Destroit und kein Ende...
1. bis 13. März 2004

"Im Westen nichts Neues..."
Mit meinem Telephon hatte ich schon wieder Ärger. Wieder mal abgestellt, weil das Guthaben verbraucht war. Egal, wo man anruft, man kommt bei AT&T raus. Also blieb ich die 40 Minuten in der Warteschleife und fragte dann, was denn schon wieder los sei. Das Limit sei überschritten. "Buch es halt dann ab, für was geb ich Euch meine Bankverbindung?" Das geht nicht. "Dann zahl ich halt mit Kreditkarte, geht denn das?" "Ja, das geht." Sie fragte mich nach den Daten, ich gab sie durch, sie double-checkte alles nochmal, nur um mir dann zu sagen, daß das auch nicht geht. "Was?? Das Konto kann doch nicht jetzt schon wieder leer sein. " Ich setzte mich vor den Rechner, loggte mich auf den Bankacount ein. "Wieviel wollen Sie denn Abbuchen?" "39,95, Sir" "Also gut, auf dem Acount ist momentan ungefähr das Dreißigfache drauf, buch es ab..." "Das geht nicht, sie müssen die Zahlung in einer AT&T-Geschäftsstelle vornehmen. "Warum das denn?" "Sir, Sie müssen zu einer Geschäftsstelle, ich kann da nichts machen." "Ihr Geschwätz geht mir auf die Nerven, ich habe gefragt, warum es nicht geht." "Sir, sie müssen zu einer Geschäftsstelle gehen." Aufgelegt. Das sind vielleicht Idioten.

Der "neue" Motor. 240 Diesel. Mal sehen, was der so kann...

Natürlich ist der nächste AT&T-Saftladen irgendwo in der Pampa und nicht in der Standmitte, wo nur Asoziale leben. Am Samstag in der Früh fuhren wir also hin. "Ich möchte gerne meine Telephonrechnung zahlen. Die haben gesagt, ich muß zu einem Store kommen, was mich wirklich off-pisst, weiß nicht, was das für eine Micky-Maus-Gesellschaft ist." "Jetzt hör hatlt auf", erklärte mir Hias, "sonst macht sie gar nichts." ...die Frage ist, ob sich etwas ändert, wenn sie was macht. "In spätestens 24 Stunden geht das Telephon wieder", versicherte sie mir, woraufhin ich zu Hias meinte, daß es also mindestens 24 Stunden dauern würde, bis das Telephon wieder ging. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe, zu fragen, warum die Karte im Laden funktioniert, am Telephon aber nicht. Es gibt keine logische Erklärung. Diese Szene hätte genausogut in Bamako stattfinden können, nur, daß es mich dort nicht gestört hätte, weil ich dort nichts anderes erwarte. Aber das hier soll das zivilisierteste alle Länder sein.

"Das hätte genausogut in Californien auch passieren können", wird mancher zu den meisten Sachen sagen, worüber ich mich in Destroit grün ärgere. "Ja, nur in Californien ist es noch nie passiert", lautet dann die Antwort. Das ist der feine Unterschied. Und deswegen ist und bleib Dreckstroit für mich ein Stück Müll und ich frage mich, warum die US-AirForce immer quer über alle Weltmeere fliegen muß, um jahrtausendealte Kulturstädte zu zerbomben, wo "das Gute" doch so nah liegt. Die könnten das hier gern zu einer Spielwiese für ihre gesamte B-52-Flotte umfunktionieren - ist es schon alles kaputt.
Als ich einmal so durch die Gegend fuhr, zeigte ich auf eine furchterrregende Menschenansammlung und fragte "Alter, was geht denn hier? Ist das was passiert?" "Ja, gell?", sagte Hias, "manchmal könnte man meinen, der Bush hat irgend ein Amnestiegesetz erlassen - aber es ist tatsächlich nur eine Schule." Nachwuchsgangster, sonst nichts. Ich glaube nicht, daß irgendwer ernsthaft davon ausgehen wollte, daß auch nur 5% der Schulabgänger einen halbwegs vernünftigen Beruf ergreifen. Vielleicht nicht so sehr, weil sie nicht wollen, sondern weil sie gar nicht können.

