Die Rückfahrt 2004
Mittwoch, 17. März

Faszinierend. Ich hatte sogar einen 110er-Schnitt. Kaum zu glauben, das war absoluter Rekord. Ich war um 15 Uhr losgefahren, wir hatten nun 2 Uhr morgens, also 11 Stunden später und ich hatte gute 1200 km geschafft. Fuß aufs Gas und nichts wie weg. Es könnte zu schaffen sein, ich hatte immer noch genug Zeit. Die Reserveleuchte ging zum zweiten Mal an. Ich behandelte sie wie immer. Das war ein fehler, denn plötzlich fehlte der Schub. "Dreck..." Schnell an den Rand gefahren und einen Kanister in den Tank gelassen. Dauer der Aktion: 5 Minuten. Weiter. Bei der nächsten Tankstelle raus und tanken. Öl nachgießen, nach dem Kühlwasserstand sehen. Naja, 4 Liter hat er schon geschluckt. Kein LEck festgestellt. Keinen Aufenthalt - weiter. Wie ich da so in Gedanken vor mich hinrase, fällt mir ein, daß ich mich nicht erinnern konnte, daß mir der Typ an der Tanke meine Kreditkarte zurückgegeben hätte. Das Herz ging sofort in den roten Bereich. Ich wollte das Licht anmachen, aber es ging nicht. "Fuck! Scheiß Licht!" Das linke Knie übernahm das Fahren, ich nahm das Feuerzeug und untersuchte den Geldbeutel. "Jetzt bist Du im Arsch", schoß es mir durch den Kopf. Ich drehte auf dem Grünstreifen ohne Rücksicht auf Verluste um und mir Vollgas zurück. 45 Kilometer seit dem ich die 1300 km nachsah, zwanzig Minuten, seit ich die Tanke verließ. Schnell die Rechnung gemacht und ungefähr ausgerechnet, wo die Tanke gewesen sein muß. Ich war so außer mir, daß ich ständig auf den Tacho sah. Als die Zahl 90 auf dem Kilometerzähler erschien, stellte ich um. Noch 20 Minuten bis Ziel. Ich sah auch die Uhr, doch da war es immer noch 1:20 Uhr. "Fuck! Jetzt auch noch die Scheiß Uhr", schrie ich und schlug auf das Armaturenbrett. In Wirklichkeit war es 1:50 Uhr. Ich fuhr noch 20 Minuten und sah mich dann nach einer Conoco-Tankstelle um. Als ich hineinsprang, hielt er mir schon meine Karte entgegen. Um gleich nochmal tanken, weil es so schön war. Ich war um 2:52 Ortszeit hier gewesen, und jetzt war es 4:12. Toll. Und insgesamt konnte man knape 300 km wegrechnen. Ich bin einfach zu blöd. Jetzt war natürlich der Schnitt im Arsch. "Aber vielleicht schaffe ich es ja noch, um 2 Uhr in L.A. zu sein. 23 Stunden noch und 2500 km. Nun, vielleicht klappt es ja... Musik war genug da. Unter anderem ein altes amerikanisches Lied von 1917, das es sogar schaffte, mich bezüglich Destroit etwas sanfter zu stimmen:

Last night, as I lay a sleeping,
A wonderful dream came to me.
I saw Uncle Sammy weeping
For his children from over the sea;
They had come to him, friendless and starving,
When from tyrant's oppression they fled,
But now they abuse and revile him,
Till at last in just anger he said:

If you don't like your Uncle Sammy,
Then go back to your home over sea,
To the land from where you came,
Whatever be its name,
But don't be ungrateful to me!
If you don't like the stars in Old Glory,
If you don't like the Red, White and Blue,
Then don't act like the cur in the story,
Don't bite the hand that's feeding you!

