den hatte ich im Oktober beim Supermarkt getroffen, besser gesagt, er mich. Er hatte mein Kennzeichen gesehen. Er lebt seit einigen jahren in Playa und fährt einen weißen VW-Bus mit weilheimer Kennzeichen. Es saß auch ein Amerikaner am Tisch, der ebenfalls hier lebt. Wir unterhielten uns und kamen natürlich auf meine Scheibe zu sprechen. Das geht nicht anders, denn sie ist schließlich der Grund, warum es nicht weitergeht. Weg aus diesem mörderischen Klima, nach Nord, nach Süd, egal, nur weg, und das möglichst schnell. Ich meinte, die sei schon unterwegs. Darius fragte mich: "Wie denn mit DHL oder mit UPS?" Ich zuckte mit den Schultern: "Mit der Post, glaub ich... Wieso?" Da lacht er und meint, ob ich also vorhätte, länger in Play zu bleiben. Ich verstand nicht ganz."Tja", sagt er, "wenn das Teil überhaupt ankommt, dann kann das schon mal bis November dauern. Das braucht von Deutschland hierher zwei Tage und die restliche Zeit liegt es irgendwo hier rum. Wenn Du Glück hast, ist es irgendwann in Cancún, da kannst Du es vielleicht abholen..." Nicht auch das noch, wenn es nicht so unhöflich wäre, hätt ich gern mein gerade gegessenes Baguette quer über den Tisch gespieben. Also, eMail an Dennis und mal nachfragen, vielleicht liegt das Teil ja noch irgendwo in seinem Machtbereich, dann ginge noch was. Nach dem Frühstück gingen wir los und machten uns an die Arbeit.

Darius in seinem VW-Bus, dahinter die Polizei.

Ich stand auf und machte mich an die Arbeit. Wieder mal ein Tag wie jeder andere. Boden schleifen, Tür streichen, Lampen auswechseln, das alles bei 100% Luftfeuchte. Wie lang der Mensch das wohl bei guter Laune mitmacht? Wenn man wenigstens mobil wäre und ins kühle Gebirge fahren könnte...

Im Zimmer elf mußte der Boden gereinigt werden. Ich nahm einen Liter Säure, einen Liter Chlor und schüttete das in einen Eimer. Es sprudelte und brutzelte, daß es eine wahre Pracht war. Das Gemisch beruhigte sich erst wieder, als ich acht Liter Wasser hineinlaufen ließ. Die Putzfrau kam und meinte, ich solle das nicht machen, das explodiert. "Na, so schlimm wird es schon nicht werden", beruhigte ich sie, aber sie ließ nicht ab. "Nein, laß das, kannst nicht machen, Du bringst Dich um. Entweder Chlor oder Säure, aber nicht beides. Da gehen Deine Augen kaputt." Schön sah das Zeug wahrlich nicht aus, wie es so vor sich hindampfte, obwohl hier eigentlich nichts mehr dampfen dürfte. Ich setzte meine Sonnenbrille auf, beruhigte sie und meinte, daß wir alle eines Tages sterben müssen, und daß das bei dem Klima hier eigentlich gar nicht das Dümmste wäre, das man machen könnte. Ich ging hinauf, schüttete das Gebräu auf den Boden und fing an zu schrubben. Mir begannen sofort die Augen zu tränen, der Atem stockte. Ich rannte hustend hinaus, sah die Putzfrau an und sagte, als ich wieder einen zusammenhängenden Satz herausbrachte: "Aber es ist nichts explodiert".

Fenster hatte das Zimmer keine, also machte ich alle Ventilatoren an. Das Zeug kann nicht ewig da liegen bleiben, sonst ätzt es den Boden kaputt, also immer erst draußen einatmen, Luft anhalten, rein, schrubben, raus, neue Luft holen usw. Das artet natürlich in Gerenne aus, man ist klatschnaß und kann die Luft nicht mehr lange anhalten. Ein Eimer Wasser nach dem anderen wurde ins Zimmer gellert, in der Hoffnung, das Zeug zu verdünnen. Wenigstens sah der Boden hinterher einigermaßen aus, man selbst allerdings dafür umso desolater. Ich konnte förmlich spüren, wie sich meine Lunge mit Eiter füllte, ich einen ganz rauhen Hals bekam und dauernd am husten war. Mit Chlor ist nicht zu spaßen, das wußten sie schon 1915, aber es gibt Leute, die müssen eben bis Mexiko fahren, um gewisse Sachen zu kapieren. Aber man lernt dazu, Reisen bildet schließlich.

Bei der Arbeit, wie stets: Schwach angefangen, dafür stark nachgelassen. Es geht einfach nicht, ich kann hier nicht mit normaler Geschwindigkeit arbeiten, will ich nicht als Pfütze im Innenhof enden. Pedro schenkte mir sein Mittagessen, er meinte, er wäre zu dick und außerdem wäre es zu heiß zum Essen. Das war seit dem Spaghettiabend meine erste vollwertige Mahlzeit: Bohnen mit Reis, Gulasch und Kartoffeln. Der Hunger ist der beste Koch, in Brasilien würde ich sowas nicht anrühren...
Ich traf im Laden einen Portugiesen. Erst hielt ich ihn für einen Ami, weil er ein texanisches Kennzeichen hatte, aber er hatte das Auto in den USA gekauft und lebt nun hier, fährt eben mit texanischem Kennzeichen rum, um keine Steuern zu zahlen. Kommt wohl in der Zona Libre öfter vor.

Ab und zu zu Eikka rübergestiefelt, auch, wenn dieser nicht da war. Dort ist eine Klima und da kann man erst mal abkühlen und trocknen. Erst heute fiel mir auf, daß sich in dem Laden nicht nur Eikkas Büro, sondern auch das Café Che befindet. Sieht sehr nett aus.
Sobald es dunkel wird ist Feierabend, dann setzt man sich vor der Rezeption an den Rechner und tippt bis tief in die Nacht. Das sind die angenehmsten Stunden des Tages. Heute war es nicht anders.


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