Hias ging am Donnerstag auf Heimaturlaub. Damit verglichen fühlt man sich in Destroit gleich wieder viel wohler, will sagen, es gibt schlimmere Plätze. Deutschland, zum Beispiel. Aber dummerweise klappt das nur für ein paar Stunden. Mittlerweile sind fast anderthalb Monate vergangen. Erinnert stark an die Situation damals in Brasilien, mit dem Unterschied, daß es hier nur eine Frage der Zeit ist. Doch die läuft ab. Ich hatte genug Zeit, mir zu überlegen, wie es weitergehen soll. Vielleicht passiert es ja, durch einen Zufall oder ein Wunder, daß das Auto diese Woche fertigwird. Gesetzt den Fall, ich wäre am Freitag abfahrbereit, wäre ich am Montag oder Dienstag in Kalifornien. Dann habe ich noch 20 Tage USA übrig, das heißt, ich muß mir etwas einfallen lassen. Die schönen drei Monate, die ich in Alaska bekommen hatte... Dahingeschmolzen wie Das Hirn eines Detroiters in der Sonne. Im Eimer. Großartig! 90 Tage, davon 15 in Kalifornien, 15 unterwegs und 60 in einem Dreckloch abgehangen. Doch es trat weder ein Wunder, noch ein großer Zufall ein, das Auto war auch am Freitag nicht fertig.

Eines Nachts - es war so gegen vier - kam ein Mike zur Tür herein, kreidebleich und zitternd wie Espenlaub. Ich nahm es zur Kenntnis. Einige Minuten später kamen Saki und Martin auch. Ich saß am Computer und hörte mir an, was vorgefallen war. Wumme am Schädel gehabt. Nun, das passiert jedem Mann einmal im Leben, ist vielleicht auch gar nicht schlecht, da lernt man es zu schätzen. Aber die Umstände, unter denen das passiert war, die waren wieder klassisch. Er geht zu einer Disco, zwei Neger trappen sich gegenseitig blutig, er meint, dazwischengehen zu müssen und schon trappen sie auf ihn ein. Und da Schlägereien sind unamerikanisch - außer in Hollywood - hierzulande greift man allzuleicht zur viel wirksameren Feuerwaffe. Siebzehn, achzehn Jahre war der Typ alt. Und trotz aller Freiheit, die man hierzulande hat, was Waffen angeht, das gilt alles nur für die eigene Wohnung und allenfalls für das Auto. Auf der Straße ist es nicht erlaubt, Wummen mit sich zu schleppen, auch nicht ungeladen. Und es ist ein weiterer Umstand, was die afrikanischen Neger um einiges sympathischer macht, als die, die man hier geboten bekommt. Die sind nicht aggressiv, sondern fröhlich, nerven zwar oft, aber sind im allgemeinen alles andere als aggressiv. Ganz abgesehen davon, daß die meisten echten Afrikaner Drogen nicht mal vom Hörensagen kennen.

