Afrika 2000
Erste Etappe
Dienstag, 5. September

Die Wäsche war am nächsten morgen nicht nur voller Sand, sondern auch genauso naß wie am Abend zuvor. Doch nun hatten wir keine Zeit, uns darum zu kümmern. Ich fragte mich nur, warum sowas nicht in den vorangegangenen drei Tagen passierte, wo wir alle Zeit der Welt gehabt hätten. Um 10:00 Uhr sollten wir uns laut Militär am Ortseingang sammeln und das Militär war marokkanisch. Die UNO-Truppen, die mit Zehn Uhr auch "10:00 Uhr" meinten und nicht "irgendwann am Vormittag" hatten mit dem Konvoi nichts zu schaffen. Die waren nur da, weiter nichts, saßen in ihrer Kaserne am Ortseingang und ließen es sich gutgehen, rasten ab und zu wie die Verrückten durch die Stadt und verschwanden wieder. Weiß gar nicht, was die Chaothen hier wollen. Kosten bestimmt wieder nur unnötig Geld.

Kamelherde
Eine Kamelherde auf dem Weg nach Dakhla.

Wir fuhren noch einmal bei den Jungs von der Tankstelle vorbei um uns zu verabschieden, sie freuten sich und wir uns auch, unterhielten und kurz, natürlich gab es noch ein Photo. Ich hatte nocheinmal den Tank bis zum Rand vollgemacht, der Brauchwasserkanister wurde aufgefüllt, geduscht wurde auch noch und irgendwann, so langsam aber sicher, fuhren wir los. Diesmal hieß es "Adieu" und nicht "Bukra". Ist oft so auf Reisen. Man spürt die Zeit fließen. Ganz anders als daheim, in immer derselben Umgebung. Wir trafen 'die zwei von der Tankstelle', brachten ihnen mal Brot vorbei oder unterhielten uns mit ihnen, wenn wir zwischen Stellung und Dakhla hin- und herfuhren. Mindestens wurde beim Vorbeifahren gehupt. Noch vor einigen Tagen wußten wir nichts von ihrer Existenz und jetzt verließen wir den Ort und wußten, daß wir uns wohl nie mehr sehen würden. So ist das mit Reisebekanntschaften. Auch mit Marion und Daniel stand uns ähnliches bevor. Zufällig kennengelernt, ein paar Tage, vielleicht Wochen zusammen unterwegs und - schwupp - sind sie wieder aus dem Leben verschwwunden. panta rei... das merkt man auf Reisen besonders deutlich.

Abschied an der Tankstelle
v.l.n.r.: Joe, Daniel, Almut, Rachid, Besold, Marion.

Als wir um 10:15 Uhr Stadteinwärts fuhren, war noch keine Sau da. GMT, halt... Also wieder ins Café "La Paloma" und erst mal gemütlich frühstücken. Wir versuchten verzweifelt, Spiritus zu Organisieren. Ich fragte in der Apotheke, bekam einen Zettel auf Arabisch, mit dem ich zu den Läden gehen sollte, da es in der Apotheke keinen gab. Vorher ließ ich den Zettel natürlich von Almut übersetzen: "Bitte gib mit Alkohol! (Spiritus)" Wie zu erwarten war, bekam ich zwar jede Menge böser Blicke, aber keinen Spiritus. "Die Spinnen, die Islams..." Die übrigen Einkäufe ließen sich jedoch problemlos erledigen. Immerhin mußten wir uns darauf einrichten, vier Tage im Niemandsland zu verbringen. Ohne Versicherung wollten wir nicht in Marokko bleiben, aber das Visum für Mauretanien lief erst am 10. September an. Wir trafen hier den VW-Bus mit DoKa wieder, immer noch völlig überladen. Auch ein Konvoimitglied. Ein Schweizer, wollte im Senegal einen Campingplatz aufmachen und ein Hesse, dessen Land Rover verreckt war und nun auf dem Camping Moussafir stand. Völlig kaputte Typen und das machte sie äußerst sympathisch.

Wir tuckerten gegen elf in aller Gemütsruhe zum Sammelplatz. Mittlerweile hatte sich schon einiges an Fahrzeugen angesammelt. Viele PKW, darunter mehrere 123er, hauptsächlich Mauretanier und Franzosen - für uns uninteressant. Touristen gab es nicht viele, dafür war noch nicht die Jahreszeit. Die meisten fahren zwischen Oktober und März, da ist Winter.

