Libyentour 1999
Donnerstag, 26. August

Wir fuhren solange, bis die Straße besser wurde und verließen sie dann noch bevor die Ölcamps, bei denen wir auf dem Weg nach Kufra übernachtet hatten, sich zeigten. Der Untergrund war wieder sehr gut befahrbar, wenn auch etwas weich. Wir fuhren gute 10 - 15 Kilometer in westliche Richtung von der Straße weg. Geschwindigkeit Nachts etwa 30 km/h. Mehr war nicht, denn jederzeit konnte eine quer zur Fahrtrichtung liegende Bodenrille aus der Dunkelheit auftauchen und das ist immer schlecht für das Auto. Ich hab von Spezialistinnen gelesen, die es aber auch tagsüber schafften, eine Bodenwelle zur Schanze umzufunktionieren und die dann neben ihrem umgekippten Auto standen.

Ein Fußmarsch in der Wüste mußte auch mal sein. Nach 15 Minuten war das Auto nur noch deshalb auszumachen, weil ich ungefähr wußte, wo es stand. Die weißen Wasserkanister waren weithin sichtbar, wenn auch nicht als solche erkennbar. Auf dem Originalbild ist das Auto als winzig kleiner Punkt zu erkennen. Es befindet sich auf der Kimm, genau in der Mitte des Bildes. Hier sieht man natürlich nichts mehr davon. Ich ging vom Auto weg genau auf einen kleinen Hügel zu. Er war die einzige Erhebung die man sah.

Als ich auf dem Hügel stand sah alles ganz anders aus. Man hatte absolut keinen Orientierungspunkt. Ich wußte nichtmal wo die Straße war und es wurde mir klar, wie leicht man sich in der Wüste verlaufen kann und warum Menschen, denen das passiert in Panik geraten. Man kann hinrennen, wo man will, alles sieht gleich aus, nichts verändert sich. Es ist, als ob man in einer riesigen Gummizelle gefangen ist, ohne Wasser, dafür bei sengender Hitze. Die eigenen Fußspuren sind in der Sandwüste der einzige Anhaltspunkt, den man hat, doch die führen auch nur dahin, wo man herkommt und an ihnen die Marschrichtung  festlegen geht auch nicht, weil man sie schon nach wenigen Metern aus den Augen verliert. Gefällt mir nicht ohne Auto.

Weiter gen Norden. Wir hatten es nicht sehr eilig, da wir sowieso nicht an der Küste übernachten, sondern diese lieber Tagsüber passieren wollten, um dann in Sirt wieder nach Süden zu fahren. Wir fuhren nicht den Weg zurück, den wir gekommen waren, also auf unseren eigenen Spuren, sondern, da wir es ja, wie gesagt, nicht eilig hatten, fuhren wir im spitzen Winkel auf die Straße zu. Das GPS zeigte sie noch an, da wir ja auf ihr nach Kufra gefahren waren und so steuerte ich einfach grob nach Nordnordost. Irgendwann näherte sie sich dann von rechts und wir waren wieder auf Asphalt. Fenster schließen, Klimakompressor ankoppeln, Diesel Große Fahrt voraus.
Das Denkmal des "Man-Made-River-Projekts" wird erneut, diesmal von Süden kommend passiert.

"Diese Rohre sind 7m lang, haben einen Durchmesser von 4 m und wiegen 73 t. Dieses Projekt gilt als das größte Bauvorhaben der Erde. Grundwasser wird aus den Brunnenfeldern hier in der Serir und aus denen bei Tazurbu nach Norden in die Küstenebenen um Benghasi, Sirt und Tripolis gepumpt, wo es dann für Agrarprojekte oder auch in den Städten genutzt wird. Die Entfernung von den Wasserfeldern der Serir bis zur nächsten Verteilstation bei Ajdabiya beträgt 355 km."
Quelle: G. Göttler, Libyen, Reise-KnowHow

In Jalu machten wir es uns wieder mal in einem Café gemütlich und blieben eine lange Zeit dort. Briefe gingen an die Heimat, die gar nicht fern genug sein konnte. Fernweh in der Ferne - das soll es auch geben. Wäre schon was für unsereinen... im Mercedes über Ländergrenzen hinweg in die weite Welt hinaus zu fahren, solange bis das leuchtende Kreuz des Südens sich am Firmament erhebt, frei nach Hans Albers
Mich trägt die Sehnsucht fort in die blaue Ferne...
Unter mir Teer und über mir Nacht und Sterne.

Am späten Nachmittag fuhren wir weiter. Nur nicht zu nahe an die Küste. Eine dreiviertel Stunde vor Sonnenuntergang verließen wir die Straße dort, wo sie einen leichten Knick nach Nordnordwest macht in ostnordöstlicher Richtung. Etwa 10 km fuhren wir querfeldein, immer wieder Bewuchszonen mit mickrigem Ginster querend und blieben nicht in einer dieser Niederungen, sondern auf einer kleinen Erhebung stehen, den Bug, wie immer in Südrichtung, damit wir auf der Steuerbordseite liegend möglichst lange vor der Sonne geschützt blieben. Gerne hätten wir uns in die vom Wind geschützte Niederung gestellt, aber der Wind war nicht so schlimm wie die Pflanzen. Wo es Pflanzen gibt, gibt es auch Fliegen und der Wind bläst sie hoffentlich weg.

Hier bekamen wir einen großartigen Sonnenuntergang zu schauen. Beethovens 3. Symphonie erklang als Begleitmusik...
...während der Mond im Osten bereits aufgegangen
war.

 


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