Libyentour 1999
Freitag, 3. September

Am Morgen ging es wieder zurück nach Germa, in der Hoffnung, daß die Bäckerei auf hatte. Endlich bekamen wir unser Brot und machten noch ein paar Besorgungen. Gefrühstückt wurde am Grabmal einer gewissen Lucilla, oder an dem eines "reichen Römischen Kaufmanns". Wer da tatsächlich begraben liegt, oder ob da überhaupt jemand liegt, weiß so recht keiner. Dann ging es wieder in Richtung Piste.

Dieses Bild mußte ich einfach festhalten, auch wenn es nicht mehr ganz so monströs aussieht, wie "in Echt". Das ist bei Photos immer ein Problem.

Nun ging es 53 Kilometer über den beschissenen Rohasphalt. Zwar wäre laut Reiseführer schon bei km 44 eine Abzweigung zur Piste abgegangen, doch den hätte man etwas aufmerksamer lesen müssen. So fuhren wir halt 9 km zu lange auf der Trasse, die inzwischen, laut Reiseführer, in eine "gut" geschotterte Piste übergegangen war ohne, daß wir das merkten. Als sich bei km 58 die Silos zeigten, bogen wir nach Osten ab und waren auch schon auf der Piste.

Sie war sandig und auf der Suche nach der Hauptspur wären wir fast wieder eingesandet. Diesmal gelang es mir rechtzeitig den ersten Gang einzulegen und sachte einzukuppeln. Etwa 25 Kilometer blieb die Piste eine wahre Rennstrecke, das Wellblech hielt sich in Grenzen, meistens konnte man ihm gut ausweichen. Zwischen drin 60 - 70 km/h, das tat gut und es ging wesentlich schneller als auf dem Rohasphalt. Dennoch merkte man, daß der Bug tiefer hing als sonst, denn ein paarmal setzte der Wagen vorne ganz leicht auf. Die Paar Zentimeter machen schon was aus...

So gefallen mir Pisten. Hier wurde sie zu "einer veritablen Rennbahn", um mit den Worten eines G. Göttler zu sprechen. Im Hintergrund der Murzuq-Erg.

Dann wurde die Piste etwas eng, denn sie querte das Wadi Baruj, wie man dem Buch entnehmen konnte. Wir blieben auf der stark ausgefahrenen Hauptspur. Hauptspuren auf Pisten haben so an sich, daß zwei mehr oder weniger tiefe Spuren parallel verlaufen, also in der Mitte und an den Seiten, wohin der Pistenbelag, sei es Kies oder Sand durch die Fahrzeuge geschoben wird, höher liegen. Im Querschnitt betrachtet nehmen sie die Form eines an allen Kanten abgerundeten "W" an. Man fährt mit einem PKW am besten nicht in der Spur, denn dann schiebt man das Auto auf dem Kiel über den Untergrund, sondern so, daß entweder die linke oder die rechte Wagenseite genau in der Mitte der zwei Spuren läuft, das Auto sich also auf zwei der drei oberen Spitzen des "W" befindet. So ist der Kiel am besten vor Bodenberührung geschützt. Wenn die Hauptspur durch Sand läuft, ist sie logischerweise tiefer als auf Kies und man muß darauf achten, daß man nicht von dem Mittelkamm hinunterrutscht, sonst liegt man wenn es dumm läuft auf dem Bauch, und die Räder drehen in der Luft, es reicht ja, wenn eines der Hinterräder den Bodenkontakt verliert. Gas wegnehmen ist auch nicht gut, sonst versackt man vielleicht, also muß man schnell Reagieren, wenn der Karren auszubrechen droht, was zumindest ein Wagen mit Heckantrieb eigentlich auf Sand ständig macht, da die Vorderräder ja nur geschoben werden und nicht selbst arbeiten. Ich hatte den Eindruck, daß das mit den 14"-Reifen schwieriger war und die Lenkausschläge wesentlich größer waren als zuvor auf der B7, als vorne noch die 15"er montiert waren. Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Hier war die Lenkhilfe wirklich eine große Hilfe, denn mit der bloßen Hand am Lenkrad, hätte es bestimmt Schwierigkeiten gegeben. Ich habe sie auf 9 Uhr angebracht, wenn man das Lenkrad als ein Ziffernblatt einer Uhr betrachtet. Man sitzt am Ruder und ist wirklich nur damit beschäftigt, mit scheinbar wilden Lenkbewegungen das Auto daran zu hindern, in die Mulde zu rutschen. Mit etwas mehr Praxis müßten die Ausschläge auch ruhiger und kleiner werden. Nach dieser Wadidurchquerung und dem Passieren eines "aufgewühlten Bereichs" wird die Piste wieder zur Rennstrecke und endet bei dem Kontrollposten "el-Elaouen".
Dieser wollte natürlich die Genehmigung sehen, die wir - ebenso natürlich - nicht hatten. Also behielt man unsere Pässe ein und gab uns einen Schrieb mit, der bei einer etwaigen Kontrolle bestätigen sollte, daß wir die Erlaubnis hätten, bis zum Wadi Mathendous zu fahren und daß unsere Pässe sich bei diesem Posten befänden.
Man fragte, ob wir versorgt wären, bot uns Wasser an, doch wir waren noch voll. Der Weg wurde uns auch noch erklärt: Am Posten links und auf das Plateau, dann auf diesem weiter nach Osten und schon durften wir abdüsen. Sie sagten, daß wir mit diesem Auto sowieso nicht zum Mathendous kommen würden, wir sollten und doch den Aufstieg mal ansehen.
Probieren geht über Studieren. Umkehren konnten wir immer noch. Aus verschiedenen Reiseberichten weiß man, daß in anderen afrikanischen Ländern wegen der fehlenden Genehmigung Geld fällig gewesen wäre. In Libyen nicht und das ist gut so, hoffentlich ändert sich das nicht.

