Panamericana-Tour 2002
Sonntag, 29. September

Um 9:20 Uhr lief der Diesel schon wieder, und zwar in Richtung Grenze. Weit war es nicht mehr. Vierzig Minuten später waren wir dort. Es war eine relativ kleine Grenzanlage. Wenig Betrieb und überschaubar. Und in diesen Morgenstunden sowieso. Keine Standard-Prozedur: Einreise: Erst Immigration, dann Zoll. Ausreise: Erst Zoll, dann Immigration. Das ist das einzige, was an alles Grenzen gleich ist. Ansonsten ist jede Grenze anders. Ich bekam vom Zoll einen weiteren großen Stempel in den Paß, allein für das Auto. Anderthalb Seiten allein für Honduras. In dieser Gegend hier sind die Stempel fast schon größer als die Länder. Mit dem Stempel im Paß ging ich dann zur Immigration. Dort saß ein Typ drin im weißen Polohemd. Der sah sich die Pässe durch, suchte die Seite mit den honduresischen Stempeln heraus und stempelte ab. Dann legte er mir die Pässe hin und verlangte 10 US$. Ich hatte meine Pässe schon in der Hand und die Stempel waren schon drin. Der macht doch was falsch... Was hatte er nun für ein Druckmittel? "10 US$? Für was denn?", wollte ich wissen. "Ausreisegebühr!", sagte er ganz selbstverständlich. Der spielt verkehrt. Das kann nicht funktionieren. Erst muß er mich nach dem Geld fragen, dann zahle / diskutiere ich und erst dann kann er die Stempel in den Paß hauen. Der hatte das Prinzip nicht kapiert und alle seine Karten aus der Hand gegeben. "Tut mir Leid. Ich habe kein Geld zu verschenken. Danke für das Angebot, aber ich glaube, ich zahle nichts." Ich lächelte freundlich und verabschiedete mich mit "Schönen Tag noch." Da erhob er sich an seinem Tisch, um näher an das Fenster zu kommen und sagte: "Wenn Du nicht zahlst, bleibt die Schranke unten!" Die Schranke war sein Druckmittel. "Der ist ja süß", dachte ich mir und mußte lächeln. Eigentlich tat er mir ein bißchen Leid. Das war ja ein blutiger Anfänger ohne den Hauch einer Chance. Ich setzte mich ins Auto und fuhr genau vor die Schranke. Hier wäre es beispielsweise sinnvoll, den Motor anzulassen. So ruhig er klingt, er verbreitet ein unterschwelliges Gefühl der Hektik. Einfach weil irgendjemand in der Umgebung geschäftig ist, sonst würde der Motor ja nicht laufen. Aber das funktionierte nicht. Gabi erlaubt das nicht. Wegen Umweltverschmutzung. Vor wenigen Kilometern waren wir an einem See vorbeigefahren, der aussah als trieben darinnen Eisberge. Es war irgendein Industrieschaum. Aber die drei Rußpartikel, die der Diesel ausstößt, die sind schon wesentlich gefährlicher. Was wenn die ein Kleinkind verschluckt? Das wäre ganz entsetzlich. So stellte ich mich also mit abgestelltem Motor vor die Schranke und wartete. Bald darauf kam ein älterer Mann ans Auto. Hell-Dunkelblau gestreiftes Polohemd, Tennis-Shorts und Turnschuhe. Statt eines Tennisschlägers hielt er einen Gehstock in der Hand. "Seid ihr aus Deutschland?", fragte er mit einem ostischen Akzent. "Ja. Und sie? Sind Sie aus Schlesien?", fragte ich naseweis. "Nein, ich bin aus Tschechoslowakei", sagte er, "aber mein Name ist Wattenberg." Sudetendeutscher. Schon seit vielen Jahren in Honduras. Ich stieg aus, unterhielt mich ein bißchen mit ihm.

