Libyentour 1999
Donnerstag, 2. September

Nach dem Reifenwechseltheater fuhren wir weiter, mit einem 14"er vorne links. Sah von innen ziemlich doof aus, weil das Bild etwas verschoben war, die linke Seite der Haube hing deutlich tiefer als die rechte. Die Piste ging zu Ende, wir durchfuhren Schweyrif und fuhren noch einige Kilometer weiter nach Süden und verließen um zwei Uhr Nachts die Straße. Diesmal ostwärts, denn rechts von der Straße war nicht gut fahren. In dieser Gegend waren wir letztes Jahr einige Kilometer hinausgefahren. Es war brettebene Serir. Da ich es aber nicht für nötig gehalten hatte, die Position einzugeben, fand ich die genaue Stelle auch nicht mehr. Auch das ist die Wüste; das Gelände kann über zig Kilometer gleich bleiben oder sich innerhalb weniger hundert Meter grundlegend ändern. Das erschwert die Nachtplatzsuche bei Nacht.

Letztes Jahr waren wir mit der Karre, die schon mit dem Bodenblech fast auf der Straße lag, 10 oder 20 km nach der Landebahn auch bei Dunkelheit einfach irgendwo von der Straße in westlicher Richtung ab, mehrere Kilometer in die Wüste gefahren und hatten keine besonderen Schwierigkeiten gehabt. Nun suchten wir die selbe Stelle vergebens. Es war alles so steinig, daß man nur mit Schrittempo vorankam. Im Schein des inzwischen aufgegangenen Mondes konnte man immer noch nicht viel erkennen. Wir durchfuhren einige kleine Furchen und stellten das Auto in einem Einschnitt zwischen zwei Plateaus ab. Almut schlief schon und hatte die ganze Suchaktion nicht mitbekommen.

Etwa 500 m östlich der Straße.

Wieder hatten wir neben einer Trasse geschlafen, ohne es zu bemerken. ca. 500 m weiter östlich verlief genau parallel zur Straße vermutlich entweder eine GMMR-Trasse oder die alte Trasse, die noch aus der Zeit vor der Asphaltstraße stammt.
In der Früh war Almut auf eines der Plateaus geklettert um wie fast jeden Morgen über den Weltempfänger Nachrichten aus der Heimat einzuholen. Ich ging auch hinauf um mir die Gegend anzusehen. Ihre erste Frage war "Wie sind wir hier reingekommen? Und warum ist die Straße im Westen und nicht im Osten?" Von hier oben sah das Gelände tatsächlich etwas schlimmer aus als es war.

Wir fuhren weiter, stundenlang durch die Wüste, durch Sebha, wo Obst eingekauft wurde, und Maknusa in Richtung Germa. Kurz vor Germa hielt ich, um ein bißchen Diesel aus den Kanistern in den Tank umzufüllen. Bei dieser Gelegenheit wollte ich auch endlich mal nachsehen, warum das linke hintere Rad einen leicht negativen Sturz hatte. Es war mir schon in Jalu aufgefallen, aber ich war wieder mal zu faul gewesen um das gleich festzustellen.
Während das Diesel nun aus den Kanistern in den Tank lief, legte ich mich unters Auto, um der Sache auf den Grund zu gehen. Ich kannte zwar noch aus Passat-Zeiten, daß sich die Hinterräder bei hoher Zuladung oben nach innen neigen. Diese Erscheinung endete aber mit dem Kauf des Mercedes. Bei diesem gab es sowas nie und er war weiß Gott schon schwerer beladen, etwa mit Tieflader, auf den ein Held einen Tonnenschweren /8 bis ganz vor gefahren hatte. Ich stellte dann fest, daß die Radaufhängung (wenn sie das ist) an der Stelle, wo der Stoßdämpfer festgeschraubt ist, durchgebrochen war. Das erklärte auch, warum das Auto bei Bodenwellen nicht nur eine Auf- und Abbewegung machte, wie es durchaus normal ist, sondern auch leicht um die Längsachse schwankte. Das mußte wohl auf der Strecke nach oder von Kufra passiert sein. Der vordere Teil war noch ganz und durchbrechen konnte sie nicht, da sie erstens aus zwei Teilen besteht und es sich zweitens um einen Teil eines Mercedes-Benz handelt. Zwar führte das zu einem verstärkten Verschleiß an der Innenseite des Reifens, der aber nach den gemachten Erfahrungen zur Strafe sowieso in die Tonne getreten wird, so daß wir dadurch keinen großen Verlust erlitten.

