18. bis 30. April

Es gibt einfach nichts schöneres, als auf dem amerikanischen Freeway zu fahren. Rechtüberholen ist gestattet, also kann jeder fahren, wie er möchte, ohne den rückwärtigen Verkehr zu blockieren. Man hat ein Gefühl, als sei alles schön geschmiert, keine hakeligen Lenkradbewegungen, kein plötzliches Ausweichmaneurve wegen Schlaglöcher, keine Deutschen, die sich als Ordnungshüter aufspielen müssen und die Bullen scheren sich auch wenig um Fahrweisen - solange nichts passiert. Hier ein kurzes Video, aufgenommen auf dem Weg zur Arbeit in der Früh auf dem 134er Freeway, der nach Pasadena führt.

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Wovon kann der Landser denn schon träumen?
Er träumt von einer Autobahn.

In Deutschland unmöglich. Nur dort habe ich diesen Irrsinn beobachtet, daß Leute bremsen, weil man zu dicht auffährt. Das ist das idiotischste, was man machen kann. Die Überlegung ist wohl: "Der, der hinten drauffährt ist schuld". Tatsache ist aber, daß der, dem hinten draufgefahren wird auf der Autobahn, meistens tot ist. Der hat nicht mehr viel von seinen Schadensersartzansprüchen. Ich persönlich war nie ein Dichtauffahrer - mit dem 200D auch ein wenig schwierig, weil einem jeder davonfährt. Allerdings passierte mir das des öfteren. Es stört mich nicht. Und wenn doch, dann sollte man nicht mit billigen Bremsleuchten anfangen, das ist Kinderkram. Die Rückfahrleuchten sind weitaus wirksamer. Die Tülle ist bei unseren 123ern meist abgenutzt. Wenn man links neben dem Schalthebel mit dem Finger auf den Knopf unter der Schaltverkleidung drückt, dann kann man im Rückspiegel sehen, wie sich der Bug des Hintermannes absenkt und er immer kleiner wird. Das habe ich des öfteren spaßeshalber gemacht. Hier funktioniert es, wie gesagt nichtl, weil keiner so dicht auffährt. Wen ich ihm im Weg bin, wechselt er kurzerhand die Spur, sei es nach links oder rechts, und überholt mich. Es geht im großen und ganzen wesentlich lockerer und einträchtiger zu, als in Deutschland. Zwar nicht gar so liberal wie in Zentral- oder Südamerika, dafür fallen aber auch die Schlaglöcher weg, die die meisten gewagten Manöver verunmöglichen.

Die Kühlergeschichte ließ sich in der letzten Woche nicht erledigen. Alles, was ich hinbekam, war es, den Kühler zu bestellen. Alles, was ich nun dafür tun konnte, war warten. Ansonsten machte ich mich gleich an die Arbeit. Geld muß wieder her. Ich war ausgebrannt. Das ist auch eine schöne Sache. Zehntausende von Dollars waren durch mein Konto geflossen und sie flossen dahin. Nun war ich wieder soweit wie im Juni letzten Jahres, als ich hier ankam. Nichts mehr da. Aber das ist nicht schlimm. Man kann immer wieder durchstarten. Das wird noch einige Male passieren, nehme ich an. Kein Grund zum Verzweifeln.
Alles lief wieder soweit, man hat Aufgaben vor sich, die bewältigt werden müssen. Das Schöne ist, daß sie auch bewältigt werden können, es liegt nur an einem selber. Auch machte ich mich sofort nach der Ankunft wieder daran, die Feste Tina Du Vaux mit schwerer Artillerie zu beharken. Irgendwann wird sie sturmreif sein, es kann sich nur um Jahre handeln. Der Vormarsch geht äußerst zäh voran, durch erbittert verteidigte und bestens ausgebaute Stellungen. Doch Linie um Linie wird genommen, Trichter um Trichter.

Wo der Toyota versagt muß mit Mercedes-Benz vorgefahren werden. Vor wenigen Monaten noch vollkommen undenkbar.

Dennoch spürt man, sobald man wieder in Kalifornien ist, frischen Mut durch die Adern fließen. Es schreckt einen nicht viel. Probleme stellen sich überall, aber hier weiß man, daß man sie mit eigenem Willen auch bewältigen kann. Ein Wermutstropfen: Klappt es nicht, dann weiß man, daß niemand anders dafür verantwortlich ist, als man selbst. "Furchtbar", hätte ich vor Jahren gesagt. "Ganz recht so", muß ich jetzt sagen.

Ich stellte am Auto ein Geräusch fest, beim Überfahren von Randsteinen oder Unebenheiten. Erst dachte ich, es wäre das Radlager, doch bald schon merkte ich, daß sich der vordere Stabilisator von der Radaufhängung gelöst hatte. Das war wohl ein Folgeschaden des kaputten Radlagers gewesen. die Schraube war einfach abgerissen, das Rad wackelte wie ein Kuhschwanz. Das konnte so nicht bleiben. Ich fuhr zu Manuel, welcher mir erklärte, daß das wohl eine größere Reparatur werden würde. Ich fuhr zu einem Armenier - auch Mercedes-Spezialist, der mich wiederum zu einem Hinterhofsarmenier schickte. Der machte mir ein neues Gewinde klar, zor einen neuen Gummi in den Knochen ein und tat eine neue Schraube einsetzen. Ich gab ihm 70 Dollar und er mir die Bemerkung, daß das wohl nicht lange halten würde. Es sollte ja auch nur so lange halten, bis ich genug Geld zusammengeschreinert hatte, um einen neuen Stabi zu besorgen.