Als ich wieder ins Auto kam, zog ein Buch hervor und begann zu lesen. "Was ist jetzt?", fragte Gabi. "Jetzt warten wir, bis sie die Schranke aufmachen", antwortete ich, ohne die Augen vom Buch zu nehmen. Dann war kurz Pause. "Und wann machen die das?", nervte sie erneut. "Wenn sie merken, daß ich nicht bezahlen werde..." Da regte sie sich auf. Was denn hier schon wieder bezahlt werden muß, was der Dreck soll? "Ja, so ist es halt. Ausreisegebühr! Fett! Der Typ will einfach zehn Dollar, ich will nicht bezahlen, das mache ich ihm nun Stufe für Stufe klar", versuchte ich zu erklären. Aber vergiß es einfach, sagte ich mich schon im nächsten Augenblick. Ich stieg einfach aus und ging zu dem Typen. "Alter, komm jetzt. Geh zu, mach die Schranke auf", sagte ich zum ihm und der Ton kam mir schon fast väterlich vor. "Wenn Du nicht bezahlst, dann mach ich sie nicht hoch. Und heute ist Sonntag. Normalerweise müßte ich 15 US$ verlangen. Wenn Du mir Acht Dollar gibst, kannst Du ausreisen." Er ist im Preis heruntergegangen. Und das nach nicht mal zwei Minuten. Mit diesem vermeintlichen Erfolg ging ich zurück zum Auto. "So, jetzt sind wir schon bei Acht Dollar. Noch ein paar Minuten. Und spätestens wenn der erste LKW hiersteht können wir weiter. Wir haben es ja nicht eilig, oder?" Die Hoffnung, daß ich damit bei Gabi weitergekommen war zerschlug sich sofort mit dem nächsten Satz. "Was heißt eilig? Den ganzen Tag hierzuhocken hab ich halt auch keinen Bock..." War klar. Hätte ich eigentlich wissen müssen. "Frag ich mich eh: Wie willsch dem das klarmachen?", fing sie an, "Der läßt uns hier stehen bis wir schwarz werden." Nein. Kann er nicht. Wir haben die Ausreisestempel schon. Wenn er mir wirklich blöd kommt, drohe ich ihm damit, daß ich die Diplomaten einschalte, Freiheitsberaubung, Blabla, und in zwei Sekunden ist die Schranke oben. Der Typ checkt es nicht, wie das Spielchen funktioniert. Aber sie checkte es noch weniger: "Was soll die Botschaft machen? Mensch die kommen hier an und ändern die Gesetze in Honduras?", was ihre schlaue Einlassung. Ich gab mich geschlagen. Wie soll ich ihr begreiflich machen, daß es sich nicht um ein Gesetz handelt, sondern um reine Willkür. Zwar versuchte ich es, aber es kam nicht an. Was ist das für ein Raster, das sie anwendet? "Uniform = Gesetz = Hinterfragt man nicht" - Nein. Ist zu kompliziert.

Noch bevor ich losgehen konnte, kam er selbst ans Auto und sagte: Dann gib mir wenigstens fünf Dollar, damit ich mir was zum Essen kaufen kann. "Da!", sagte ich, und gab sie ihm. Erstens war es nicht meines, zweitens tat mir der Typ jetzt leid. Er machte die Schranke hoch und wir fuhren durch. "Was ich nicht versteh: Wie kann der im Preis von 15 auf 10, dann auf 8 und jetzt auf 5 runtergehen. Entweder es ist Sonntag und er verlangt 15 Dollar, oder nicht, dann nicht. Aber wo gibt es denn sowas, daß da jeder selber verhandeln kann? Also an die Botschaft von Honduras werde ich einen Brief schreiben!" Die ist so bescheuert... Aber ich ließ sie in dem Glauben, daß das eine gute Idde sei. "Halt die Schnauze, genieß die Landschaft und laß mich machen, wenn Du schon zu blöd bist", wäre eigentlich die richtige Ansage gewesen. Aber die ist dann nur beleidigt und kapiert nicht im Ansatz, worum es geht, geschweige denn, was sie falsch gemacht hat. Die macht doch nichts falsch.

