Fahrt nach Feuerland
Sonntag, 6. Januar 2002

Am Morgen sahen wir, daß es wirklich ein herrlicher Nachtplatz gewesen war, den wir da erwischt hatten. Der Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, daß es nach Diesel roch. Nur weiß ich eben aus Erfahrung, daß irgendetwas nicht stimmt, wenn es nach Diesel riecht. Und so war es dann natürlich auch. Die Kraftstoffleitung hatte ein kleines Leck. Ich legte mich unter das Auto und machte mich an die Arbeit. Was tut man in so einem Fall denn am dümmsten? Almut und Ines gingen nacheinander schon mal zu Fuß voraus, nachdem ich ihnen versichert hatte, daß der Schaden mit Bordmitteln zu beheben war und daß ich das auch tun würde. "Ich hol Euch dann schon ein". So lahm ist der alte 200D dann auch wieder nicht.

Es war fünf vor halb Acht, als erst Almut, dann Ines die Stellung verließen. Irgendwie muß die Leitung von außen durchgerostet sein. Ich probierte es erst mir Kerzenwachs, aber das half nichts. Ich erinnerte mich, daß Daniel in Mauretanien mit seinem 207er einmal aufgeschlagen war und sein Tank zu lecken begonnte. Er hat es damals mit einem Reifenschlauch und Seife wieder repariert, also suchte ich ein Stück Seife und machte mich ans Werk. Immer schön feste aufdrücken und mit einem trockenen Tuch die übarflüssigen Seifenreste wegwischen. irgendwann hatte ich das Leck gestopft und die Leitung war außen trocken, so daß ich mit dem Isolierband eine zusätzliche Sicherung anbringen konnte. Das mußte halten, aber es kam kein Diesel mehr aus der Leitung. Ich packte zusammen, was noch zu packen war, schlief noch eine Runde und fuhr dann los. Auf halbem Wege kam mir eine Blondine mit schwarzem Pullover entgegengelaufen. Ich stoppte, denn es war Ines. "He, Frollein, Sie laufen in die falsche Richtung!" Sie hatte sich gedacht, daß etwas nicht stimmte und wollte gerade zurück zur Stellung, mal nachsehen, was passiert sei. "Wo ist Almut?" Das wußte sie nicht genau, aber "irgendwo da vorne". Irgendwann holten wir sie natürlich ein, sie war seit ganau vier Stunden unterwegs. Die Alte hatte fast die ganze Strecke von 27 Kilometern bereits zurückgelegt - einfach so, als wäre das notwendig. Es ist doch ein Auto da, also manchmal versteh ich einfach die Leute nicht. So was unvernünftiges, die Energie könnte man glatt für etwas Sinnvolles aufwenden. Sie war jedenfalls sicher mal ein hyperaktives Kind. Jedes Auto, das an ihr vorbeifuhr fragte natürlich nach, ob sie Hilfe bräuchte. Allein der Umstand, wie ich die beiden damals kennenlernte, nämlich allein unterwegs in Libyen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, läßt keine Fragen offen: Die sind so, denen kann man nicht helfen.

Die wollten sieben Dollar als Eintritt haben, insgesamt also 21. Soviel hatten wir in bar gar nicht mehr da und Almut verzichtete freiwillig darauf. Sie schnappte sich eine Decke und verschwand in der Pampa mit ihrem Buch. Ines und ich fuhren hinein in den Nationalpark. Als erstes sahen wir einen plattgefahrenen Pinguin. Der war fast einen Quadratmeter groß, was sehr praktisch ist, den kann man sich ganz genau ansehen, ohne daß er wegläuft. Aber auch die lebendigen Pinguine nahmen zu, als wir auf dem Parkplatz ankamen, waren lauter lebendige Pinguine unterwegs und watschelten hin und her. Ein geschäftiges Treiben und keiner konnte wirklich sagen, wohin diese Viecher mit wichtiger Miene unterwegs waren.

Ein Magellan-Pinguin.

Als wir nach der Besichtigung herauskamen, sprach uns der Wärter an. Er hätte in der früh ein Mädchen bei uns am Auto gesehen, wo die denn hinsei, erst wäre sie bei uns im Auto gesessen und dann wären wir nur zu zweit hineingegangen. "Ja, wir hatten nicht mehr genug Bares." Da schaut er mich ganz unverständnisvoll an und meint: "So ein Blödsinn ihr könnt doch nicht bis hierher fahren und sie sieht dann nichts, sondern setzt sich irgendwo aufs Feld. Hättet ihr doch nur was gesagt, die hätte ich schon hineingelassen." Kein Problem... "Gilt das Angebot immer noch? Dann hol' ich sie und wir fahren wieder hinein." "Ja, klar, natürlich geht das."
Wir lasen Almut wieder auf und ich erklärte, daß der Wärter für sie einen freien Eintritt klargemacht hätte, aber es stellte sich heraus, daß sie die ganze Zeit mitten unter Pinguinen gesessen hatte und die können nicht recht viel anderes aussehen, als die innerhalb des Nationalparks. Typisch Almut. "Aber wir haben auch plattgefahrene Pinguine gesehen, Du nicht", sagte ich, immer bemüht, das letzte Wort zu behalten.