Auf dieses Plateau (im Bild nur am leichten Schattenwurf erkennbar) mußten wir hoch.

Die Tragfähigkeit des Bodens war nicht schlecht, nur die vielen Spuren waren es, die die Auffahrt erschwerten. Dennoch standen die Chancen es zu schaffen gut, und wenn auch die Sandbleche zum vierten Mal abgeladen werden sollten. Ich versuchte, mir einen Weg festzulegen, aber auf die Entfernung konnte man die Spuren schlecht erkennen. Die Hauptspur war zwar deutlich sichtbar, aber man konnte davon ausgehen, daß diese von LKW so aufgewühlt war, daß selbst Geländewagen damit Schwierigkeiten haben müssen, nicht aufzusitzen. Es blieb nichts anderes übrig, als sich einen anderen Weg auszuwählen und möglichst ohne viel zu kurven in einem Anlauf bis auf das Plateau zu gelangen.

1. Ganz bis zum Anschlag, 2. Gang bis zum Anschlag und wieder hoch mit der Kiste. Es lief eigentlich ganz ordentlich. Man konnte zumindest den tiefen Spuren gut ausweichen, auch wenn wir immer langsamer wurden. Und dann war vor uns irgendein Idiot hier, der mit seinem schweren Karren schräg zu der allgemeinen Richtung, die geradeaus von unten nach oben führte, gefahren war. Etwa 300 m bevor der Aufstieg wieder eben wurde kreuzten wir diese Spur, die ich zu spät erkannte, um noch nach links ausweichen oder um einzudrehen um im stumpfen Winkel darüber fahren zu können. Jetzt saßen wir doch fest, kurz vor der Plateauebenen. Vielleicht wäre es doch gescheiter gewesen mit der bewährten Methode auf der Hauptspur zu fahren, aber der Reiseführer riet dazu, sich eine eigene Spur zu suchen und der mußte es ja wissen.

"Nun steht mal stramm, Jungs, ihr kommt in die Zeitung!"
Wieder mal buddeln um zwei Uhr Nachmittags. Ein Sandblech war schon unter dem Rad hinten rechts eingesetzt, die anderen drei posieren für das Bild.

Das schlimmste war nicht mal das Graben, sondern daß wieder mal nichts Kühles an Bord war, alles andere war halb so wild. Für das Ausbuddeln hatte ich kein Patentrezept. Das war das einzige, was der Reiseführer nicht beschrieb. Wir gingen in etwa folgendermaßen vor. Unterlegbrett unter die hinteren Aufnahmen, dann Wagenheber ansetzen, das Auto anheben, bis das Blech unter dem Rad plaziert werden konnte, dann das gleiche Spielchen auf der anderen Seite. Dann, je nach Gelände, Blech für Blech vorfahren und die hinten freiwerdenden vorne wieder anfügen. Nach höchstens 30 m wurde es mir zu blöd. Ich versuchte es ohne Bleche, blieb aber nach vielleicht weiteren 30 Metern stehen, bevor das Auto wieder festsaß. Wieder auf den Sandblechen nahm ich über die Länge von zwei Sandblechen "Anlauf" und jagte den Karren im Ersten mit Vollgas im weiten Bogen auf das Plateau wobei ich über die ziemlich stark ausgefahrene Hauptspur, im stumpfen Winkel rumpelte und weiterfuhr. Harri erlebte diese Aktion auf dem Kofferraumdeckel mit. Er setzte sich immer darauf, damit das rechte Rad nicht durchdrehte, da die ganze Last auf die linke Wagenseite drückte. Er übernahm sozusagen die Aufgabe der nicht vorhandenen Differentialsperre. Mich wundert es, daß er nicht im hohen Bogen hinunterfiel. Ich wäre spätestens beim Sprung über die Hauptspur abgestiegen. Stehen blieb ich erst, wo mir der Untergrund schön hart erschien und das war auf dem Plateau der Fall.
Fast geschafft. Es mußten die Sandbleche noch eingeholt und wieder aufgeschnallt werden, die - von hier oben gesehen - etwa einen Tagesmarsch zurücklagen. Mir als arbeitsscheuen Faulenzer kam das als der anstrengendste Teil des Ganzen vor, obwohl ich das nicht so recht zu beurteilen vermag, denn während ich nur mit Kupplung, Gas und Fluchen beschäftigt war trugen Harri und Almut die Hauptlast des Schleppens ohne einmal zu murren und ohne zu meckern. Ich schnappte mir auch zwei Bleche - zwar auch ohne Murren, dafür aber mit viel Fluchen, was eine meiner Spezialitäten ist. Die Sandbleche sind auch noch echte "deutsche Wertarbeit". Massiv und stabil, aber auf Dauer schwer wie Sau.

