Afrika 2000
Zweite Etappe
Dienstag, 5. September

Kilometerstand bei Abfahrt in Dakhla: 641.542 km

Nun begann die zweite Etappe. Die Pässe wurden eingezogen und ein Fahrzeug nach dem anderen verließ dann den Sammelplatz. Nun frisch, Kameraden, Große Fahrt Voraus und hinein in die Sandschlacht! Alle Anspannung war verschwunden. Wir waren nicht alleine, wäre ja gelacht, wenn wir das nicht hinkriegten. Der Konvoi zog sich schon bei der Abfahrt kilometerweit in die Länge und wenige Kilometer nach Dakhla stand der erste am Straßenrand mit Reifenpanne. Mauretanier. Wir hatten sehr starken Gegenwind und es kam ein leichter Miniatursandsturm auf.

Auf endlosen staubigen Wegen...

Sieht aus, wie bei uns, wenn es den Pulverschnee über die Fahrbahn weht. Allerdings war es etwas lauter, dieses Rieseln an der Bordwand kam mir bekannt vor. Und auch für die aus dem Fenster hängende Hand wurde es bald sehr unangenehm. Als wird auf der Landzunge von Dakhla nach Norden fuhren waren gerade mal 80 Sachen drin, auch wenn das Gaspedal am Anschlag war. Half nichts. Als wir dann die Landzunge verließen und wieder in Richtung Süden fuhren ging es wesentlich schneller voran. Daniel stellte die Theorie auf, daß es sich um ein Tiefdruckgebiet handle und der Diesel deshalb nicht genug Sauerstoff bekommt. Meine wilde Theorie war etwas einfacher und hieß schlicht Gegenwind.

Ich würde hier auch gerne schreiben können, daß das feeling eine Mischung aus DDR-Grenzöffnung und Fahrt in die Verbannung war, aber das würde nicht ganz zutreffen, denn wir freuten uns nun auf das Bevorstehende: Sommer, Sonne, Sand und Wüste. Wir freuten uns auf die Sandschlacht und wir freuten uns, die Karre durch die Sahara zu jagen - unser Benz wird nicht der Sahara geopfert, und ich freute mich auf die Siegescigarette in Nouakchott, und möge Mauretanien noch so schlimm sein, dann freuen wir uns eben auf den Senegal...

In der Nähe des Wendekreises
In der Nähe des Wendekreises.

Die Straße war schmal, streckenweise etwas rauh, aber da der Gegenverkehr aus ein oder zwei Militärfahszeugen bestand, braucht man auch keine zwei Spuren. In dieser Gegend gab es nicht mehr viel; einige Fischerhütten und anderthalb Tankstellen, sonst nichts. Wir fragten uns nur, wieso man einen Militärkonvoi braucht, wenn hier doch Leute leben, aber es wird schon seine Unordnung haben.

Endlich kreuzten wir den nördlichen Wendekreis. Darauf wartete ich schon seit Jahren. Das wollte ich erst 1998, dann 1999. Beide Male war der Versuch gescheitert, aber nun fuhren wir auf Asphalt über den Wendekreis des Krebses und ich verpaßte es, genau am Kreis ein Photo zu machen, war mit den Gedanken schon 500 km weiter. Zehn Minuten vorher verkündete ich noch feierlich, daß wir endlich bald den Wendekreis erreichen werden. Sie hätten wenigstens ein Schild aufstellen können für einen kurzen Stopp und die obligatorische Polarkreiskippe - die heißt halt nun mal so.

Was wir kurz nach Dakhla erlebt hatten war kein richtiger Sandsturm, wie damals in Libyen, der einem jede Sicht nahm, bei dem man von der Straße mußten. Alles viertel so wild, doch, als ich gegen halb fünf beim ersten längeren Halt zum Sammeln, beim dritten Posten, ausstieg, mußte ich feststellen, daß die unteren Zusatzscheinwerfer und der Unterfahrschutz sandgestrahlt waren. Vielleicht wären Schutzkappen gar nicht dumm gewesen. In Libyen hatte ich sie noch, aber ihnen hat es dort so gut gefallen, daß sie heute noch dort liegen werden, genau wie meine Stiefel. Auch diese Fahrt wird Nerven und Material verbrauchen. Es fing schon an. Keine Ahnung, in welchem Zustand das Auto in Nouakchott sein würde, aber ich will mein bestes tun, um es zu schonen. Der Weg ist noch viel zu weit, als daß man achtlos damit umgehen könnte. Ich brauche einen Ort, an dem ich leben kann. Solange ich den nicht gefunden habe, bleibt das Auto mein wichtigstes Stück.