Am Montag hatte ich die Faxen dicke mit AT&T. Ich wollte zu T-Mobile wechseln, nur ging das ohne ein Deposit von 600 Dollar nicht. Wahlweise tut es auch eine Social-Security-Number, die ich aber genausowenig hatte. Frank nahm mich in seinem Plan auf. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, denn zahle ich nicht, dann muß er dafür einstehen. Leider klappte die Nummernübernahme nicht, denn das Telephon läuft unter einem anderen Namen. Aber das war auch egal. Visitenkarten müssen neue gedruckt werden und die bereits verteilten haben nun eine falsche Information. Neuanfang... was soll's.

Auf der Baustelle hatte ich einen halbwegs schlauen Job. Ich mußte nur noch bei der Feinarbeit eingreifen. Matt, der Bauherr, gebürtiger Mexikaner aus Guadalajara, rief mich an, als ich auf der Baustelle in der Liege flackte und fragte, was ich vom Homedepot bräuchte, er sei gerade dort. "Einen 1/4-inch-Fräskopf mit einem schönen Profil, einen Dowelling-Jig, vier oder fünf two-by-four, vielleicht ein feineres Sägeblatt für die Kreissäge und ein paar Mexikaner..." "Mexikaner sind doch genügend auf der Baustelle." "Ja, aber darf ich die auch benutzen? Ich dachte, die gehören dem Neno." "Frag ihn einfach, ich bin mir sicher er leiht Dir den einen oder anderen..." "OK... bis später." Ich ging zu Neno.
"Ich hab gerade mit Matt telephoniert, er meint, ich soll Dich fragen, ob Du mir einen Mexikaner leihen kannst."
"Jetzt? Nein, das geht nicht, die müssen gerade die Drywall einsetzen. Für was brauchst Du sie denn?"
"Zum Holzschleppen..."
"Für die Fenster?"
"Ja."
"Mach das später, Du hast eh nicht alles, was Du dafür brauchst. Aber Du kannst hier die Drywall einsetzen."
"Ich dachte, das machst Du gerade."
"Nein, ich würde ganz gerne zur anderen Baustelle fahren und dort nach dem Rechten sehen."
"OK, dann mach das, ich bau hier derweil die Drywall ein."

Das klappte ganz gut, wenn man danebensteht und zusieht, daß nicht geschlampt oder geschlafen wird. "Hopp, Ihr Weihnachtsmänner, nicht einschlafen. Das hier muß erst mit Plywood aufgedoppelt werden, das sieht man doch. Ihr tut gerade so, als wärt ihr 495 Jahre alt, für Euch muß ja der Herzinfarkt geradezu eine Erlösung sein! Ich will das verdammte Zimmer bis heute abend bedrywallt sehen, oder ich laß Euch Latrinereinigen bis Euch der Scheißdreck zu den Ohren herauskommt!"

"Hier ist aber doch gar keine Latrine - zumindest funktioniert sie noch nicht", sagt er dann zu mir.

"Achso... Das ist natürlich ein bißchen blöd. OK. Ihr macht derweil die Drywall hin und ich geh mal los und sehe zu, daß ich irgendetwas anderes finde, was ich Euch machen lassen werd, wenn die Drywall nicht hängt, OK?"
Und Du da oben, das ist eine Leiter und kein Bett. Benutz beide Hände dazu, dann funktioniert das auch.
Ich ließ sie machen, sah ab und zu vorbei, ließ einen blöden Spruch ab und ging dann wieder. Sie machen schon gute Arbeit, man muß nur sicherstellen, daß sie wissen, daß sie nicht unbeaufsichtigt sind. Und die haben den Fehler gemacht, immer mit mir zusammen herumzulungern, wenn der Bauherr und der Contractor weg waren. Ich hatte allerdings die klassische DDR-Ausrede: Ohne Werkzeug kann ich nicht arbeiten.

Doch diese Woche ging auch vorbei und ich ging wieder zur Baustelle in Pasadena. Man fand keinen Ersatz für mich. Der Fehler bestand darin, daß man meinte, mich sozusagen entlassen zu haben. Dann wieder ankommen und nachfragen. Doch ich hatte Arbeit, man findet hier als Handwerker immer Arbeit - sofern man will. Das hieß eben, daß ich f:ünfzig Dollar am Tag mehr haben wollte. Und die bekam ich auch. Frank sagte einmal zu mir: "Dein Ziel muß es sein, die Arbeitskraft des Markus Besold zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen. Und laß Dich nicht entmutigen, wenn einer sagt, das könne er sich nicht leisten. Alles, was Du dazu sagen mußt ist: 'So what? The next one will be able to afford...'"
Da hat das Handwerk goldenen Boden. Nichtsdestotrotz habe ich nicht vor, selbst an der Kreissäge zu stehen. Ich brauche Mexikaner (Amis taugen für sowas nicht), die die Arbeit machen. Denen kann ich das beibringen und nach einigen Jahren können sie selbst losziehen und rekrutieren gehen. So ist ein Manuel ein meisterhafter Mechaniker geworden. Bei einem deutschen Gesellen gelernt, der an ihm verdient hat und dann die Werkstatt übernommen. Nun ist er selbst sozusagen Meister. Alles andere ist Unsinn.


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