Freitag, 23. Januar 2004

Ich wachte auf mit Handyklingeln im Ohr. "Hä?" Dilles war dran und es war schon Nachmitag. Am Tag zuvor mußte ich ein wenig Wodka vernichten, ich war noch nicht ganz klar in der Birne. Das hörte man wohl am anderen Ende der Leitung. "He, was los? Spinnst Du? Ich denk, Du hast schon zig Mechaniker angerufen. Schau zu, daß Du Deinen Arsch bewegst, Dein Babe ist kaputt und Du pennst bis am Nachmittag!"
So ein Dreck. Ich dachte ich leg mich einfach hin und schlaf und wenn ich aufwache, stelle ich fest, daß alles nur ein böser Traum war. Ich kann mich an ein, zweimal erinnern, da albträumte mir, mein Auto sei nicht fahrtüchtig. Ist keine schöne Sache, aber wenn man dann aufwacht und feststellt, daß es nur ein Schaum war, dann fühlt man sich direkt wie neugeboren. Diesmal fehlte dieses erbauende Gefühl und ich ertappte mich dabei, mich nach alter Manier sofort wieder in die Luftmatratze fallen lassen zu wollen und weiterzuschlafen, nach dem Motto "Vielleicht hab ich nur geträumt, daß ich aufgewacht bin und in wirklichkeit schlaf ich noch..." Aber es klappte nicht, sowas klappt hier überhaupt nicht. Nicht in Kalifornien und nicht in Michigan. Von selber erledigt sich nichts, man muß selber zur Tat schreiten. Irgendwo in DetroitIch rief Mercedes-Benz an und erklärte der Frauenstimme am anderen Ende, daß ich ein massives Problem mit meinem Motor hätte. Dann ging es mir ähnlich wie dem Buchbinder Wanninger. "Moment, ich verbinde Sie..." Eine dudelige Melodie, dann eine Männerstimme, die mich fragte, womit er mir helfen könnte. "Also, ich habe meinen Motor gesprengt und brauche jemanden, der ihn wieder ganz macht." Was es denn für ein Auto sei. "Zweiundachziger 200D, Sir." "Moment, lassen sie mal sehen", dann eine kurze Pause, man hört Tastaturgehacke, "200D, sagten Sie?" "Jawohl, Sir, 200D, ist ein europäisches Modell." "Machen wir nicht." Ich war noch nicht ganz wach, glaubte nicht recht zu hören. "Pardon me?" Aber ich hatte mich nicht verhört. "Das machen wir hier nicht, aber ich gebe ihnen die Nummer einer Werkstatt, die machen nur das. Haben Sie was zum schreiben?" "Who? What? Yes... äh, no. Ach, Dreck! Hold on a second...", ich speuch durch die Wohnung und während ich etwas zu schreiben suche, frage ich mich, was das denn nun soll. "Bin wieder da, die Nummer, bitte..." Er gab sie durch. Ich bedankte mich und legte auf. So nach und nach stieg mir dann doch die Galle. Ich konnte es nicht wirklich fassen. Das ist ein Mercedes!, erklärte ich mir selber immer wieder. Das ist kein grattliger Fiat, auch kein Opel, sondern ein Mercedes... Und das gibt es einfach nicht, daß einem da ein Mercedes-Dealer erklärt, das machen wir nicht. Was ist nur los mit den Herren? Sowas kann sich BMW leisten oder Ford, da ist es egal, bei Mercedes gibt es das nicht. Nö. In jedem Land wird jedes Mercedes-Fahrzeug verdammt noch mal bei Mercedes auch repariert, da gibt es kein "Das machen wir nicht". So eine Antwort wäre nicht einmal in Nouakchott akzeptabel, aber ich bin nicht in Nouakchott, sondern in Detroit, der Motorstadt der USA und da muß ich mir anhören "Das machen wir nicht". Wenn das die Herren in Stuttgart wüßten, was für ein Kasperlverein sich ihren Mercedes-Stern aufs Dach gesetzt hat. Natürlich mit einer überdimensionierten Stars-und-Stripes-Flagge, die noch höher flattert als der wahre Stern. Und sie hatten nicht einmal so viel Feingefühl, wenigstens Mercedes-Sterne in das blaue Feld der Fahne zu setzen.
Das einzige, was mich davon abhielt, sofort nach Stuttgart zu kabeln, war die tatsache, daß ich es mir sowieso nicht leisten könnte, den Daimler bei Mercedes reparieren zu lassen.

