Gammel in Mexiko 2003
Mittwoch, 21. Mai

Gary kam vorbei und fragte mich, ob ich denn ein Bild von der Alten hätte. "Ja. Auf CD im Brenner, aber ich kann ihn nicht anschließen, weil die Sau auch den Adapter geklaut hat." Er zauberte einen Adapter hervor, sah sich das Bild an und erkannte sie. "Thank you very much."
Während ich morgens den Boden schliff, kam tatsächlich La Loca mit Tochter und fragte nach José. Der kam aber nicht, wußte gar nichts davon. Sie gingen irgendwann mal wieder und sie meinte, sie käme später, um mit José zu sprechen.
Ich schliff weiter meinen Boden und am Nachmittag kam José. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Er wollte warten, bis sie wieder kam un mit ihr reden. Sie kam, beide gingen, ich blieb ging zu Eikka. Er meinte, ich solle entweder ein paar Bullen, oder ein paar Jungs aus Coloseo bezahlen, damit die der Sach mal nachgehen. Einige Stunden später kam José zurück. "Sie war's, wird ihn aber nicht rausrücken, wahrscheinlich hat sie ihn nicht mehr. Aber ich weiß jetzt, wo sie wohnt und wie sie heißt." Was tun? "Gehen wir zum Ministério Público..." Gut.

José am Steuer seines Käfers.

Wir fuhren mit Josés Käfer-Cabrio hin, José, Lourdes, ich und zwei Köter, wir betraten den Raum, der etwa halb so groß war, wie eine Tunhalle und kamen gleich dran. Ich erstattete Anzeige und während ich damit beschäftigt war, kam ein Goldbehängter Mexikaner mit drei Schlampen und er fing an, über irgendwas mit dem Beamten zu reden, während die andere in den Büchern blätterte, in denen die Anzeigen aufgenommen wurden. Ich lehnte mich zurück und fragte José: "Was'n das hier schon wieder für ein Saustall? Ist ja wie in Brasilien..." Er blickte sich um, meinte: "Weiß auch nicht... wart mal." Ich dachte, er wollte sich strecken, aber seine Hand sauste hinunter auf den Tisch und es tat einen Knall, daß der ganze Saal sich nach uns umdrehte. Ich zuckte zusammen. "Spinnst Du?"

Er gab mir ein Zeichen, ich solle mal kurz warten. Da kamen dann auch schon die ersten Reklamationen. Die Beamtin aus der hintersten Ecke, die gerade die Anzeige einer Berlinerin entgegennahm meinte: "He, was ist denn los? Du bist hier nicht in Deinem Wohnzimmer..." José: "Ja, was? Wir brauchen hier eine gewisse Kommunikation, sonst funktioniert das nicht. Ich geh jetzt zur Polizei, damit hier mal was vorwärtsgeht..." Er stand auf und ging hinaus, die Beamtin folgte ihm. Ich blieb sitzen und entschuldigte mich in die Runde. in Beamter kam zurück und fragte, was das eben war. "Ich weiß es nicht, keinen blassen Schimmer, vielleicht macht ihn die Großstadt nervös. Sorry..." Weiter im Text. Die Beamtin kam wieder rein, setzte sich friedlich an ihren Tisch, kurz darauf kam José mit seinem Paß in der Hand, entschuldigte sich bei allen.

Wieder zurück am Schreibtisch.

