Gammel in Mexiko 2003
Samstag, 26. April

Als ich Nachts vor der Rezeption im Freien saß geschah etwas Seltsames. Eine Frau kam zu mir und fragte nach einem Bad. "Bäder gibt es auch auf den Zimmern, wollen Sie ein Zimmer?" Nein, sie wollte nur ein Bad. "Wir vermieten keine Bäder einzeln", doch sie bestand nicht weiter darauf. Ich tippte weiter. Ob sie sich setzen dürfe. "Bittesehr", ich zeigt ihr einen Stuhl und tippte weiter. Ob ich eine Cigarette hätte. Ich kramte die Cigaretten hervor. "Bittesehr". Ob ich auch Feuer hätte. Ich gab ihr Feuer, "Bittesehr". Wie ich denn hieße? Zum Antworten kam ich nicht, denn in dem Augenblick fuhren zwei Polizeiautos vor. Ein Pick-Up und eine Streife. Aha... aus der Ecke weht der Wind also. Zwei Polizisten steigen aus und bitten sie höflich, mitzukommen. Sie stand auf, sagte "Einen Moment, bitte...", und wurde dann auf den Pick-Up gebeten. Ich tippte weiter. Sie fuhren an, hatten wohl auch keinen Bock auf Nutten, die Jungs. Die alte muß anders pleite sein, daß sie sich ausgerechnet mich als Opfer gesucht hat, wo doch ständig Leute die Straße auf und ab laufen. Ich stecke seit einer Woche in den gleichen Klamotten, Hemd und Hose haben eine Salzkruste, die sicher im Dunklen leuchtet. Die Tatsache, daß sie das nicht im Geringsten zu stören schien spricht nicht sehr für ihre Qualität.

Ich stand heut etwas später auf und machte mich wieder an die Arbeit, sogut es ging. Kein Lüftchen wehte, es war heiß und mörderisch Schwül. Schon im Schatten, vom Nichtstun schwitze man, sobald man anfing, sich sachte zu bewegen, lief das Wasser in dicken Stömen. Ich malte die Töpfe liegend an, als ich aufstand war da, wo ich gelegen hatte eine Wasserlache, als ob es nur auf dem Fleck geregnet hätte. Auch tagsüber geben die Mücken keine Ruhe, das ist auf Dauer nicht auszuhalten. Die Worte "White man's grave" gingen mir nicht aus dem Kopf. Ich halte mich für relativ Wetterbeständig, Regen Schnee und Hitze machen mir nichts aus, außer, daß es eben kalt, naß oder heiß ist, aber die Kombination von starker Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit, bringt mich über kurz oder lang um. Ich bekam starke Kopfschmerzen und kam mit dem Trinken nicht nach, bald war ich zu nichts mehr fähig, ich konnte nicht mehr das Schleifpapier führen. Als auch noch das blut aus der Nase zu rinnen begann, ging auf ein Zimmer mit Klima, stellte sie auf 16 Grad, legte mich auf den Steinboden, streckte alle Viere von mir und schlief ein. Als ich aufwachte, fühlte ich mich wieder wie neu, doch mir grauste es bei dem Gedanken, die Tür zu öffnen und wieder hinauszugehen. Ich schaltete die Klima wieder ab und ging hinaus. Es ist, wie wenn man in eine lauwarme Fischsuppe hineinspringt, der Geruch von Moder und Fäulnis schlägt einem entgegen und man spürt, wie sich die Kleidung wieder vollsaugt. Schon nach wenigen Minuten klebt alles, als ob der Körper gerade im Begriff wäre, mit den Klamotten zu einem zähen Brei sich zu vermengen.

Als es schon fast dunkel wurde, stellte ich die Arbeit ein und ging mit dem amerikanischen Mexikaner wieder auf einen Burger, wieder zahlte er. Sehr nett.

Wir unterhielten uns noch mit der Hamburgerfrau, die mit einem Holländer (rechts im Bild) verheiratet ist. Das ist wohl der Typ, der immer planlos im Laden rumhängt und ein Jammervolles Geesicht macht. Das würde ich wohl auch, wenn ich hier leben müßte. Sie ließ sich heute um zwei Peso runterhandeln, weil ich jeden Tag dort hingehe und sie aber nie offen hat. "Gut, kriegst ihn für 15, aber nur für heute". Ich schloß meinen LapTop ans Netz und holte meine eMails ab. Das dauerte vielleicht drei Minuten. Als ich aus dem Laden kam, war ich wieder klitschnaß. Ein Königreich für eine Klimaanlage... mittlerweile waren alle Zimmer mit Klima vergeben. Ich beschloß, Eikka in seinem Büro zu besuchen. Dor war eine Klima, die einigermaßen arbeitete. Das, was einen zur Verzweiflung bringen kann, ist die Erkenntnis, daß nichts hilft. Abends duscht man sich, trocknet sich ab mit dem Handtuch, das den ganzen Tag in der Sonne gelegen hat, deswegen aber noch lange nicht trocken ist, legt sich ins Bett - natürlich in voller Montur, denn man kann ja nicht etwaige Gäste in der Unterhose empfangen - und versucht zu schlafen. Wenn man am nächsten morgen aufsteht, kann man sich, wenn man will, die Haare noch auswringen, denn kein Tropfen Duschwasser ist während der Nacht verdunstet. Dabei bleiben über Nacht alle Fenster und Türen der Rezeption offen. Ekelhaft. Dagegen war Benghasi ja das reinste Paradies. Jetzt versteh ich die Leute, die in der Karibik Urlaub machen noch weniger, nicht einmal geschenkt würde ich sowas wollen.
Ich traf auch den Italiener wieder. Er meinte, daß er auch mitfahren würde, wenn ich nach Los Angeles wollte. Den ganzen Weg hinauf nach Texas, dann rüber nach Los Angeles. Hm. Ist eine Überlegung wert, wenn das mit dem Diesel nicht zu teuer wird und man von den USA aus eeine Fähre bekommt, dann könnte das immer noch billiger sein, als eine Containerverschiffung. Auch wenn es auf das gleiche käme, hätte man aber doch noch einen Teil der USA mitgenommen. Jetzt, wo man schon einmal hier ist, wäre das zu überlegen, denn nocheinmal würde ich das Verschiffungstheater ums Darién nicht mitmachen, wenn mir in Südamerika einfällt, daß es in Nordamerika vielleicht doch was Interessantes gegeben hätte. Und eigentlich wollten Almut und ich ja nach Alaska, denn wir müssen ja noch in Anchorage ins Captain's Cook.