Dieser Vorfall löste einige Tage später eine Diskussion aus, bei der auch Edmund beteiligt war, Kameruner und noch schwärzer als alle Detroiter Neger zusammen. Originalton: "I don't like the word black, I'm a negro." Damit mir doch letztenendes vor Sati Recht gebend, der mir erklären wollte, daß man Neger nicht sagt, sondern Schwarzer - was völliger Blödsinn ist, man sagt ja auch nicht Gelber zu Leuten, die aus direkt oder ursprünglich aus Ostasien kommen. Witzig wiederum ist, daß gerade die Leute, die immer behaupten, es gebe keine unterschiedlichen Menschenrassen, sofort "Rassist" brüllen, wenn man ihnen widerspricht, so wie der Atheist, der die Existenz eines Gottes bestätigen muß, um ihn verleugnen zu können. Stumpfsinn höchsten Grades, und es geht auch gar nicht um den Melamingehalt der einzelnen Hauttypen, es ist eine gesellschaftliche Frage, deren Antwort nicht in der Rasse, sondern eher in der Geschichte zu suchen ist. Nicht nur im hitorischen Sinne, also dadurch, daß sie als Sklaven in dieses Land gebracht wurden und 100 oder 200 Jahre nun mal nicht ausreichen um sich einen gleichwertigen Rang in einer Gesellschaft zu erkämpfen, die von Anfang an von ihren ehemaligen Herren geschaffen und geprägt wurde, sondern auch im menschheitsgeschichtlichen Sinne, also daß es eben die Europäer waren, die die Afrikaner herbrachten und nicht umgekehrt, bedingt durch die Tatsache, daß die europäer in der zivilisatorischen Entwicklung weiter waren, bedingt nicht dadurch, daß sie von Haus aus schlauer sind, sondern weil sie in einer Umwelt zurechtkommen mußten, der man beikommen mußte, um zu bestehen. Schuld an der ganzen Misere ist dieser Theorie nach also das Wetter. Fazit: Das Wetter ist ein Rassist.
Und jetzt kommt der Trugschluß bei der ganzen Sache: Anstatt das Wetter in Afrika zu beeinflussen, verpflanzte man diejenigen, die durch das ständige gute Wetter letztenendes den Schaden davontrugen dahin, wo das Wetter europäisch-beschissen ist, nämlich nach Destroit, in der Hoffnung, daß diese innerhalb weniger Generationen das aufholen, was sie in den letzten Jahrzehntausenden versäumt haben. Das ist reine Augenwischerei und typisch für die Demokratie, deren Wesen schon immer durch eine nicht zu übertreffende Kurzsichtigkeit geprägt ist. Und genau diese Demokratie ist man bemüht, in möglichst alle Länder zu exportieren. Siehe Irak. Klassisches Beispiel. Der Irak war - unter anderer Bezeichnung - schon eine Hochkultur, da gab es noch kein Amerika und selbst die Vorfahren der einstigen Gründer waren noch in den Bäumen gesessen und haben das gefressen, was vor ihren Höhlen zufällig vorbeikreuchte. Nun reicht es nicht, den Irak nur in die Steinzeit zurrückzubomnben, nein man bombt ihn gleich in die Demokratie zurück. "Seit Menschengedenken wird aufgebaut, damit man es dann nachher wieder niederhaut..." Aber so läuft eben die Geschichte der Menschheit ab. Zerfall, Gärung - Auferstehung. Jede vernichtende Kraft geht mit der zeugenden einher, da gibt es nichts zu beeinflussen. Der Mensch kann oft genug nicht mal das beeinflussen, was er selbst erschuf, wie sollte es ihm möglich sein, eine Ordnung zu beeinflussen, die nicht von ihm geschaffen wurde, sondern von einer höheren Macht aufoktroyiert wurde. Nur Unvernünftige können dagegen Einspruch einlegen und wenn sie genau das Kleingedruckte lesen würden wüßten sie: "Einspruch möglich, jedoch zwecklos..." Amen.

Als ich am Montag erneut zur Werkstatt ging und fragte, ob es Fortschritte zu vermelden gäbe, war alles wie gehabt. Das Auto stand nach wie vor da, wo ich es hingestellt hatte, der Motor dort, wo er endlich nach einem Monat angeliefert wurde. "Am Mittwoch spätestens ist das Auto fertig", hieß es. Wenn ich das nicht schon zuvor wörtlich gehört hätte, dann wäre das glatt eine gute Nachricht. So, aber, war es eine schlechte, wußßte ich doch, daß es soviel heißt wie "Das Auto wird am Mittwoch sicher nicht fertig..." Und so weiter...
Aber langsam mußte etwas geschehen. Als ich am Mittwoh iin der Früh aufstand fuhr ich sofort zur Werkstatt. "Und? Wie läuft es?", fragte ich ihn, wohlwissend, daß immer noch nichts geschehen war. "Ja, ich wollte das Auto gerade abholen, ich wart nur auf meinen Sohn, der wollte vorbeikommen." Der hat Nerven. "Den können Sie gleich anrufen und abbestellen, denn die haben schon das Tor zugemacht." "Scheiße!" Wieso muß ich ihm eigentlich erklären, wann der Betrieb, für den er jahrelang gearbeitet hat nun mal um 17 Uhr zumacht? Wahrscheinlich seit Jahren. "Ich komme morgen in der Früh hierher und wir holen das Auto, OK?" Er meinte, es sei in Ordnung.

