Afrika 2000
Erste Etappe
Sonntag, 27. August

Ganz sanft geweckt worden von Almuts typischer, völlig emotionsloser Stimme, die da sagte: "Markus, willste gerade mal aufwachen? Da hat einer was geklaut!" - Mann! Und sowas ausgerechnet jetzt. Der Übeltäter war noch da, Almut diskutierte eifrig auf Arabisch mit ihm und wir alle verstanden nur Bahnhof. Er versicherte, nichts gestohlen zu haben und ich - versteh ja nix - ihm erstmal das Geld aus der Hosentasche genommen. Wie kommst Du Penner denn zu soviel Geld? Und auch noch D-Mark. Seit wann werden Kasperle in Marokko mit harter Währung bezahlt? So ein Zufall, wir müßten auch noch sowas haben..., dann feststellen lassen, was noch fehlt. Eine Kamera? Gut. Aufgrund erheblicher Sprachbarrieren mußte ich schnell aus dem Auto die passende Sprache holen, bei uns daheim gelegentlich als "Hausordnung" bezeichnet, nur im Fachhandel trägt sie die Artikelbezeichnung "Hydraulikschlauch". Die Nullacht herauszuholen hielt ich für übertrieben. Mit dem wären wir auch ganz unbewaffnet fertiggeworden. Seine Schafe wären ihm keine große Hilfe, einen Köter hatte er nicht dabei. Nur mit dem Schlauch bewaffnet begleiteten wir den Schwindsüchtigen zu der Stelle, wo er die Kamera vergraben hatte. Alles so, wie wir es in der Fibel lasen. Almut ging neben ihm, ich schräg hinter ihm mit der Hausordnung im Anschlag, bereit, ihm bei der geringsten falschen Bewegung auf den Schädel zu dreschen. Doch er dachte nicht daran.

Er grub die Kamera aus. Alles noch da, nur ein wenig verstaubt. Ich ließ ihn leben, gab ihm ein paar Cigaretten und schickte ihn weg. Doch Almut hatte als Frau noch eine kleine Gemeinheit auf Lager. Sie redete kurz mit ihm, wie ein Pfarrer mit einem armen Sünder. Ich verstand natürlich kein Wort, dachte mir, sie macht schon wieder eine auf Mutter Theresa und vergibt ihm seine Sünden, aber weit gefehlt. Plötzlich zeigte sich auf des Diebes Gesicht der Ausdruck blanker Angst. Er fiel wor Almut auf die Knie und begann, ihr die Hande zu küssen und etwas vor sich hinzuwinseln. Dann kam sie wieder zu uns. "Was heißt das, was soll das, was hast Du gesagt?", wollte ich natürlich wissen. "Nichts besonderes", sagte sie mit aufrichtiger Unschuldsmiene, "ich hab ihn nur gefragt, ob er Moslem ist und, als er bejahte, ob er denn wüßte, was da so mit Dieben passiert." Mein Gott, was bin ich lächerlich - da sieht man mal wieder um wie viel wirkungsvoller es sein kann, das Hirn zu benutzen, anstatt brachiale Gewalt. Der Hydraulikschlauch hat ihn nicht annähernd so beeindruckt.

Nachdem wir abgespült und zusammengepackt hatten, fuhren wir los, gaben ihm, der wieder zurückgekehrt war, noch eine angebrochene Packung Butterkeks und ließen es gut sein. In Zukunft also Auto absperren und nicht mehr den Igl auslachen, wenn er fragt, ob er absperren soll. Denn das wäre alles nicht passiert, wenn er das Auto abgesperrt hätte. Das hier hat nichts mit Libyen zu tun.

Weiter ging es in Richtung Marrakesch. Gleich nach 20 km, der Motor war noch nichteinmal richtig wach, kamen wir in eine Polizeikontrolle. Und wie immer waren wir zu schnell. Almut ging als Übersetzerin mit und waltete ihres Amtes, das kann sie fast perfekt. Irgendwann schaute sie leicht verstört und sagte "Ich glaub, ich versteh das nicht richtig. Bei mir kommt immer nur Kaffee oder sowas an." Sie fragte nochmal nach, bestätigte es dann. "Kaffe. Was will der mit Kaffee? Der meint bestimmt etwas anderes, aber ich komm nicht drauf..." Da meinte ich "Passt schon, hast alles richtig verstanden..." Sie hatte fertig und durfte ins Auto zurück. Weggetreten, nun müssen wir ran. Igl und ich handelten die Strafe von 400 auf 100 Dirham herunter - man kann ja reden mit den Leuten - und gut war's. Almut hatte diese "Bresche" des Polizisten mit der Kaffeekasse nicht ganz verstanden, sie sagte später "Ein Polizist hat mich nicht auf Kaffeekassen anzusprechen." Nonverbale Kommunikation, paßt nicht ins grammatikalische Schema. Kaffee hatte ich verstanden und das ist nun mal ein Signalwort. Er will eine kleine Zuwendung, damit er vergißt, daß wir zu schnell waren. Das ist etwas, was man an der Uni nicht lernen kann, das lernt man woanders. "I got my university education on the road..." Manchmal auch ganz brauchbar. Weiter...