Ich rief bei der Nummer an, die ich bekommen hatte. Da ging sogar jemand hin. Ich schilderte das Problem und er meinte, da müsste ich mit dem Chef persönlich sprechen, der aber nicht da sei. Ich hinterließ meine Nummer und es hieß man würde mich zurückrufen. Hias und ich fuhren im sogenannten "Panzer" los. Das Hias sich mit mehreren Tommies die Studentenbude teilt, nehme ich doch stark an, daß der Fort Escort von ihnen so getauft wurde. Ich fuhr, wir holten bei Mercedes die Teile ab, stückten früh und fuhren dann zurück zum Wayne University Tower, um jemanden zum Flughafen zu bringen. Ich probierte es mehrmals bei der Nummer, aber erst ging nur der Blechdepp hin, dann überhaupt niemand mehr.
Wir fuhren noch zum Secretary of State. Hias hatte dort etwas zu erledigen und ich wollte, wo ich schon mal hier war, zusätzlich zu meinem kalifornischen, noch den michiganesischen Führerschein. Hier kann man ihn einfach umschreiben. Er meinte noch, ich solle lieber mal nachsehen, wie das ist. "Nicht daß Du Dir für eine Scache, die keinen Vorteil bringt, Nachteile erkaufst." Ich fragte also die Sachbearbeiterin, ob ich den Führerschein haben könnte, ich wäre bereits im Besitz eines kalifornischen, ob das ein Problem sei. "Nein, ich müsse nur den Zettel ausfüllen." Das tat ich. Ich mußte ihn gleich noch mal ausfüllen, denn der rote Stift, den sie mir gab, der wurde nicht anerkannt, es mußte blau sein. Plan hat hier scheinbar keiner. Als nächstes erklärte man mir, daß ich am Montag wieder kommen sollte, denn für den Test sei es zu spät. Daraufhin mußten wir ihr erklären, daß man keinen Test machen bräuchte, wenn man den deutschen Führerschein umschreibt. Alles schön und gut. Sie wollte drei Lichtbildausweise. Kein Problem: Paß, deutschen Führerschein und den kalifornischen hingelegt. Sie schreibt, meine Fresse wird abgelichtet, ich unterschreibe, zahle und gut. Hinterher erklärt mir eine andere, auf meine erneute Anfrage, daß der kalifornische Führerschein natürlich nicht mehr gültig sei. Schlampenwirtschaft, wo bin ich denn hier gelandet? Und das, wo ich gerade eine geistesschwache Woche habe... Auch hier weider, so sehr ich schimpfe, so steht doch fest: Selbst schuld. Da sagt er's eigens noch dazu.

Dilles hatte mir eine Firma in Texas ausfindig gemacht, die Motoren verschickt. Einen 240er überholt für 995 Dollar plus 80 Dollar Versand. Das ist nicht schlecht. Auch die Rücksprache mit Manuel ergab, daß die Motoren in Los Angeles nicht wesentlich billiger wären. Ich fragte natürlich auch ihn, ob er vielleicht einen ausfindig machen könnte. "Ruf mich in einer halben Stunde noch mal an." Ich tat das, auf die Minute genau. Er habe keinen gefunden. Er hätte denjenigen angerufen, der ihn schon seit Jahren mit Ersatzteilen versorgt, gut und günstig. Er würde ihm absolut vertrauen. "Ist das dieser Armenier", fragte ich nebenbei. "Nein, ich sagte doch, ich vertraue ihm..." Aha. Jedenfalls keinen Motor für mich im Augenblick. "Sag mal, willst Du mich veralbern? Das kann doch wohl nicht sein, in Kalifornien, wo nur 123er Diesel durch die Gegend fahren..." "Ja, klar", sagt er, "die laufen alle noch, wieso soll einer einen funktionstüchtigen Motor aus seinem Auto ausbauen und verkaufen? Er sagt, er hätte keinen Unfall. Aber ich kann weiter fragen, ruf mich am montag an." Verdammt, daran hatte ich nicht gedacht. Da kam ja nur ein Unfallwagen in Frage, denn wenn man in Kalifornien wartet, bis der Rost einen Motor Freigibt, dann wartet man ewig. Und Manuel ist immer sehr zuverlässig, wenn es um Ersatzteile geht, normalerweise bekomme ich immer eine positive Antwort.


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© by Markus Besold