Ich verstand gar nichts mehr. "Reiß Dich zusammen, Mann. Wohl verrücktgeworden, wie?" Er sagte: "Nein, es paßt schon alles, hat alles Kopf und Fuß. Komm danach mit dem Papier erst zu mir... Ich wart draußen."
Wir erledigten den Papierkrieg, ich legte ihnen alles dar, gab ihnen das Ergebnis meiner "Ermittlungen", ihren Namen und Wohnort und unterschrieb alles vier Mal, aber das Papier wanderte nicht zu dem großen Stapel, auf den alle Anzeigen wanderten, sondern er gab mir das Blatt und sagte, ich solle nun damit zur Polizei gehen. Ich tat das. Ich ging zum ersten Polizisten, den ich sah. Es war ein kleiner netter Mann, trug die typischen Maya-Züge und lächelte freundlich. Er begrüßte mich mit Namen und fragte mich, ob ich schon mit meinem Amigo gesprochen hätte. "Nein, wieso? Ich mach doch die Anzeige." Ich soll zu ihm gehen, damit er mir das besser erklärt. Ich ging zu José mit ungläubigem Blick: "Servus. Der Bulle da drin, hat gemeint, ich soll zu Dir gehen. Kann das sein? Oder meint der jemand anderen?" José erklärte mir die Vorgehensweise, das heißt, er erklärte mir, wie ich die Bullen motivieren sollte, möglichst gleich anzufangen, ihre Arbeit zu tun. Er konnte nicht wissen, daß ich mittlerweile weiß, wie das geht. Ich ging wieder zu dem Bullen, gab ihm das Papier und erklärte ihm, daß der Computer für mich sehr wichtig sei und daß ich ihnen sicher jede nötige Unterstützung geben werde, die sie benötigen, ihm dabei durch Gestik deutlich übermittelt, daß es sich um Unterstützung finanzieller Natur handle. Außerdem erzählte ich ihm, neben den Geschichten vom toten Pferd auch, daß ich bereits Aushänge ausgedruckt hatte, in denen dem Finder 200 Dollar Belohnung versprochen wird, wobei es irrelevant sei, wer nun dieser Finder sei. Er verstand. Er fragte mich nach einer Kontaktnummer, ich gab ihm die Nummer von Lourdes Handy und nach meinem derzeitigen Wohnort. "Hotel Eclipse" Zimmer? "Rezeption" Gut, er würde heute abend dort vorbeischauen. Wir fuhren wieder zum Hotel. Auf dem Weg fragte ich José, was dieser Mist denn gesollt hat. "Ja, ich konnt nicht wissen, daß der Tisch so laut war." "Das mein ich nicht. Ich mein den Aufstand..." Er wollte damit herausfinden, wer bei den Bullen das meiste sagen hatte, und mit dem das klarmachen, daß die auch was tun. Und warum er seinen Paß in Händen hatte, als er wieder reinkam. "Die eine, die hinten gesessen hat, die sich gleich so aufgeführt hat, die hat mich gleich angefegt und gemeint, daß Ausländer hier an letzter Stelle kommen und kein Ausländer ihr erzählen werde, was sie zu tun hätte. Deswegen mußte ich den Paß rausholen. Aber es hat schon gepaßt, man muß einfach ab und zu auf den Tisch hauen. Die waren doch danach alle friedlich, oder?" Das waren sie tatsächlich, doch blieb es mir ein Rätsel, warum. Ich glaube nicht, daß das auch funktioniert hätte, wenn das irgendein besoffener Hans Wurscht gemacht hätte. Aber vielleicht versteh ich es ja später mal, wenn ich älter bin...