Wenn es nur nicht so nervig wäre... Immer dieser oberschlaue Unterton, als wäre man selber der größte Depp. Und gerade von jemandem, der an keiner Grenze sich überhaupt die Mühe gemacht hat, ein einziges mal aus dem Auto auszusteigen, dann aber mir erklären zu wollen, wie ich eine Grenze zu nehmen habe. Das ist die neunzehnte Grenzproblem. Und sie kapiert es immer noch nicht. Cat ist wenigstens immer mit ausgestiegen, wollte sehen, wie das funktioniert, hat ab und zu echt gute Ideen mit eingebracht. Aber sie konnte gar nichts - außer recht gescheit daherreden... Eine, die sich für besonders schlau hält und immer wieder betont, daß sie nicht dumm ist, aber die gleichzeitig den Sinn einer Unterschrift schon nicht versteht, und zwar nicht im Ansatz. Aber sagen läßt sie sich auch nichts. Auch wenn die Situation so offensichtlich ist wie eben, auch dann dringt es nicht durch. Sie kapiert es einfach nicht. Errare humanum es, perseverare diabolicum.

In einem Restaurant zwischen in der Umgebund von Los AmatesUm zehn Uhr reisten wir aus Honduras aus. Bis zur gualtemalesischen Grenze war es nicht weit. Ich war überrascht darüber, daß die Halle so riesig war. Noch mehr war ich darüber überrascht, daß die kein Eintrittsgeld haben wollten. Ich bekam meinen Stempel und ging anschließend zum Zoll, um die Schreiberei für das Auto zu erledigen. Zwar machten die mir auch einen riesigen Stempel in den Paß, aber füllten ihn nicht aus. In die andere Hand bekam ich einen Bündel Papiere. Hier aufüllen, da anstellen, das abstempeln, da warten. Das gleiche wie überall, nur ganz anders. Um 12:15 Uhr war die Einreise vollzogen. Guatemala war erstaunlich billig. Das merkte man schon beim ersten Tanken.

Wir fuhren in das Landesinnere. Die einzige Sehenswürdigkeit, die auf dem Plan stand war Tikal. Die Ruinen irgendeiner Mayastätte. Die würden wir aber heute nicht erreichen, und verschoben es daher auf morgen. In Zacapa machten wir um zwei Uhr Nachmittags eine Pause (km 757.011). Zunächst mußten wir Geld wechseln. Ich wechselte nicht, da wir nicht lange genug hier im Lande bleiben würden. Dann suchten wir nach Essen und Internet. Ich versuchte es so zu gestalten, daß ich nicht zusammen mit Gabi im Restaurant bzw. Internetcafé saß. Während also Gabi ins Internetcafé ging, ging ich ins Restaurant. Nach einer halben Stunde wollten wir tauschen. Das klappte allerdings nur bedingt, da die Stunde rum war, als Gabi mit Internet fertig war. Somit fiel Internet für mich aus. Zwar hätte ich nochmal losziehen können und meine Schwarzkasse einzusetzen versuchen, aber ich sah davon ab. Erstens müßte ich dann erklären, wo ich Geld herhatte, zweitens hätte ich wechseln müssen, drittens verschlingt Gabi eine Rinderhälfte innerhalb weniger Sekunden. Es hätte von der Zeit her gar nicht gelangt.

Wir fuhren weiter an einem Fluß entlang. Nach Sonnenuntergang hielten wir an der Straße um etwas zu Abend zu essen. Es war ein einfaches Restaurant. Ein Raum, ein paar Stühle, sogar aus Holz, Ofen, Kühlschrank, Waschbecken, und eine alte Frau saß darin und kochte was man gerne haben wollte, solange sie das Material dafür dahatte. Nach dem Essen war es schon dunkel und wir fuhren noch ein paar Stunden. Im Hotel Continental in Santa Elena, einem kleinen Kaff an der CA9 kehrten wir schließlich ein. Um 21:30 Uhr (km 757.368) war Feierabend.


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