Afrika 2000
Erste Etappe
Montag, 28. August

Almut sprang im Morgengrauen auf irgendeinen Hügel und hörte die Nachrichten ab. Sie schien aber dennoch nicht viel Interessantes zu berichten zu haben. Wie auch? Je weiter wir in den Süden fuhren, desto weniger kümmert es einen, was in dieser Drecksrepublik dort oben passiert. Wir frühstückten in aller Ruhe, bis die Sonne unangenehm wurde.

Gegen neun setzten wir den Weg fort, damit Igl seine Dünen zu sehen bekommt. Bei Zagora sollte dies möglich sein. Bis dahin war aber noch Zeit. In Ouarzazate gingen wir noch auf die Post, Briefmarken holen, Postkarten einwerfen und hier bekam ich auf Igls Handy einen Anruf aus der Heimat. Es sollte der letzte sein für fast ein halbes Jahr.

Wir fuhren durch Berge und Täler, überall steineverkaufende Hemerdlenzen, die mit ihren wehenden Bubus immer dem Auto hinterherliefen, als ob das was nützen würde. Sie schafften es nicht, uns einzuholen. Die Landschaft erinnert ein wenig an die östliche Türkei, die Straßen auch.

Vor dem Postamt in Ouarzazate. Verhältnismäßig ruhig, hier.

Um die Mittagszeit kamen wir an einem liegengebliebenen Peugeot vorbei und hielten an, fragten, ob wir jemandem weiterhelfen können. Der Vater blieb hier, den Sohn nahmen wir mit bis zur nächsten Ortschaft, die noch ein gutes Stück weg war. Zu weit, um sie zu Fuß zu erreichen. Dort angekommen, brachte uns der Bub zu seinem Onkel, der uns zum Tee einlud - "nur 10 Minuten" - also gut. Spricht ja nichts dagegen, man soll ja bekanntlich nicht blind durch fremdes Land brechen. Wir unterhielten uns einige Zeit. Er konnte zwar ein paar Brocken englisch, doch es ging besser, wenn Almut einfach übersetzte. Aber er brachte einen weisen Satz auf englisch zusammen: "The best school in life is to travel." Nach der x-ten Tasse Tee ließ ich den Onkel, er hieß Saïd, fragen, was denn dieses komische Döschen da kostete. Er gab mir zunächst eine ausweichende Antwort. Nach weiteren x Tassen Tee fragte ich erneut und er bat uns, wieder ohne klare Antwort auf meine Preisfrage in das Nebengebäude und erzählte dabei, er sei Händler und würde einmal im Jahr mit einer Karawane nach Mali ziehen und wieder zurück.

 

Es hörte sich schon alles sehr für Touristen zurechtgemacht an: Nomaden oder Tuareg (weiß nicht mehr, was er war, bin in kulturellen Dingen sehr ignorant veranlagt), die mit ihren Kamelen und Zelten durch die Wüste ziehen und ihre Feiern abhalten. Wie dem auch sei, ich wollte dieses Silberdöschen haben, und er soll mir halt einfach den Preis sagen. Er schleppte Tonnenweise Zeug an: Messer, Dolche und andere Hieb- und Stichwaffen, bei deren Anblick ich immer an grüne Giftzwerge mit weißer Mütze denken mußte, die bekanntlich nie da sind, wenn man sie braucht, Schmuck, Stoffe und was nicht noch alles.

Es war zwar vieles wirklich sehr schön, aber wir hatten nicht die Kohle für solche Späße, ich wollte nur diese Silberdose, Teufel auch... Igl und Joe gefielen auch ein paar Sachen und so waren wir bald in Preisverhandlungen verstrickt. Almut übersetzte, Igl handelte, Joe überlegte, was er zum tauschen hätte, und ich wollte das Döserl. Andreas war die ganze Sache offensichtlich nicht geheuer, er sah nur zu, stiftete einen Schlafsack und das Handeln selbst überließen wir Igl.