Ich setzte mich hin und genoß die Kühle des Büros. Als ich wieder einigermaßen wiederhergestellt war, begann, ihn zu beschimpfen. Hätte er nicht nach Baja California gehen können? Oder in Feuerland bleiben? Er meinte, da wäre es überall nicht so schön wie in Playa del Carmen. Was sind diese Biker doch für perverse Typen...
Ich fragte ihn, was er als Vorschlag hätte. Nun, da waren einige: Von Gautemala aus nach Kolumbien, von Mexiko aus nach Chile, von Belize aus nach Venezuela. "What about going to Argentina from Florida?" "But I thought, you wanna go South, Florida is North". "I don't really know, where I wanna go." "You're so fucking crazy... Go to Kolumbia, from there you can go, wherever you want to go." Schon wieder Kolumbien, dabei hab ich mir vorgenommen, in kein Land in Südamerika mehr zu verschiffen, außer Chile und Argentinien. Kolumbien kam gar nicht in die Tüte, die Frage ist nun: USA, Chile oder Argentinien. Wenn die beantwortet ist, dann kommt das Wie an die Reihe. Das ist schon wieder viel zu viel Denkarbeit, also beschloß ich, auf die Scheibe zu warten. Die müßte seit Donnerstag unterwegs sein.

Wieder mal Eikka im Büro.

Er fragte mich, ob ich kurz Zeit hätte, und als ich bejahte, bat er mich, die Rechtschreibfehler auf dem deutschen Teil seiner Homepage, www.harleyadventures.com, auszubessern. Sehr gut. Da brauch ich etwas länger und kann wieder abkühlen. Danach fand ich auch gleich noch einen Grätekonflikt, den ich beseitigte, was allerdings nichts dran änderte, daß kein Sound aus den Lautsprechern kam. Ich wäre gern noch geblieben, aber es war kurz vor Zehn und ich hattte Wache an der Rezeption. Also verabschiedete und ging zur Tür hinaus, durch die mich das Karibikklima sofort wieder rückwärts in den Raum warf. Ich verschloß die Tür wieder, sah ihn an und sagte "Fuck!", mehr kann man dazu auch nicht sagen. "Freu Dich doch, Du Trottel, daß wir nicht in Finnland sind. Dort macht man die Tür auf und es hat 30, 40 Grad unter Null". Ja, danke, erinner mich auch noch dran, machs mir noch schmackhaft, wie schön es da sein muß...

Als ich Nachts vor der Rezeption saß und abwechselnd tippte und Mücken erschlug, kam ein Mädchen von vielleicht 25 Jahren vorbei. Auffallend hübsch, diesmal keine Nutte, denn sie war viel zu schüchtern und verstört dafür. Redet irgendwas, ich dachte erst, es war Maya, denn ich verstand kein Wort. Sie fragte, ob sie sich kurz hier aufhalten dürfe. Sie hätte Angst, denn drei Typen hätten sie verfolgt, die sich jetzt im Restaurant verstecken. Ich sah nach und erkannte leider nichts. Ich ging nicht vor, um nachzusehen, nicht, daß hinterher der Rechner fehlt, aber ich fragte sie, wo sie denn hinwollte. Zwei Blocks weiter. "Wenn Du schnell wartest, dann räum ich den Rechner auf und begleit Dich dorthin." Sie lehnte ab, "nein, ich wollte nicht stören, hab nur nich gewußt, was ich machen soll." Ich machte Anstalten, den Rechner wegzupacken, da sprang sie auf, entschuldigte sich wieder vielmals und schlich los. "Jetzt wart halt mal", sagte ich, sie blieb stehen, "wart, bis da ein Pulk Touristen auf der Querstraße vorbeikommt und in Deine Richtung geht und schließ Dich denen an." Dann schliech sie los in die Richtung, aus der sie gekommen war. Komisches Ding... "Wenn was ist, dann schrei!" Rief ich ihr nach. "Vielleicht kommt dann jemand und hilft", dachte ich für mich und wartete, bis sie um die Ecke bog. Kein Schuß, kein Schrei, keine Rennerei, wird wohl alles in Ordnung gewesen sein.


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