Ein ganz normaler Nachmittag in Destroit.

Hat doch alles keinen Sinn... Ich ging zurück, kaufte mir eine neue Pulle Smirnoff, ein paar Red Bulls und versank im Internet bis die Sonne wieder hoch am Himmel stand. Ich stieg wieder ins Auto und fuhr wieder hin. Ich solle noch eine Weile warten es dauert noch mindestens eine Stunde, erklärte er mir. "Kein Problem, ich setz mich da hinter ins Eck und schlaf. Nach etwa zwei Stunden stand ich auf und fuhr zu Karl-Heinzens Werkstatt. "Guten Abend! Also, langsam gerat ich in Zeitdruck, der Penner kriegt es wohl nicht auf die Reihe. Kannst Du das machen?" Ich hatte ganz klar wieder am falschen Ende gespart. Mittlerweile wäre es billiger gewesen, wenn er es gemacht hätte. Doch ich hatte mich damals von dem Wucherpreis von 1700 Dollar abschrecken lassen. 600 Dollar klangen einfach besser. Mit den 800 Dollar, die ich mittlerweile für die Lagerung des Auto bezahlt, hatte ich damals nicht gerechnet. Nun war ich auch so schon bei 1400, ganz zu schweigen von dem Verdienstausfall der letzten zwei Wochen. Am besten gar nicht dran denken... Kalr meinte, der Cliff sei zwar ein echter Hill-Billy, aber er würde das schon machen. "Glaub ich sogar, bloß wann? In 12 Tagen geht mein Flug und ich sitz immer noch in Detroit und es ist kein Ende in Sicht." "Also gut", sagte er, "wenn bis Mittwoch noch nichts passiert ist, dann mache ich das. Aber ich ruf den jetzt mal an." "Gut, und ich geh derweil frühstücken - fehlt bloß noch, daß ich auch noch verhunger, in diesem Drecksloch..." Während ich meinen Burger fraß wurde mir bewußt, daß es knapp werden würde, egal, wie es läuft. Ich faßte den Entschluß, zu Karl-Heinz zu fahren und ihn damit zu beauftragen. Als ich auf den Hof fuhr war irgendetwas komisch. Irgendwas fehlte... Ich stieg aus und sah mich mit meinen übernächtigten Augen um. "Wo ist mein Auto???" "Das hat er gerade abgeholt..." Etwas überrascht fuhr ich dann wieder zu Cliff. Da stand es auch schon auf seinem Hof. Nach 43 Tagen ist das Auto wieder einmal bewegt worden. Eine Meisterleistung. Immerhin. Ich fragte dann nach, wann das Auto denn in Angriff genommen würde, nachdem es schon seit Wochen "daran gearbeitet worden ist". "Spätestens am Freitag." Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube...

Wieder bei Karl-Heinz, der gerade Mittagspause machte. Auch Kevin war da, der mir damals das Auto auf den Parkplatz geschleppt hatte. "Und? Gefällt er Dir in Detroit?" An meinem Gesichtsausdruck und am Gelächter der Mitarbeiter konnte er erkennen, daß die Antwort nicht positiv ausfallen würde. "Ach, nö, es gibt schon schöne Plätze, auch in Detroit, so ist das nicht." Ich stimmte zu. "Ja, die Interstate 94, zum Beispiel. Die gefällt mir." "Warum gerade die? Da sind viel schönere Landstraßen, die 94 ist nichts Besonderes." "Doch, die bringt mich hier raus - vorausgesetzt, der Hirsch schafft es, mein Auto rechtzeitig zu reparieren."
"Stimmt schon", sagte einer, "ich kannte einige Leute, die beruflich nach Kalifornien mußten. Die meisten haben gleich nach ein paar Wochen angerufen und gemeint, egal, ob sie den Job behalten oder nicht - sie bleiben in Kalifornien." Kevin hatte ähnliche Erfahrungen, fügte aber hinzu: "Aber ich kenne einige Leute, die nach Kalifornien gezogen sind und wieder zurückgekommen. Das gibt es auch." Klar gibt es das. Das sind wahrscheinlich die, die einen Dachschaden haben und die sollen auch hübsch brav hierbleiben.