 

Das konnte er recht gut, besser als wir alle zusammen. Am Schluß tauschten wir ein Thermozelt, einen Schlafsack, ein paar ausgelatschte Schuhe und einen Walkman plus ein paar Dirham gegen ein paar Sachen aus Saïds Arsenal. Nicht, daß er uns nicht doch über's Ohr gehauen hat, aber wir waren zufrieden, er auch - sonst wäre er nicht darauf eingegangen - und wir zogen nach etlichen Stunden wieder los. Im rausgehen: "Ach ja, da so in Richtung Marrakesch steht ein Mann und hat eine Panne!" Er sagte nur: "Jaja, den holt später einer ab..." Dann ist's ja gut, ist wohl noch zu heiß dafür...

Nach über drei Stunden ging es wieder weiter, heute war der letzte Tag. Morgen hieß es für den Pajero schon umkehren, aus was für unerfindlichen Gründen auch immer. Nun noch das letzte Stück bis Mhammid hinter uns bringen. Langsam kamen wir in das grüne Drâa-Tal. Wir hatten ursprünglich vor, auf der Piste bis zu den Dünen zu fahren und von dort dann umzukehren.

Igl inspiziert die Gegend mit dem Feldstecher.

Verkehr ist praktisch nicht vorhanden. Man kann einfach auf der Straße stehenbleiben, ohne auch nur einen einzige Menschenseele zu sehen oder gar zu stören.
Als wir endlich in Mhammid ankamen waren die Autos sofort von in drei verschiedenen Sprachen brüllenden Kaftanträgern im Alter von 10 bis 30 Jahren umlagert. Jeder wußte den Weg und jeder schickt uns in eine andere Richtung oder kennt einen Führer oder will 'ne Cigarette und alle brüllen gleichzeitig, keiner versteht was. Wir suchen die Piste, sanden aber nur recht saublöd ein. Na, toll. Das war die Sensation. Ein Allemann steckt vor dem Dorf fest. Etwa 20 Moros stehen um das Auto und brüllen weiter irgendwas, schieben, tun und machen bis die Karre irgendwie wieder freikommt, die Temperaturanzeigen von Auto und Fahrer stehen auf 110°C und ich auf den Steinen mit Vollgas weg, riesigen Löchern im ausgetrockneten Flußbett ausweichend, wieder in Richtung Dorf. Auf dem Kofferraum drei Bengel, die ums Verrecken nicht runterfallen wollten, egal, wie man die Kurven nahm. Mit Vollgas und Hupe über die sandigen Dorfstraßen gebrochen und raus hier. Das wird in Afrika noch ein Spaß werden...

Ich hatte keine Lust, hier 'just for fun' meine neue Kupplung zu zerfahren, dafür hatte Igl auch Verständnis. Die Kupplung werden wir in Mauretanien noch zur Genüge strapazieren müssen. Also wieder raus aus Mhammid und einen Nachtplatz suchen, nicht ohne vorher freundlich auf einen Campingplatz "gleich hier in der Nähe" hingewiesen worden zu sein. Kippe an und weg. Der Palmenbewuchs links und rechts der Straße hörte nach einigen Kilometern auf und wir fanden eine gute Piste, von der wir allerdings nicht wußten, wo sie hinführt. Diese Piste fuhren wir entlang. Sie war gut, hatte nur zwei kleinere sandige Passagen, die uns aber nicht zum stehen brachten. Wir fuhren wie immer voraus, der Pajero hinterher. Er fährt ganz normal durch die Sandfelder, als wäre da Asphalt.

Einige Kilometer weiter fanden wir einen schönen Nachtplatz.

Das Holz der Umgebung reichte für ein kleines Lagerfeuer. Nur dem Tee ist die Rauchentwicklung nicht bekommen und die "Spaghetti à la Igl" waren wohl eine gersthofer Spezialität. Nuldelbrei oder so. Merke: Spaghetti nur in das bereits kochende Wasser geben, alter ettaler Trick - streng geheim! Ansonsten war alles in Ordnung, wie immer, wenn man in der Wüste ist. Nichts stört einen, keiner lärmt, keine Sorgen, endlose Weite und diesmal störten auch keine vorbeifahrenden Autos.


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