Der Tag dämmerte herauf, ich war kurz vor Denver. Relativ kurz. Es waren noch 2 - 300 km. Um 6 Uhr war Halbzeit, Denver lag schon auf der zweiten Hälfte der Strecke. Doch noch war ich noch lange nicht dort. Bei einem Tankstopp stellte ich fest, daß der Kühler ein Leck hatte. Und es war wohl so groß wie Manhattan, denn alles war voller Frostschutz. Ich kaufte eine dieser Kühlerdichtflaschen und kippte das hinein in den Kühler. Vielleicht hilft es ja. Tat es natürlich nicht. Ich hatte starken Gegenwind und in Nullkomanix stand die Nadel schon im gelben Bereich. Anhalten, nachfüllen. Bis der Kanister leer war. Verdammt! Was tun? Nun, ich hatte neulich erst gelesen, daß die Maschinengewehre im ersten Weltkrieg einen sehr hohen Kühlungsbedarf hatten und sehr viel Wasser verbrauchten. Da die Wassermenge meistens begrenzt war, halfen sich die Soldaten dadurch weiter, daß sie praktisch das MG buchstäblich anpißten. Da sagt einer, ich hätte aus der Geschichte nichts gelernt. Jedenfalls war hinterher nun mehr Wasser im Kühler - und bestimmt nicht Kalkhaltig.
Wieder an einer Tanke heraus, Wasser auffüllen und weiter. Ich notierte: "7:35 Uhr: Zeitplan über Bord geworfen. Marschgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt". Und weiter ging es. Ich schraubte den Kühler nicht ganz zu, weil ich dachte, so kann das Wasser wenigstens durch den Deckel vverdampfen, statt durch das Leck. Denn er leckt erst, wenn die Temperatur und mit ihr der Druck steigt. Natürlich wird auch dadurch nicht erreicht, daß das Wasser im Kreislauf bleibt und insofern bringt es nicht viel. Aber ich mußte mich halt einfach philosophisch betätigen. Was ich von Denver halten soll, das kann ich nicht mal sagen. Ich habe wohl nur die Außenbezirke gesehen und die erinnerten mich stark an Medellin.
Kurz darauf ging es in die Rockys. Skibeladene Autos überall. Alles bestens, die Steigungen waren auch nicht wirklich zu hart. Aber dennoch fuhr ich sie am Standstreifen hoch um im Schrittempo. "Dreck... da sagt mir der Frank extra noch: Fahr nicht über die Rockys, nimm die Südroute." Aber nein. Ich quälte mich hoch, immer wieder anhaltend, um Wasser nachzufüllen. An jeder Tankstelle hielt ich und machte den kleinen Handkanister voll. Irgendwann mußten auch die Dachkanister vollgemacht werden.
In einer Ortschaft hielt ich in der Abenddämmerung vor einem Dreck Donnald's. Schon ein ganz anderer Schlag. Der Typ hinter dem Tresen spricht Englisch, der, der die Burger macht ist Mexikaner, das Essen schmeckt nicht, als wäre es älter als Methusalem, es werden Servietten mitgeliefert und er wußte sogar, wie hoch wir waren. "In Fuß oder in Metern?" Nicht schlecht. "In Metern natürlich..." "Ungefähr so um die 3000" Nun erklärte sich ja einiges. Nicht nur das schnelle Kochen des Kühlerwassers, sondern auch der schlechte Abzug. Da hab ich mal die Rockys an Höhe anständig unterschätzt. Ich warf meinen Burger ein, holte einen Rad Bull - diesmal bleibt der Wodka weg. Entweder Red Bull mit Wodka oder mit Diesel, denn beides verträgt sich nicht. Und dann ging es an den Abstieg. Als ich wieder unten war, da fuhr das Auto wieder ganz normal. Auch stieg die Nadel nicht in den gelben Bereich (das ist für mich der Bereich nach dem ersten Strich über der 80). Nun Vollgas gegeben und ran an den Feind! Wieder ging es dahin, wie am vorigen Abend. Ab und zu hörte ich einen Schlag. Erst ignorierte ich ihn. Ich hatte schon am Nachmittag einige gehört. Da schob ich es auf den Straßenbelag und der geht mich nichts an. Doch das Schlagen wurde häufiger. Ich konnte zwar sofort lokalisieren, wo er her kam, namentlich vom rechten Vorderrad, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Ich schob es auf den Reifen. "Egal, ich hab ja Ersatz", dachte ich mir und fuhr weiter. Dann kam mir in den Sinn, daß ich zwar Ersatz hatte, aber keine 17er Nuß, um den Ersatz an die Schwachstelle heranzuführen. Und mir fiel ein, daß der vordere rechte Reifen fast einen Platten hatte, als er monatelang bei Karl-Heinz stand. Ich fuhr an einer Tankstelle raus. Der Reifen fühlte sich an, wie Holz. Hat der gemeint, das ist eine Pferdekutsche? Ich ließ Luft an, bis er normal war. Dabei fiel mir auf, was mich in den USA stört: Keine einzige Tankstelle hat anständige Luftdruckprüfer. Selbst die Brasilianer sind da viel weiter. Aber egal, viel kann an einem Reifen nicht scheppern. Ich fuhr weiter und das Schlagen nahm nicht ab, sondern zu. Muß wohl die Bremse sein. Auch trat sich das Bremspedal weicher, was meine Vermutung bestätigte. Ich fuhr weiter, ohne besondere Rücksicht. An einer Tankstelle fuhr ich wieder hinaus, es mußte mal wieder getankt werden. Als ich weiterfuhr, nahm das schlagen eine beängstigende Lautstärke an. Ich gab Gas, in der Hoffnung, daß sich das Scheppernde Teil lösen würde und wegfliegen. Einfach nur Heim, dann soll sich der manuel das alles mal ansehen. Die paar Meilen schaff ich auch noch ohne Bremsen. Ich dachte, es muß der Sattel sein, denn er schlug im Rhythmus der Radumdrehungen. Doch nun war ich mitten in der Wüste. Kein Licht. Ich fuhr wieder zur Tankstelle. Teilweise Rückwärts, teilweise immer kurze Stücke vorwärts auf der falschen Bahn, bis sich am Horizon Lichter zeigten, dann drehte ich wieder um. Auf diese Weise erreichte ich nach einer halben Stunde die Tankstelle wieder. "Hallo, ist hier ein Mechaniker dabei?" "Nein, nur ein Abschlepper, aber 27 Meilen von hier ist ein Mechaniker..." Danke. Ich versuchte, selbst Hand anzulegen, aber leider gelang es mir nicht einmal, das Rad abzunehmen. Also fuhr ich weiter.


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