Wieder zum UT. "Und? Was Neues vom Auto?", fragte mich ein Tommy. "Ja, stell Dir vor, es ist bewegt worden. Na Zdorowia, Prost!" Ich legte mich ins Bett und stand dann wieder so gegen Dunkelheit auf, setzte mich an den Rechner und verzottelte mich vollkommen im Gewirr von Flügen und Bahnverbindungen. Es ist, als würde man eine Rechnung machen mit zuvielen Variablen. Was dabei rauskommt ist ein variables Ergebnis, mit dem nicht die dümmste Sau etwas anfangen kann. Aber so geht auch die Zeit rum. Am Nachmittag fuhr ich wieder mal bei der Werkstatt vorbei. Das Auto stand wieder mal am selben Fleck. Ich ging wieder hinein und fragte, was denn nun los sei. "Dein Auto ist Schlatgetriebe, der Motor ist aus einem Automatik, ich brauche ein 'Pilot bearing', sonst kann ich nicht anfangen." Nun, mal ganz abgesehen davon, daß man kein Kugellager braucht, um einen Motor auszubauen, kann ich das Lager ja schnell holen. Er muß mir nur sagen, wo. Er machte einen Anruf und ich fuhr los. Ich fand den Laden auch gleich auf Anhieb und ging hinein. "Der Cliff hat ein Flugzeugführerlager für einen 240D bestellt, das möchte ich gerne abholen." Ob ich Cash zahlen wollte. "Nein, mit VISA, wie es in den Vereinigten Staaten üblich ist." Dann sei aber der Mindestverkaufswert 50 Dollar. Das Kugellager kostet aber nur 10. "Nun, ich kriege die 50 bestimmt voll. Mal sehen, was ich noch brauchen könnte. Dieselfilter, Ölfilter, Luftfilter. "Macht 38,80." Hm. Ich überlegte weiter, aber nicht lang, denn er meinte, er hätte keine Zeit zu warten, bis ich fertigüberlegt hätte. "Ich seh außer mir keinen Kunden hier..." Er hätte sonst auch noch was zu erledigen. Ob das nicht die drei anderen machen können, die gerade in einem scheinbar sehr amüsanten Gespräch verwickelt waren fragte ich ihn nicht. "Ich geh schnell zum Geldautomaten", sagte ich stattdessen und verließ den Laden. Wieso kann hier nicht ein einziges mal irgend etwas auf Anhieb klappen? Wieso ist das so ein großes Problem? Man könnte meinen, man wäre in Deutschland, wo man es gewohnt ist Kunde und gleichzeitig Bittsteller zu sein. Ich muß einfach so schnell wie möglich raus aus dieser Scheißstadt. Ich legte ihm einen zwanziger hin und natürlich bekam ich keine Rechnung. Wahnsinn. In Afrika konnte man davon ausgehen, daß ein Vorhaben funktioniert, wenn man zum Libanesen, zum Inder oder zum Franzosen geht. Hier kann man grundsätzlich davon ausgehen, daß einfach gar nichts funktioniert, egal, ob man mit schwarz, weiß, grün, gelb oder kariert zu tun hat. Es ist einfach alles Mist von vorn bis hinten.

Der muß auf eine möglichst gescheite weise zum HVP nach Kalifornien gebracht werden. Keine Ahnung, wie ich das nun anstellen werde. Angeblich paßt er in den Kofferraum. Doch der ist voll bis zum Anschlag, die Rückbank sieht nicht besser aus.