Der Sammelplatz
Unser Geleitzug

Ein grüner, 20 Jahre alter Landy aus Spanien, wollte eine Rundfahrt machen bis zum Senegal und wieder zurück, wobei unklar blieb, wie sie wieder zurückkommen wollten.
Der blaue VW-Bus Syncro der Schweizer, der schon erwähnt wurde.
Eine Ténéré aus Belgien, Besitzer Jean Nicolas, wollte bis Mali und dann über den Niger, Tschad und Tunesien wieder heim.
Ein gelber Patrol mit schweizer Nummer und Franzosen drin. Sie wohnten in Nouakchott. Die wurden gleich mal interviewt zum Thema Mauretanien. Das Statement unterschied sich kaum von denjenigen, die wir bisher bereits gehört hatten. Von diesem Land haben wir bisher überhaupt nur Negatives gehört. Nicht einer, der was Gutes über dieses Land zu berichten wußte. Wir fragten die, die dort lebten und selbst die konnten außer "Transit" keinen Grund nennen, warum man nach Mauretanien fahren sollte. Nicht einmal die. Muß ja der reinste Horror sein.
Ein silbergrauer Renault Espace, der ein französisches Kennzeichen hatte und einem Senegalesen gehörte, der drei Franzosen auf dem Weg mitgenommen hatte. Er wußte von gar nichts, nichts vom Konvoi, nichts von den "Straßen"-Zuständen in Mauretanien, nichts. Er sagte später, wenn er das gewußt hätte, hätte er verschifft.
Hier, so heißt es, träfe man genau die Menschen, die einen mit der Gattung Homo Sapiens wieder versöhnen würden. Ich kann nichts gegenteiliges behaupten. Gut, die Franzosen im Espace nervten ein wenig, aber man hatte sie im Griff. Was man hier auf keinen Fall trifft sind die Pseudos, die sich einen himmelsündteuren Geländewagen, womöglich noch einen Benziner mit vier Litern Hubraum, 4.7-Litre-Aufschrift hinten, Automatik und mit Metallic-Lackierung kaufen lassen, damit sie in der Maximilianstraße mit einem Rad auf den Randstein fahren können oder um nachts auf Baustellen in der Nachbarschaft den Dicken zu markieren oder um schlichtweg aller Welt mitzuteilen, daß sie zuviel Geld haben (bzw. haben wollen würden) und mit ihren meistens dem entsprechenden Fahrkünsten für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefährdung darstellen. Die bleiben nämlich daheim und fahren einmal in der Woche zur Tankstelle und tanken für ganze 10 DM - damit sie wieder heimkommen. Man könnte sich auch einfach einen Corsa kaufen, dann bräuchte man nicht mit dem Zug in die Arbeit fahren.
Laßt die Stubenhocker zagen,
Wir woll'n unsre Diesel jagen.

Die Konvoymitglieder unterhielten sich, machten sich mit- und untereinander bekannt, probierten arabische Umhänge aus, blödelten, machten jedenfalls irgendwas. Es kam gute Stimmung auf. Ein Polizist zog von Auto zu Auto und wollte irgendwas ausgefüllt haben; wurde nebenbei erledigt. Die Versicherung interessierte niemanden und das war gut so.
Hier endete die erste Etappe. Alle Weichen waren gestellt. Es konnte losgehen nach Afrika, es gibt kein Zurück mehr, nur noch ein Vorwärts im Kampf gegen den Sand und die schlechten Straßen. Mauretanien stand uns bevor, wie ein Alptraum, doch schlimmer noch wäre es, müssten wir die Strecke alleine fahren. Als alle Formalitäten der Ausreiseprozedur erledigt waren konnte es losgehen, wir waren die Vorletzten, hinter uns waren nur noch die Schweizer, die Motoren liefen bereits, alle warteten nur auf das Zeichen zum Anfahren.

Marion in Nanas Milhafa, oder in Milhafas Nana.
Marion, getarnt als Einheimische...

Stand am Konvoi-Sammelplatz: 641.542 km

Länderbeurteilung. Alles wie immer nur persönliche Ansichten...

BRD:
Hierzu muß wohl nichts geschrieben werden. Diese Republik ist zumindest für mich bis auf Weiteres gestorben. Danke für den Paß und bis zum nächsten Mal. REST IN PIECES...

BRÖ:
Abklatsch der BRD, aber nicht ganz so schlimm. Es wird auch hier dumm, aggressiv und oberlehrerhaft gefahren. Ich habe KEINE Vignette gekauft und doch die Autobahn benutzt. Ätschbätsch! Die großspurigen Plakate mit der Aufschrift: "Für bessere Straßen - die Vignette." sind die schönen Sprüche, die man auch in unserer BRD schon lange kennt und liebt. Sie wären bei den Zuständigen in Wien besser angebracht als vor den Hauben der Leidtragenden, vielleicht würden sich die Straßen dann von selbst ausbessern. Vorschlag: Entweder warten, bis wieder der große Bruder kommt und hier die Straßen, die er vor 60 Jahren gebaut hat, ausbessert, oder mal die Schweizer fragen, wie man richtige Straßen baut, die können das nämlich.

Schweiz:
Ist und bleibt in Europa unerreicht, doch Stil hat seinen Preis. Dennoch: Weiter so! Die Schweiz bleibt neben den skandinavischen Ländern eine Hochburg der Ordnung in Europa und hier halte ich mich aus Prinzip an alle Vorschriften. In manchen Ländern muß Ordnung eben sein und in der Schweiz scheint mir das nicht nur ein hohler Spruch zu sein.