So sah die Sandblechschleppaktion von unten aus... ...und so von oben.

Hinten links auf dem rechten Bild erkennt man den Kontrollposten el-Elaouen. Es vermittelt einen kleinen Eindruck, wie verlassen er ist. Es frage mich keiner, was das für ein dunkler Streifen am Horiznt ist. Dieser ist mir erst auf dem Bild aufgefallen. Es ist jedenfalls nicht das Meer und auch keine Vegetation. Vielleicht ein Felsplateau?
Nicht, daß es mir nicht schon vorher klar gewesen wäre, was es heißt, mit einem PKW auf Sandpisten zu fahren: Mit 100%iger Sicherheit viel Buddeln. Aber man macht da und tut, schwitzt nicht, aber bekommt einen unvorstellbaren Durst. Man könnte eimerweise selbst Wasser saufen, aber genau das sollte man nicht tun. "Markus, willst Du was trinken, oder verschmachtest Du lieber weiter?" -"Was gibt's denn? Spezi mit Eis und Zitrone?" -"Leider nur lauwarmes Wasser" -"Nö, danke. Iiihh, wääh... Ich brauch 'nen Kühlschrank, nein - eine Gefriertruhe."
Der Rest der Piste bis zum Mathendous, schätzungsweise etwa 20 km, war wieder sehr gut zu befahren. Außer einem Schepperer auf dem Dach, der von der Wasserflasche ausgelöst wurde, die sich gelockert hatte, gab es keinen Grund zum Anhalten. Wir passierten das UNESCO-Schild, dessen Koordinaten auch im Buch angegeben waren und standen schon um kurz nach fünf am Anfang der "üblen schwarzen Hammada".
Göttler empfiehlt, das Auto hier stehen zu lassen, wobei er davon ausgeht, daß man im Geländewagen unterwegs ist. Nach einem kurzen Versuch, bis zum Wadi zu fahren, gab ich schon wieder auf und stellte es bei der grauen Tonne ab. Man hätte zwar fahren können, aber wenn man zu Fuß schneller ist, dann ist das Unsinn und außerdem wollte ich das den Reifen ersparen, denn es waren unsere letzten. Bis zum Wadi waren es, wenn man das GPS zu Rate zog, genau 4,5 km Luftlinie. Zu Fuß würden wir etwa eine Stunde benötigen, wenn wir gemütlich liefen, wären also frühestens um kurz nach sechs dort. Die Sonne würde um kurz vor sieben untergehen und die Dämmerung dauert hier nicht lange, wie schon des öfteren erwähnt. Das hieße, sich bei Dunkelheit auf den Rückweg machen. Keine Böcke.
Lieber hier bleiben, eine schöne Feuerstelle errichten, Holz suchen, den Nachtplatz gemütlich herrichten. Zumindest wir zwei Männer blieben beim Auto. Die Frau ließ es sich nicht nehmen, noch im Dauerlauf zum Wadi zu spurten, wo sie festgestellt haben muß, daß man nichts mehr sieht und wieder zurücklief. Die Sandbleche hatten wohl nicht genug an den Kräften gezehrt. Wir hatten derweil gekocht und gegessen. Almut wollte nichts - sie ist sehr sparsam im Verbrauch.

"Ein junger Abend irgendwo im Norden Afrikas."

So warb einst ein Tabakwarenhersteller auf seinem Drehtabak Namens Casablanca. Eine Cigarette genießen, während rings umher, von Horizont zu Horizont Myriaden von Sternen in die Nacht funkeln. Was will der Mensch noch mehr zum Glücklichsein?


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