Ich ging mit dem Kugellager zurück zum Mechaniker. Was er nun noch bräuchte um anzufangen. Nichts. Ich fragte nach einer Prognose, wohlwissend, daß es eh wieder nicht hinhaut. "Spätestens am Samstag", das waren zwei Tage. Das schafft er niemals. "Klingt gut. Wenn das Auto am Samstag fertig ist, zahle ich ihnen 50% mehr, ist das OK?" Am Freitag waren keine Autos vorhanden, so ging ich am Samstag nach dem Aufstehen hin. Das Auto stand nicht mehr auf dem Hof - ich wußte allerdings nicht, wie ich das deuten sollte. Ich sah meinen Motor vor dem Tor stehen. "Aha... immerhin ist der alte schon mal ausgebaut..." Dann ging ich hinein. Sie waren gerade dabei, den 240er einzusetzen. "Morgen!", sagte ich. "Morgen?", fragte er entsetzt. Dabei sollte ich entsetzt sein, denn man muß kein Experte sein, um zu wissen, daß er das heute nicht mehr schafft. Ich fragte, wie es liefe, ob es größere Schwierigkeiten gäbe. Nein. "Ein paar Schrauben waren nervig, aber sonst paßt eigentlich alles."

Deine Motorlager waren verfault, da hab ich ein neues hinein. "Das war sogut wie neu!" "Neu? Wann? Als das Auto neu war?" Das verdammte Öl war es. Es löst mir immer die Lager auf. Wurde mal Zeit, daß am alten Motor mal die Dichtungen gemacht wurden. Aber es sah soweit verhältnismäßig gut aus. Nur war ich entschlossen, erst den Sektkorken in Kalifornien springen zu lassen. Bis dahin war es noch ein weiter Weg. Und die Zeit rast dahin. Am Dienstag, den 23. geht der Flug nach Neu York. Heute ist der 13. Zehn Tage. Vier Tage werde ich mindestens brauchen. Destroit - Chicago - Denver - Las Vegas - Zuhause. Ich rechne mit vier Tagen, schneller ist es nicht zu machen. Allerspätestens am Freitag muß ich hier weg sein. Und dann darf auch nichts schiefgehen, irgendwelche Nachbesserungen unterwegs kann ich mir zeitlich nicht mehr leisten. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß das der Fall sein wird. Es würde mich sehr wundern, wenn der Motor von Destroit nach Los Angeles ohne Schwierigkeiten läuft. Beschissene Situation.

Endlich geschieht einmal etwas. Aber vom Drehen des Startschlüssels sind wir noch weit entfernt - im Gegensatz zu meiner Deadline. Die ist verdammt nah und rückt immer näher.

Langsam wird es. Aber genau das ist das Problem. Mal auf etwas drei Tage zu warten, was auch in fünf Minuten gehen könnte, das ist ja OK, das hat uns Mutter Afrika gelehrt. Sich dreißig Tage mit brasilianischen Behörden herumzuschlagen, das haben wir auch schon hinter uns. Aber fünfzig Tage auf etwas zu warten, was angeblich nur sechs Stunden dauert, das war mir neu - aber nicht in Afrika oder bei den Zollaffen in Brasilien, sondern im angeblich zivilisiertesten aller Länder - dieses Wissen ist es wahrscheinlich, das alles katastrophal erscheinen läßt. In Brasilien hätte ich es als großen Erfolg gewertet, wenn das Zeug "schon" nach fast zwei Monaten "fast" fertig ist. Doch alles wäre noch halbwegs in Ordnung, wenn ich bereits meine Grüne Karte oder zumindest ein Visum in der Tasche hätte. Aber mit der Deadline im Nacken, ohne auch nur einen Strich erledigt zu haben, drei kostbare Monate in der Dummheit vertan zu haben, ist das ein äußerst unangenehmes Gefühl.

Als ich am Samstag kam, mußte ich mit Bedauern feststellen, daß ich meine Wette gewonnen hatte. Etwas geknickt fuhr ich dann wieder zum UT zurück. Wodka und Internet - das einzig, was bleibt. Wenn das Uncle Sam wüßte. Der würde Destroit glatt aus seinem Staatenbund verstoßen. Ist eh tot, sie die Autoindustrie gegangen ist. Alles, was hier rumhängt sind arbeits- und nutzlose Grattler und ein aar Studenten, die das Schicksal wohl auf die Probe stellen wollte. Zu den Studenten gehöre ich schon mal nicht...


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