Hier wieder extrem künstlich anmutendes Grün, das nicht recht hierher passen wollte und in dieser farblosen Landschaft zu fluoreszieren schien. Dünen, Palmen, Akazien, Ginster und... Gras? Keine Ahnung.

Wir hatten es ein bißchen eilig, wir wollten noch Brot einkaufen, das in Sebha nicht zu organisieren war und wer weiß, vielleicht konnten wir ja schon einen schönen Nachtplatz auf der Piste beziehen? Mit dem Brot ist es in Libyen so eine Sache. Nicht, daß es Versorgungsengpässe gäbe. Nahrungsmittel sind immer und überall vorhanden und gerade Brot bekommt man buchstäblich nachgeworfen. Wenn man in Restaurants nachfragt, dann bekommt man es meistens geschenkt oder man bekommt es geschenkt, ohne danach gefragt zu haben, nur hat eben in der Gluthitze am Mittag oder am Nachmittag meist alles zu.

Entweder man besorgt sich Lebensmittel in der Früh oder am Abend. Am Abend sollte man aber nicht weit von der nächsten Übernachtungsmöglichkeit entfernt, also in der Wüste sein, da es schnell dunkel wird und man dann in der Dunkelheit wieder recht blöd in der Weltgeschichte rumgurkt und nach einem Platz suchen muß, nur um am nächsten Morgen festzustellen, daß 200 m weiter ein viel besserer gewesen wäre. Also wollten wir schnell nach Germa rein, Verpflegung fassen und schnell wieder raus, um vor Einbruch der Dunkelheit auf die Piste zu gelangen. Aber, wie es nun mal so ist, wenn man es eilig hat...

Reifenpanne Nr. 4 bei km 9.618. Hinten sollten nach Möglichkeit Reifen gleicher Größe montiert sein wegen des Differentials, also mußte der letzte 14"er abgeladen, der vordere Reifen abgemacht und hinten montiert und der 14"er vorne angebracht werden. Dann noch den leeren auf dem Dach provisorisch verzurren und weiter ging's. Zuvor wurden noch die trockenen Äste, die hier so unverschämt ins Bild hingen mitgenommen, die uns am Abend als Feuerholz dienen sollten. Das kostet nichts und spart Spiritus.