Am Kontrollposten (302 km nach Dakhla) war erstmal stundenlange Warterei angesagt. Zahlenmäßig am stärksten vertreten:
Merdedes-Benz

Das Warten konnte ich mir nicht erklären, denn ich stand als Vorletzter in der Reihe, als wir in Dakhla losfuhren und wir hatten vielleicht drei oder vier Fahrzeuge überholt. Wo kamen plötzlich all die Autos her? Die Straße ließ ein Überholen oft nicht zu, denn das vorausfahrende Auto mußte in den Kies ausweichen und dann hört man überall die (St-)Einschläge. Deshalb haben alle 123er hier auch Schutzpolster an den Scheinwerfern. Gar nicht dumm. Wenn man auf dieser Strecke im Rückspiegel einen angeschossen kommen sieht, weicht man am besten selber auf den Kies aus, damit der andere das nicht machen muß und man seinen Dreck nicht entgegengehauen bekommt.

Es wurde rumgegammelt, gelesen, gequatscht, die Fingernägel gefeilt, braune Kraftfahrermützen genäht, die schweizer Franzosen verteilten Wurst, die Zeit wurde schlichtweg auf kriminellste Art und Weise totgeschlagen. Aber es blieb gemütlich. Die Straße ging nur in eine Richtung. Man konte nicht wirklich zu spät losfahren oder zu spät ankommen. Wo überhaupt? Wie weit würden wir heute fahren?

Um 19:45 Uhr ging es weiter, noch etwa 50 km. In meinen Augen wäre es sinnvoller gewesen, sie hätten die Warterei nicht an dem Posten veranstaltet, sondern gleich auf dem dreißig Minuten weiter gelegenen Camping. So hätten sich die Wartenden schon mal mit Zeltaufbau und mit der Gulaschkanone beschäftigen können. Das Organisieren ist wahrlich nicht ihre Stärke. Kein Wunder, daß der Feldzug in Afrika verloren ging mit solchen Verbündeten. Als wären die Itaker nicht schon Belastung genug gewesen...

Genau um 20:34 Uhr erreichten wir den berühmten Campingplatz, der den überaus treffenden Namen "La Poubelle" trägt und in jedem Reisebericht erwähnt wird. Zwar war er nicht so schlimm zugemüllt, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber fest stand, daß es eine Müllabfuhr hier nicht gibt. Das erledigen bestenfalls die Geier.

Wir suchten uns einen Platz, der weitgehend Müllfrei war, stellten dann den 207er, den VW-Bus und den Benz zu einer Wagenburg zusammen. In deren Mitte unser Zelt, das hier erstmals zum Einsatz kam, und das ging nicht ohne Fluchen ab.

Auf der Straße nach Mauretanien
"Fahrt Ihr nach Süden über's Meer,
Was ist aus uns geworden?"

Das Abendessen wurde wegen starken Windes im Auto abgehalten. Weißbrot mit Streichkäse, der im Bordjargon seit Libyen "Kuh" genannt wurde, und Tomaten. Anschließend kramte ich eine Cigarette heraus und setzte ich mich zu den Schweizern. Mal abhören, was die nahe Zukunft so bringen könnte. Eigentlich war es nur ein Schweizer, aber das Auto zählt auch mit, daher der Plural. Peter, der Schweizer, ist ein langhaariger Bombenleger, der diese Strecke schon des öfteren gefahren ist, zuletzt vor sieben Wochen. Dirk ist ein Student aus Frankfurt. Ich fragte ihn nach dem Bevorstehenden. Der Dialog, war kurz und klar:
"Ist Mauretanien wirklich so schlimm, wie alle sagen?"
"Nein, Mauretanien finde ich wunderschön. Aber nur solange keine Mauren da sind."
"Warum? Sind die Böse?"
"Banditen, Halsabschneider und Ziegenfi...."
Gut. Mehr wollte ich gar nicht wissen. Wir saßen noch etwa eine Stunde beisammen, tranken einen oder mehrere Sangria und unterhielten uns über die Strecke. "Wenn Du nicht aufpaßt, dann reißt's Dir den Auspuff oder sonstwas weg." Rosige Aussichten, wo doch Aufpassen schon immer meine Stärke war. Ich fühlte mich in meine Lehrzeit zurückversetzt. Die beiden waren zwischen Ende 20, Mitte 30, ziemlich kaputt, und wußten einiges zu erzählen. Sie waren die Strecke schon etwa sieben mal gefahren. Peter, der Schweizer hatte fertige, lange Zotteln und einen Schnurrbart und sein Beifahrer Dirk, der Hesse hatte einen Afrikaschnitt im Anfangsstadium, das heißt, die Haare waren noch kurz, keinen Bart. Das sieht in einigen Monaten dann anders aus. Einer schlief in der Kabine des Busses, der andere auf einer Gartenliege im Freien. Die beiden sind in der Woche zuvor schon hier gewesen. Sie wollten mit zwei Fahrzeugen in den Senegal, doch Dirks Landrover war kurz vor dem dritten marokkanischen Polizeiposten mit einem kapitalen Motorschaden liegengeblieben ("hatte wohl keinen Bock auf Mauretanien"), worauf Peter wieder nach Dakhla fuhr, um Dirk mitzunehmen. Sie mußten die ganze Prozedur wieder durchlaufen und der Ländy stand nun auf dem Camping "Moussafir" in Dakhla.


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