Südamerikatour 2001
Montag, 23. Juli

Richtig spassig war es dagegen dann am Flughafen von São Paulo. Da ich nämlich mit lädiertem Bein und somit auch mit Krücken unterwegs war, erwartete mich direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug, ein freundlicher Brasilianer mit einem Rollstuhl, der mich nicht nur quer durch den Flughafen kutschierte, sondern auch noch das lustige "finde-unter-30-gleichen-Samsonite-Koffern-heraus-welcher-Deiner-ist-Spiel" mit mir spielte und mich zudem gekonnt an den Megawarteschlangen an der Immigration und dem Zoll vorbeibugsierte. Werde in Erwägung ziehen ab sofort immer mit Krücken zu verreisen...
Die zweite, sehr positive Überraschung des Tages war dann, daß es der Besold tatsächlich einigermaßen pünktlich zum Flughafen geschafft hatte - nur eine Stunde Verspätung - um mich abzuholen und daß... ja, wie soll ich sagen?, ich sein neues Styling, das leicht an Che Guevara erinnert, nicht gerade unoriginell finde, jedenfalls relaxter als früher... auch wenn ich vielleicht die einzige bin die das findet.

Als nächstes erhielt ich jedenfalls am Kassenhäuschen des Flughafenparkplatzes erstmal einen kleinen Einführungskurs in englischer Sprache:
Besold: "Do you accept dollars?"
Dame im Kassenhäuschen: "Do you speak english?"
Besold: "Yes! Äh... DO YOU ACCEPT US-DOLLAR?"
Dame im Kassenhäuschen: "Ahhhh!!! Dollar!!! Äh... no... no dollar..."

Also wieder zurück und 10 US-Dollar zu einem mehr als unverschämten Kurs an der Wechselstube gewechselt, dann wieder zurück zum Schalter und in Mickymaus bezahlt.

Wie ich im weiteren Verlauf der Reise feststellen sollte, konnte diese Lady für brasilianische Verhältnisse noch richtig gut Englisch und könnte auf Nachfrage wahrscheinlich sogar ein Englischkursabschlusszertifikat einer brasilianischen Sprachenschule vorweisen, die es hier wie Sand am Meer gibt. Aber wozu auch Fremdsprachen lernen, wo doch die Brasilianer - nach Ansicht einiger - die wichtigste und vor allem schwierigste Sprache zur Muttersprache haben. Aber ich schweife ab...
Auf den Englischkurs folgte dann mangels Umgehungsstraßen eine schier endlose Fahrt durch São Paulo - inklusive Verfahren, was bei der tollen Ausschilderung jedoch nicht wirklich verwunderlich ist. Aber, macht ja nix, man ist ja im Urlaub und so bekam ich wenigstens gleich mal einen Eindruck von der (im wahrsten Sinne des Wortes) unglaublichen Originalität der Brasilianer.
Auf unserer Fahrt kamen wir nämlich auch gleich an der einen oder anderen, am Stadtrand von São Paulo gelegenen Favela vorbei. Ich muß noch vorausschicken, daß ich mir ja vor meiner Abreise schon ein paar Gedanken darüber gemacht hatte, wie ich wohl als Touri mit der Armut vieler Menschen hier klar käme, mit der ich wohl zwangsläufig auch konfrontiert würde. Umso mehr überraschte mich nun eben der - wie ich meine - recht "originelle" Umgang der Brasilianer mit diesem Thema...
Favela-Bewohner sind nämlich nicht - wie fälschlicher Weise häufig angenommen - vom Massenkonsum völlig ausgeschlossen, sondern sie sind vielmehr Besitzer von Flächen die "großartig" zu Werbezwecken eingesetzt werden können... es ergibt sich hieraus etwa folgendes irrwitziges Bild:
Favela X wird von einer riesigen Coca-Cola Neonreklametafel, die natürlich mitten rein gebaut und wesentlich höher als alle Häuser ist, in ein sehr "romantisches" rot getaucht... oder die Bewohner der Favela Y haben bei jedem Schritt den sie tun, ein riesiges Plakat mit der Aufschrift: Sunshine Hotels plus die dazu passende Bebilderung vor der Nase... Nun, ja... also wenn's nichtmal die Brasilianer selber checken, daß da was nicht stimmt, brauch ich mir da als Touri wohl keine großen Gedanken mehr zu machen.

An der zweiten Mautstation angekommen, war uns inzwischen das brasilianische Geld ausgegangen. Es gelten die gleichen Regeln, wie in Afrika: Entweder man hat Zeit, oder man hat Geld. Wir hatten Geld, die Gebühr betrug 5,40 R$ und ich hielt der Dame drei Real vierzig und zwei Dollarnoten hin, was zusammen den Betrag von etwa 8,40 R$ ergab. Nein, wollte sie nicht. "Der Dollar ist für uns nichts wert" - "deshalb sieht es hier ja auch so aus..." ergänzte ich, allerdings auf Deutsch - ich verlerne das Portugiesisch mit einem Schlag beim Umgang mit Leuten, die Geld haben oder Streß machen wollen, das habe ich in Afrika gelernt und es funktioniert auch hier vorzüglich. Es überraschte mich unangenehm, als ich hörte, daß man sich an dieser Mautstation meiner erinnerte. Ich hatte im vergangenen November diese Mautstation passiert, bezahlt, und war der Beschilderung nach Campinas gefolgt. Einige Minuten später stand ich wieder an der selben Station und weigerte mich natürlich, doppelt zu bezahlen. Das wußten sie noch - das Auto ist einfach zu auffällig - und ließen sich auf nichts ein. Also tauschte ich die zwei Dollar bei einem LKW-Fahrer, denn die sind ja nicht so blöd wie die Maut-Tösen und wollen lieber harte Dollar in der Tasche haben, und zahlte die 5,40 R$. Merke: Ein Dollar ist immer ein Dollar, aber nur der Teufel weiß, was der Real morgen noch wert ist...
Bis Campinas mußte sich Gabi einen Vortrag darüber anhören, was in diesem Land sonst noch alles nicht funktioniert. Das aber nur, weil ich in Plapperlaune war, ansonsten hätte ich ihr nämlich einen Vortrag darüber gehalten, was in Brasilien alles prima funktioniert und somit die ganze restliche Fahrt geschwiegen.
Ein mobiler Stand für frischgepreßten Zuckerrohrsaft.


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