Um 11:40 Uhr erreichten wir Marrakesch und pflanzten uns gleich ins nächste Internet-Café. Es wurde immer heißer. Joe mußte nicht ins Netz, also blieb er am Auto. Als ich nach über einer Stunde zum Auto zurückkehrte, saß Joe auf der Rückbank, las ein Buch, hatte sich ein Handtuch umgehängt, seinen Hut verkehrt herum auf dem Kopf und alles schien ihn nichts anzugehen. Sehr cool, könnte ich nicht. Ihn ließen die Leute auch immer in Ruhe, sie gaben nach dem x-ten Versuch, ihm was anzudrehen auf, er nahm sie gar nicht war. Ich wurde immer in dumme Diskussionen verwickelt. "Als ich sagte, Du sollst beim Auto bleiben, meinte ich nicht im Auto, und schon gar nicht bei geschlossenen Fenstern. Hier hat's mindestens zweihundert Grad. Weißt Du, daß da schon Leute dran verreckt sind?" Ihn störte es nicht die Bohne. So heiß fand er es gar nicht. Und bei geschlossenem Fenster liest es sich angenehmer. Ist nicht so laut...

Internet war neben Tanken auch schon das einzige, was wir in Marrakesch erledigten. Zu sehen gibt es für Kulturbanausen wie mich wie immer nichts. Wir fuhren weiter durch Marokko. Der Pajero scheint mir ein etwas durstiger Reisebegleiter zu sein. Ab und zu fuhr Igl längsseits und schrie "Tanken!!!" Und ich ganz entsetzt: "Schon wieder!?!?" Und dann auch noch teures Benzin, statt Diesel. Höchste Zeit, sich einen Diesel zuzulegen, sonst werden solche Ausflüge teuer. Doch dazu später...

Endlose Weiten
Die Straße, auf der wir fuhren, von einem nahegelegenen Hügel aus beobachtet.

Es ist keine schlechte Landschaft, die man geboten bekommt, viel besser als Tunesien. Ich kann mir gut vorstellen, daß es hier einiges zu sehen gibt, man braucht aber Zeit. An dem kleinen Zwischenfall in Ceuta scheiterte es letztenendes, wobei man auch hier feststellen muß: Es stören die Menschen nicht die Tatsachen an sich, sondern nur das Gerede über die Tatsachen. Und doch war das was uns hier umgab zweifelsfrei Wüste, zwar noch nicht sehr klassisch, gebe ich zu, aber dafür waren wir noch zu weit im Norden.

Es ging noch den restlichen Tag so weiter, weg von der Küste in das Landesinnere. Wenn es gut lief, würden wir noch bis Ouarzazate kommen, weiter auf keinen Fall. Nachtplatzsuche in der Nacht ist nichts, wir wollten lieber zusehen, hier in der Gegend etwas anständiges zu finden, es bietet sich ja an, denn in der Wüste waren wir schon. Allein es fehlten noch die Dünen, dabei besteht die klassische Sahara aus Geröll und das hatten wir hier zur Genüge. Das Geröll in angenehmer Größe ist mir wesentlich sympathischer als der Sand. Es sieht viel rauher und unwirtlicher aus und man kann darauf fahren, wenn auch nicht schnell. Aber in den Saharabildbänden sind nun mal hauptsächlich Dünen, Palmoasen, Nomadenzelte und ähnlicher Krimskrams abgebildet und so stellen sich auch viele die Sahara vor. Es ist aber nur eine Karikatur. Solche Bilder bleiben Expeditionären vorbehalten, die mit kriegsmäßiger Ausrüstung in die Tiefen der Sahara vordringen und sind nicht für Amateure wie uns bestimmt. Es ist auch gut so, denn sie würden ihren Wert und auch ihre unberührte Schönheit verlieren, wenn da jeder Hans Dampf hinführe, weil er gerade nichts zu tun hat. Für uns sieht das alles ganz anders aus. Wo immer wir solche Dünen zu sehen bekamen, war eine Straße nicht weit, Oasen waren bebaut oder zugemüllt, meist beides, sie waren alles andere als unberührt oder gar idyllisch.

An einer ansprechenden Stelle im Schatten eines Berges hielten wir an und bruzelten ein Kartoffelpüree zusammen. Es schmeckte gar nicht so schlecht, wie es auf der Verpackung aussah. Anschließend gab es Tee und wir verweilten noch ein wenig, nicht zuletzt um etwas Fahrt aus der ganzen Sache herauszunehmen. Was wir hier taten glich mehr einer Rallye, als einer Reise.

Kurz vor Ouarzazate bezogen wir dann Stellung. Das Terrain um uns erinnerte immer noch stark an die Hammada in Libyen, nur etwas hügeliger und nicht ganz so schnell zu befahren, weil die Gesteinsbrocken etwas größer waren. Wir verließen die Straße auf einer kleinen Piste und versteckten die beiden Autos hinter einem Hügel, sogut das eben möglich war.

Abschüssig, steinig, aber sehr schön hier. Nur die Nähe zur Straße machte den Platz unvollkommen.

Den Mercedes als Wind- und den Pajero als Sonnenschutz. Essen, Teekochen, Cigarette, Einschlafen. Sternenhimmel war 1a, aber die Straße war nicht sehr weit entfernt und vorbeifahrende Autos tauchten die Hügel in fahles Licht. Auch die Schräglage des Bettes war etwas unangenehm, weil man dauernd das Ende der Isomatte einen Meter über dem Haupt hatte und mit der anderen Körperhälfte auf dem kalten Stein lag. Jedes Mal mußte man sich wieder zurechtrobben.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold