Libyentour 1998
Mittwoch, 9. September

In aller Frühe - wie immer - ging es weiter nach Sebha. Um 8:10 Uhr (km 5.076) waren wir wieder auf der Straße. Wir hielten in Hun an, um die Vorräte zu ergänzen und vor allem, um Brot einzukaufen. Es war gerade Markt (= Souk). Als wir auf die Bäckerei zugingen kam uns ein alter Mann entgegen. Als er uns sah, brüllte er irgendwas unverständliches und winkte uns zu ihm. Er hatte einen großen Sack voller Brot und schenkte jedem zwei ofenfrische Stangenweißbrote, man konnte sie kaum halten. Als ich zu meiner Hemdstasche nach Geld greifen wollte, wollte er es nicht annehmen und ging weiter. Den Gang zur Bäckerei konnten wir uns nun sparen. Auf dem Markt wurde dann Obst, Marmelade usw. eingekauft. Hier - mitten in der Wüste - erfUhren wir von einem einheimischen Händler, daß Berti nicht mehr Bundestrainer war und daß die Libyer sehr begeisterte Anhänger der deutschen Nationalelf wären, aber doch sehr enttäuscht über ihre Leistung bei der WM.
Danach ging es weiter. Die Straße zwischen Sirt und Sebha ist an sich sehr gut, aber kurz vor Sebha verwandelt sie sich in eine sehr unangenehme Buckelstrecke. Ich mußte teilweise auf der etwas besseren Gegenfahrbahn, was bei dem nicht vorhandenen Verkehr nicht gerade als risikoreich eingestuft werden kann, oder neben der Straße fahren, da ich Angst um meine Ölwanne hatte. Eine Ersatzölwanne lag zwar im Kofferraum und genug Öl für einen Ölwechsel war auch da, aber sein muß es ja nicht... Wir kamen am späten Nachmittag in Sebha an und mußten feststellen, daß das Touristenbüro entweder geschlossen, verlegt oder sonstwas hatte, jedenfalls war es weg. Naja...dann eben nicht. Und Michl fing auch schon wieder an Panik zu machen, weil Sebha so eine gefährliche Stadt ist. Sonst geht ihm alles, wirklich ALLES am A.... vorbei, nichts tangiert ihn, nichts interessiert ihn, nichts tut weh, nichts verursacht Streß. Ich war schon sehr erstaunt, wie so jemand in einer fremden Umgebung so einen Sinneswandel durchmachen kann, zumal ich glaubte, ihn ziemlich genau zu kennen.
Gerüchten zufolge soll einem deutschen Pärchen in Sebha die Kehlen durchgeschnitten worden sein. In Sebha leben viele illegale Einwanderer aus den Sahelstaaten, die versuchen, sich hier ein Stück des libyschen Wohlstands zu sichern, egal, wie. Das mag ja sein, aber in Augsburg wurden bestimmt schon mehr Leute ermordet und man macht sich für gewöhnlich deshalb nicht gleich ins Hemd.
Ziel war eigentlich der nördliche Wendekreis, aber dieses mußte ja ob zu geringer Bodenfreiheit auf Sommer 1999 verschoben werden und so war ein Kreisverkehr in Sebha der südlichste Punkt, den ich mit meinem Daimler bisher erreichte.

Sebha
Ein Kreisverkehr in der libyschen "Kriminalitätsmetropole" Sebha. Von hier aus ging es wieder nord- und somit heimwärts.

Nachdem wir einige Male auf und ab gefahren waren, einmal extra für Michl, verließen wir Sebha wieder und fuhren zurück in Richtung Norden mit Ziel Sabrata, wo wir die Mädels abliefern würden. Kaum hatten wir Sebha verlassen, passierten wir einen Kontrollposten, der uns aufforderte auszusteigen. Sie boten uns ihren letzten eisgekühlten Saft und Cigaretten an und wir unterhielten uns, mit den Mädels als Dolmetscher. Auch wurde hier die Rangstellung der Frau in islamischen Ländern deutlich: Die Polizisten sahen mich oder Michl an und nicht die Frauen, obgleich wir keinen Fetzen arabisch konnten. Diese hatten nur die Funktion, zu übersetzen. Das ist normal und die beiden nahmen es ihnen auch keineswegs übel, kannten sie doch die Gepflogenheiten der Moslems sehr genau. "In manchen islamischen Ländern muß Frau sich daran gewöhnen, daß sie höflich begrüßt und dann nicht mehr beachtet wird." So oder so ähnlich steht es in irgendeinem Reiseführer. Der westliche Emanzipations"gedanke" ist nun mal hier fehl am Platze und nicht zuletzt deshalb finde ich die Araber ziemlich cool.

In Brak wurde wieder mal eingekauft (mir war der Zucker ausgegangen) und weiter ging es in Richtung Schweyrif. Es ging wieder in die Hammada al-Hammra und die Straße war und blieb erstklassig. Hier war das Gelände noch etwas zu hügelig für Nachtplatzsucherei. Wir hofften, bald etwas zu finden, denn viel Zeit hatten wir nicht mehr: Die Sonne hing schon ziemlich tief und die Dämmerung dauert hier nicht lange. Es würde aber bald dunkel werden und bei Dunkelheit tut man sich schwer, ein passendes Gelände zu finden, weil man das Gelände nicht sieht; es nützt nichts, wenn man einen schmalen Streifen vor der Haube bei künstilchen Licht sieht, man muß die Beschaffenheit in der ganzen Umgebung überblicken können. Freilich, in einem Geländewagen ist es völlig egal, ob die Steine faustgroß sind oder 20 cm Durchmesser haben, aber ein W123 ist nun mal kein Geländewagen. Etwa um 19:00 fuhren wir wieder hinaus in die Wüste, um einen Nachtplatz zu suchen. Es war unsere letzte Nacht in Libyen und wir fanden auch einen schönen Nachtplatz, wenn auch keinen windgeschützten.

Der Sonne entgegen
Hinter uns die Straße. Wir fuhren gen Sonnenuntergang, um hier einen schönen Nachtplatz zu suchen. Eigentlich wollte ich bis vor zu den Bergen, aber die Steine machten mir dann doch wieder mal einen Strich durch die Rechnung.

Der Mond ließ sich erst weit nach Mitternacht blicken und noch einmal durften wir den sagenhaften Sternenhimmel der Sahara bewundern, der schönste, den ich je sah. Die Nacht war klar, die Sterne unwirklich hell und wegen fehlenden Störlichtquellen so zahlreich, wie sonst nirgens. Die Sterne reichten bis kurz über den Horizont. Man konnte geradeaus schauen und sah Sterne, schwächer als die anderen, die direkt über uns waren, aber man sah sie. Weiß gar nicht, wie das funktionieren soll, aber das ist mir auch egal. Was nützt es, das zu wissen, und es nie gesehen zu haben? Ich versuchte, das auf einem Bild festzuhalten, obwohl ich da schon wußte, daß das Bild nichts werden würde. Ist auch gut so. Ein Bild würde dem sowieso nicht gerecht.
Der Wind wehte stärker als sonst und das Auto wurde wie immer so gestellt, daß er uns nicht mit Sand eindeckt. Zwischen das vordere und das hintere Rad wurden Gepäckstücke gelegt, so daß wir optimal vor Wind geschützt waren.
Es ist übrigens ein Gerücht, daß es in der Wüste Nachts immer lausig kalt wird. Es wird nur im Winter richtig kalt, im Sommer ist es Nachts gerade angenehm: trocken und warm. Es kühlt schon ab in der Nacht, aber nicht unter 15°C. Auch kurz vor Sonnenaufgang kann man im T-Shirt rumlaufen, ohne Gänsehaut zu bekommen.

Ich füllte das Diesel von den Kanistern in den Tank, damit wir am nächsten Tag nicht sofort wieder tanken fahren mußten. Davon abgesehen ist die nächste Tanke erst ein paar hundert Kilometer weiter und die Reserveleuchte hatte schon seit längerem ihre Tätigkeit aufgenommen. Wieder eine Gelegenheit für mich, eine weitere Gewaltleistung der Intelligenz zu vollbringen: Ich hatte mir ein ewig langes Stück Gartenschlauch abgeschnitten und mitgenommen und es zum Standardersatzrad gelegt. Es war just dafür gedacht, das Diesel aus den Kanistern in den Tank zu befördern, ohne sie vom Gepäckträger herunterheben zu müssen. Aber der beste Schlauch nützt nichts, wenn man vergißt, daß man ihn dabei hat und anstatt dessen in stundenlanger, sinnloser weil überflüssiger Arbeit die tausend Zurrgurte löst, um die Kanister abzunehmen...
Als das erledigt war - es war eine etwas langwierige Prozedur - wurde zu Abend gegessen. Als Beilage gab es heute besonders viel mineralhaltigen Wüstensand, da der Wind ziemlich heftig über die Ebene fegte. Inzwischen hatte ich mich wohl oder übel daran gewöhnen müssen, daß man immer Sandkörner in der Fresse hat. Der Zahnschmelz ist härter...

Teatime
Abendmahl bei Mondenschein in der Hammada al-Hammra im Windschatten des Daimler. (N 28°15’12’’ / E 14°16’20’’)

 


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