Am Hotel angekommen, standen wir noch am Käfer und luden die Köter aus. Da kam eine Blondie vorbei mit einem Jack Russel. Das sind diese kleinen nervigen Köter, die nichts können außer Lärm und Dreck machen. Sie erklärte mit hysterischem Gehabe irgendwelche wirren Sachen, zum Beispiel, daß sie lieber in Mexiko lebt als in Portugal, obwohl Mexiko "viel zurückgebliebener" sei als Portugal. Erstens ist das hier nicht Mexiko und zweitens gibt es wenige Länder, die zurückgebliebener sind als Portugal. Und ihr Köter war auch hysterisch. Auch der hieß - wie einfallsreich - Jackie. Die heißen wohl alle so, sagt alles, sowohl über Hund als auch über Besitzer. Sie redete hauptsächlich mit Lourdes, die damit beschäftigt war, ihre Köterin vor dem Köter der Portugiesin in Schutz zu nehmen. Die Portugiesin hatte eine ziemlich unangenehme Stimme, ich entfernte mich und ging zu José. Mittlerweile hatte der kleine Köter von der Hündin von Lourdes abgelassen und fand es interessanter, mich anzubellen. Ich hasse bellende Köter, ich hätte beinahe mal einen erschossen, nur sprang mir da die Besitzerin in die Schußlinie. Ich gab durch Gestik der Portugiesin zu verstehen, daß sie ihren Drecksköter zurückrufen solle, aber sie verstand nicht oder wollte nicht verstehen. Ich ging zu ihr, gefolgt von dem kläffenden Köter, den ich nur nicht Ratte nenne, um keine Ratte zu beleidigen. Ich tupfte sie an, machte Anstalten, den Köter zu kicken und fragte: "Darf ich?" Sie nickte "Jaja". Hä? Das war die falsche Antwort, in so einem Fall erwarte ich einfach nur, daß sie die Töle an die Leine nimmt, weiter nichts. Ich holte mit dem rechten Fuß aus und fragte nochmal: "Bist Du sicher?" "Ja", sagt sie, "kein Problem..." OK, ich hab um Erlaubnis gefragt. Wer laßt sich da schon zweimal bitten? Der bestahlkappte Stiefel sauste vor, der nervige Köter flog etwa fünf Meter durch die Luft, überschlug sich bei der Landung einige male und war auf der Stelle ruhig. Knurrte ab und zu noch verwirrt, aber ansonsten war Ruhe. Das hat der mal gebraucht. Die Portugiesin sah mich völlig entsetzt an. Ich sah sie hilflos an und zuckte mit den Schultern. "Wieso trappst Du meinen Hund einfach so?" "Ich hab Dich doch eigens zweimal gefragt...", ich ging dann wieder zu José, der das ganze von weitem gesehen hatte, und der nun sich bemühte, das Lachen zu unterdrücken. Er verkroch sich in seinem Käfer und als die Portugiesin mit ihrem Hund unterm Arm wegging, konnten sich die beiden vor Lachen kaum halten. Als sie wieder reden konnten, bedankten sie sich bei mir "Irgendwer mußte die Ordnung wiederherstellen." Keine fünf Minuten und sie kam wieder, diesmal mit Leine und sie hatte ihren Freund oder wasauchimmer dabei. Sie kam zu mir und fing an, mich zu schelten. Ich sattelte um auf Portugiesisch, da kann ich mich besser artikulieren: "Gute Frau, ich hab Dich gefragt, mir geht das Gebell von Deinem Drecksköter auf die Nerven und wenn Du Deinen Hund nicht erziehen kannst, dann laß ihn daheim, weil der nächste trappt ihn nicht aus pädagogischen Gründen, sondern er trappt ihn so, daß Du hinterher einen Teppich draus machen kannst." Dann ist das Viech auch mal zu was nütze... Ihr Freund sprach nun auf: "Das ist ein kleiner Hund, der macht nichts, wenn Du ihn nochmal trappst, dann mach ich das gleiche mit Dir." Ich sah mich um, "Was ist denn das für eine Rasse? Auch ein Jack Russell, der viel bellt und wenig beißt?" Sie fegte ihren Freund an, das Durcheinander war wieder perfekt. Sie gingen, ich sah wieder in die Runde, wir fragten uns, was das wohl gerade für ein Kasper war. Wir waren ungefähr drei Köpfe größer und jeder von uns Krisperle war immernoch mindestens doppelt so breit wie der Typ..." Wir setzten uns vor den Laden, José bestellte drei Bier und meinte: "Wenn sie ihn noch hat, dann kriegst Du Deinen Computer wieder, da bin ich sicher. Der Bulle hat nur gemeint, daß es schwierig werden könnte, denn es sei immerhin schon fast eine Woche vergangen, da kann der längst weiß Gott wo sein. Prost! Auf den Computer."
Frohlocke nicht!
Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.
Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
Das Geld, das legen wir in ihre Hände,
Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