Weiter ging es, zurück auf die Ruta, aber diesmal nicht über den selben Weg, auf dem wir gekommen waren, sondern auf einem anderen, der uns einige hundert Kilometer weiter nördlich auf die Ruta führen sollte. Natürlich war auch dieser nicht asphaltiert. Den Rest des Tages verbrachten wir hauptsächlich damit, weiter in den Norden vorzudringen. Einmal hielten wir an, um zu tanken und einmal, um mal wieder zu duschen. Feine Tankstelle sind das hier unten. "Duschen" ist eigentlich untertrieben, es waren regelrechte Badezimmer, größer als daheim und sehr gediegen. Abgesehen davon blieben wir im Auto.

Über drei Jahre ist es her, daß wir zuletzt in dieser Besetzung in diesem Auto saßen und durch die Fremde fuhren. Gesprächsthema war Libyen. "Libyen scheint es Dir irgendwie angetan zu haben", meinte Ines. Natürlich hat es das. Das waren noch Zeiten gewesen...
Wir fuhren bis um halb ein Uhr Nachts auf gutem Asphalt, vorbei an San Antonio Oueste. Die Vegetation nahm wieder zu, es wurde wieder früher dunkel und dadurch schwieriger, einen Nachtplatz zu finden. An einer Stelle konnte man die Straße ein gutes Stück verlassen. Wir fuhren ab und stellten uns in etwa 50 Meter Entfernung zu einem kleinen Häuschen auf dem Feld ab. Der Motor schwieg und schweigend war auch der Befehl zum Absitzen ergangen, da erscholl eine Stimme. Hab kein Wort verstanden, war zu weit weg, aber ich wollte nicht wissen wie die zu einer solch gruseligen Stimme gehörende Kreatur erst aussehen muß. Aufsitzen und weiterfahren.

Ein Stück weiter versuchten wir es erneut und diesmal durften wir hier wohl sein. Da standen wir südlich von Viedma an einer Feldwegeinbuchtung nahe einer Estáncia (S 40° 44,158 / W 64° 03,480) und kochten erst Nudeln, dann Ei und anschließend Glühwein und ergötzten uns am wunderschönen Sternenhimmel, aus den Bordlautsprechern klang die alte Scheibe "Wunschkonzert für die Wehrmacht" mit den uralten Schlagern. Rudi Schurike sang "Heimat Deine Sterne", Rosita Serrano "Roter Mohn" und Malitta Klepac "Ich hab heut Nacht den alten Mond gefragt". Wie damals in Afrika, man könnte glatt wehmütig werden. Genau wie damals in Marokko, wir lagen neben dem Auto, rauchten eine Cigarette, leis' die alten Schlager klangen und über uns der kristallklare Sternenhimmel. Man könnte sich vorkommen wie der König der Welt vorkommen. Aber damals war die Reise gerade am Beginn, hier war sie sogut wie zu Ende, das war es, was dem ganzen einen bittersüßen Beigeschmack verlieh". Wir ließen uns den Wein schmecken. "Wenn die Landsknecht trinken, sitzen sie im Klumpen, wenn die Sternlein blinken, schwingen sie die Humpen..."

Bald würden wir den Sternenhimmel so schön nicht mehr sehen können. Und irgendwie haben wir es auf der ganzen Reise nicht fertiggebracht, das Kreuz des Südens auszumachen. Wahrscheinlich haben wir es jeden Abend gesehen und es einfach nur nicht erkannt, aber andererseits kenne ich es mittlerweile zu genau, um es einfach zu übersehen. Nur, wer weiß, wo es in diesen Breiten zu suchen ist. In Brasilien steht es immer recht hoch am Himmel und ich hatte keinen blassen Schimmer, ob es hier unten tiefer oder höher steht. Meiner Theorie nach natürlich höher, sonst wäre es ja nicht das Kreuz des Südens, aber ist eben nur eine Theorie und meine darzu, also so nichtssagend, wie nur etwas. Jedenfalls gelingt es mir, die Kilometerleistung immer weiter zu drücken, heute nur 561 km. Aber helfen wird es wohl nichts.


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