Als wir nach Germa kamen tankten wir und suchten einen Reifenhändler auf. In Libyen, wie schon gesagt, kein Problem, denn die gibt es überall. Für einen neuen Reifen reichte das Geld nicht mehr aus, also wurde ein Schlauch gekauft und in den einzigen reparierbaren 15"er, der uns noch verblieben war eingezogen. Es war der Reifen, der am Vortag kurz vor Mitternacht auf der GMMR-Trasse den Geist aufgab. So hatten wir wenigstens einen Ersatzreifen. Die 14"er blieben dran. Der Reifenmonteur (auch aus Nigeria) sagte mir schon, und das wußte ich auch, daß diese Felgen für Schlauchreifen ungeeignet wären. Als ich ihm sagte, daß wir nur noch knapp 100 LD hatten und ein Reifen 130 LD kostete, verstand er unser Problem. Er wollte auch kein Geld annehmen, aber so hatte ich es nicht gemeint, als ich ihm von unserer finanziellen Lage erzählte und also gaben wir ihm 5 LD. Soviel hatte es in Jalu gekostet.
Ich finde dieses Englisch, das die Nigerianer sprechen großartig. Keine behinderten 'R's, die sich anhören, als wollte ein besoffenes Reptil einen menschlichen Laut von sich geben, sondern ein klares und in Bayern übliches, gerolltes 'R', wie überhaupt alles klar, eindeutig und verständlich ist. Und vor allem ist es stark vereinfacht, was mir mit meinem englischen Nullwissen sehr entgegenkommt. Ich war ja in der Schule immer der Auffassung, daß es vollkommen ausreichen würde, wenn man Schriftenglisch beherrscht, den einen oder anderen mündlichen 6er machten die schriftlichen 2er wieder gut; wenn ein Brite was von mir will, soll er gefälligst Deutsch reden ("natural enemies"), so wie ich in England auch englisch reden muß. Meine wenigen Kontakte mit Engländern schienen meine Auffassung zu bestätigen. Der letzte kapierte sofort, was ich wollte, ohne daß ich große oder gar verständliche englische Worte machen mußte und er konnte auf einmal ein paar Brocken Deutsch ("Ick bin leider for sitzen auf die Auto...").
Nun würden wir für den Rest der Reise vorne mit 14"ern unterwegs sein, was sich nicht nur auf die Bodenfreiheit negativ auswirkte. Die Chancen, wieder eine Reifenpanne zu erleiden stiegen enorm, da das Straßenreifen waren und wir mindestens 2 Pisten noch vor uns hatten, nämlich die A12 zum Mathendous und die A8. Da wir auch nur noch ein verkrüppeltes Ersatzrad hatten, mußten wir bei der nächsten Reifenpanne auf einer dieser Pisten sofort umkehren bzw. auf kürzestem Wege die Zivilisation aufsuchen, wollten wir nicht in eine unangenehme Situation kommen. Ich hatte noch nie einen Reifen geflickt und wollte nicht in die Verlegenheit kommen, es wohl oder übel lernen zu müssen, ganz zu schweigen von dem Anschiß, den man zweifellos und zu Recht verpaßt bekäme, wenn in der Wildnis doch einer vorbeikommt.
Brot war auch hier nicht aufzutreiben, also begnügten wir uns mit Nudeln, Gemüse und Thunfisch. Die Sonne war schon wieder weg und wir beeilten uns, auf die Piste zu kommen. Wir fuhren das Plateau auf erstklassigem Belag hoch. Nach 5 km hörte der gute Asphalt auf und ein unangenehmer Rohasphalt übernahm das Regiment. Auf diesem fuhren wir weiter, aber da wir am nächsten Tag doch wieder nach Germa mußten, um Brot zu holen, verließen wir schon nach etwa 3 - 5 km die "Straße" und bezogen nicht weit von ihr Stellung. Auch war es schon dunkel, das Gelände zu steinig und nach unserer Auffassung würde auf dieser Straße in der Nacht keiner Fahren, da es ab hier außer einer dummen Siloanlage, etwa 50 km weiter, nichts gab, erstrecht nichts, was man Nachts anfahren würde.
Wir machten es uns also am Lagerfeuer gemütlich, aßen Spaghetti tranken Tee, rauchten die letzten Cigaretten unterm Sternenzelt und freuten uns, daß wir trotz der Nähe zur 'Straße' einen ruhigen Nachtplatz hatten.

"Wie wir's doch gemütlich haben
In unserm Schutzengraben..."

Zu früh gefreut. Mit Logik war hier nichts zu wollen. Kurz vor dem Einschlafen wurden wir vom Lärm dreier Laster wieder wach, die über das Wellblech der Trasse bretterten und die man noch hörte, als sie den Augen längst entschwunden waren. Sie ratterten, schepperten, quietschten, klirrten, rummsten, krachten vorbei, man hörte das eigene Fluchen nicht mehr. "Kreiz Crucefix Halleluja Himmel Arsch und Zwirn Sackl Zement Weiberleit... Scheiß Viecher!" Weiß der Henker, wo die um diese Uhrzeit hinwollten.


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