José meinte, er müsse kurz weg, was erledigen. Ich saß mit Lourdes da und unterhielt mich, da klingelte ihr Telephon. Sei wollte nicht rangehen. Ich fragte sie, ob ich rangehen solle und sagen, daß ich das Handy gefunden habe. Sie hab mir das Teil, ich latschte über die Straße und suchte den Abhebeknopf, da sprach es hinter mir: "He, ich versuch Dich schon die ganze Zeit zu erreichen." Ich dreh mich um und seh den Polizisten, den ich gesprochen hatte aus einem uralten, auseinanderfallenden Renault steigen. Er fragte mich, wo mein Freund sei. "Der ist grad zu einem Shop, kommt aber gleich wieder." "Laß uns hinfahren, sagte der Bulle. Ich stieg ein und wir fuhren die Straße rückwärts zum Tauchshop. Ich stieg aus und fragte nach José. "Der war hier, ist aber in die Richtung weitergelaufen. Ich ging wieder zu den Bullen und meinte, José würde glich wieder da sein in ein paar Minuten. Sie fuhren Richtung Stadt, ich ging zum Hotel zurück. Nach etwa zehn Minuten kamen die Bullen wieder, ob José schon da sei. "Nein, leider nicht, aber er kann nicht lang wegbleiben, der Shop macht gleich zu." Als ich mich umsah, sah ich José anschlendern. "Da ist er." Die Bullen gingen gleich zu ihm und fragten, ob er mitfahren könne, dahin, wo die Alte wohnt. "Er müsse schnell was erledigen, dort oben, der Shop macht gleich zu." Ich schlug vor, daß ich das eledige, während er mit ihnen mitfahren sollte. "Hast Du meine Dokumententasche gefunden?", fragte er mich. "Ja, die ist im Kühlschrank." "Bring sie her." Ich flitzte los in die Rezeption und brachte ihm die Tasche. Er öffnete sie und zog eine schwere Omega heraus und warf mir, schon im Einsteigen begriffen einen Satz hin, den ich nur Teilweise verwerten konnte: "Tauchshop... Italiener... Uhr... Ernesto..." Weg waren sie. Ich schwang mich auf das Rad und fuhr zu dem Tauchshop des Italieners, bei dem wir vor einigen Tagen gewesen waren. Ich ging hinein und sagte dem Italiener, daß er diese Uhr dem Ernesto geben solle. "Welchem Ernesto?" "Keine Ahnung! Die hat mir gerade José zugeworfen und gemeint, man solle sie dem Ernesto geben, ich dachte, Du wüßtest bescheid..." Er schien zu verstehen und meinte: "Achsooo, jetzt. Er hat sicher gemeint, ich soll Dir den Arnes geben." Na, gut, was auch immer, keinen Plan, mach einfach das, was Du verstanden hast, es wird schon richtig sein. Er nahm die Uhr und zog irgendeinen Ausrüstungsgegenstand hinter der Theke hervor, den er mir übergab. Die Uhr solle ich wieder mitnehmen, es geht schließlich nicht um Unsummen, sondern um 50 US$. "Behalt sie. Befehl is Befehl. Ich weiß von nichts. Servus..."
Als ich wieder am Hotel ankam war nur Lourdes da. Keine Spur von José. Wir tranken weiter unser Bier. Eine halbe Stunde verging und José kam an. Er stieg aus und fragte mich nach 20 Dollar. Ich gab ihm einen Zwanziger, checkte aber dann doch die Situation, riß sie ihm wieder aus der Hand und gab ihm zwei Zehner. "Gut mitgedacht", meinte er, und verschwand wieder im Auto. Nach einer Weile stieg er aus, sah unsere fragenden Blicke und bestellte erst mal ein Bier.
"In Coloseo haben sie gerade einen Mord gemeldet."
"Woher weißt Du das?"
"Vom Polizeifunk."
"Und wo wart ihr?"
"Bei der Alten. Sie ist aber nicht da. Sie meinten, sie werden jetzt mal nach Coloseo schauen und dann sich vor ihrer Wohnung auf die Lauer legen... Sie hat schon eine Vorstrafe wegen Diebstahl. Hat mal in einem Internet-Café Geld gestohlen."
"Ist das auch im Funk gekommen?"
"Nein, das haben die mir erzählt. Wie ich sagte, wenn sie ihn noch hat, dann finden sie ihn. Ich habe ihnen eigens gesagt, daß sie sie nicht verprügeln sollen..."
"Was ist denn das für ein Nonsens?"
"Ja, ich meine, für die Typen sind das schnelle 200 Dollar, die werden da nicht lange fackeln, sondern sie werden ihr klipp und klar sagen: 'Entweder, Du rückst den Rechner raus, oder sie finden Dich morgen irgendwo', die fahren jetzt nach Coloseo zu einem Mord, ich möcht nicht wissen, was diese Leute täglich zu sehen bekommen. Es ist immer besser, wenn man mit denen so wenig wie möglich zu tun hat. Sie sagten, sie werden sie verhaften und verhören. Und, wenn Du Lust dazu hast, kannst Du sie immer noch verprügeln lassen, bis sie Blut spuckt, aber probieren wir es doch erstmal soft..."
Mal sehen... Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, was da bei José am Gürtel umeinanderbaumelt. "Laß mal sehen." Eine Canon Poweshot A60, Nachfolgermodell meider Kamera. Er hatte sie gestern in Cancún gekauft. "Sehr gut", meinte ich, "mußt mir das Kabel leihen, damit ich meine Bilder auf die CD bring. Das Problem war also schon mal erledigt. Die beiden fragten mich, ob ich nicht Lust hätte nach Maroma umzuziehen, dort könne ich sogar einen Computer benutzen, solang ich wolle und bräuchte nichts zu Arbeiten. Klang gut, aber ich mußte hier erst fertigwerden mit der Arbeit und außerdem warten, ob mit dem Rechner was rauskommt.


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