Italien:
Hier gibt es nicht viel zu kritisieren. Es macht Spaß, hier zu fahren. Alles locker und gemütlich. Im Gegensatz zu Österreich bekommt man hier für das bezahlte Geld auch anständige Autobahnen, die sich teilweise bestens dazu eignen, das Optimieren von Kurven zu üben, die berühmte "Ideallinie". Besonders das Stück in Südtirol gestattet oft sogar ein Ignorieren der Kurven. Macht Spaß.

Frankreich:
Kann nichts. Keine Schilder, die schlechten Landstraßen sind eine raffinierte Form der Wegelagerei, die Autobahnen auch ohne eine Gebühr schon eine Unverschämtheit, dafür ist alles sehr Teuer und überhaupt ist eine Frankreich-Umgehungsstraße schon längst überfällig - ein Tunnel tut es auch. Ich bin stets bemüht, unsere Ausgaben in Frankreich nicht über 0,00 DM steigen zu lassen. Meistens mit Erfolg. Das geht auch mit dem 65-Liter-Serientank, wenn man sich hart an die Südküste hält.

Spanien:
Sehr nettes Reiseland, Autobahnen sehr günstig, Sprit auch nicht gerade teuer, freundliche Bevölkerung, nette Fahrweise, die wie in Italien nach Süden hin an Nettigkeit zunimmt. So kennt man es und man kann es meinethalben genau so lassen, wie es ist. Da kann sich die "Grand Nation" noch einiges abschauen.

Marokko:
Kein Carnet notwendig, die Grüne Versicherungsdoppelkarte sollte für Marokko gültiggeschrieben sein, ansonsten muß eine Versicherung an der Grenze abgeschlossen werden. Reisepaß notwendig. Impfausweis wurde nicht kontrolliert.
Das Netz guter Straßen nimmt nach Süden hin stetig ab. Die Straßen werden schmäler. Sie sind dennoch meist in sehr gutem Zustand, das Hauptfortbewegungsmittel ist der W123, die Franzosen stehen auch im Süden auf verlorenem Posten mit ihren Renaults und Peugeots und schlagen sich mit FIAT um den 2. oder 3. Platz. Die Fahrweise der Marokkaner ist hervorragend, viel Stil und Charme. Es gibt nichts zu meckern. An Neapel kommen sie freilich nicht ganz hin... Etwa 70 km nach Tan-Tan ist der Kraftstoff subventioniert. Keine Probleme mit der Dieselqualität - wäre bei einem 123er auch etwas ungewöhnlich.

NordmarokkoVon den drei bisher bereisten Nordafrikanischen Ländern kommt es an 2. Stelle. An Libyen kommt überhaupt kein Land hin, durch das nicht der Nordpolarkreis geht, was die Spritpreisen angeht, gerade die nicht. Doch Marokko ist lange nicht so schlimm, wie gedacht. Es hat auch landschaftlich viel zu bieten, entschieden mehr als Beispielsweise Tunesien. Doch ich treffe diese Aussage als jemand, der in beiden Ländern nur eines zum Ziel hatte: Transit. Wir haben in beiden Ländern zu wenig gesehen, als daß ich ein brauchbares Urteil fällen könnte. Aber ich würde dort jederzeit wieder hinfahren, nach Tunesien nicht, wenn es nicht sein muß.

Interessant für die 123er-Fahrer:
Wenn es um größere Reparaturen für 123er geht ist man hier goldrichtig. Denn hier fährt fast nichts anderes rum und das Geld, das man in Deutschland für die Arbeit ausgibt möge man lieber in einen Marokkourlaub mit eingebauter Reparatur investieren, was unter Umständen sogar billiger ausfällt. Teile sind hier natürlich viel Teurer als in Deutschland, was klar sein dürfte. Die Deutschen bauten einst die besten Autos der Welt - aber das Fahren haben sie bis heute nicht gelernt. Will sagen: Die Teile muß man halt mitbringen. Werkstattempfehlung: Agadir, Garage Allemand in Agadir.

Und speziell zum Thema höherlegen: 1.000 DM reichen locker für 2 Wochen Marokko und fürs Höherlegen. 2.500 DM habe ich in Deutschland bezahlt und es hat nicht so viel gebracht als das Höherlegen in Marokko für nur 55 US$. Das wäre meine Mittelmeerumrundung gewesen, wäre ich früher draufgekommen. Das nächste mal hat dann - wie immer. Weiterhin interessant für alle, die mit dem Auto nach Marokko fahren:

Es empfiehlt sich, gebrauchte oder ausgemusterte Autoteile mitzunehmen, wie Reifen (auch abgefahrene, diese sollten aber beim Passieren der Grenze aufgezogen sein), Lichtmaschinen usw. Die lassen sich bestens verkaufen. Käufer muß man nicht suchen, denn sie finden einen. Um konkrete Zahlen zu nennen: 207er-Daniel konnte ohne viel Handeln zu müssen 4 123er-Reifen für 800 Dirham verkaufen, die er in der BRD hätte kostenpflichtig entsorgen müssen. Das wurde mir zwar zuvor gesagt, ich habe es aber leider unterschätzt. In der Garage daheim stapeln sich nun die Reifen und die Alufelgen. Ist klassisch totes Kapital.


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