Gammel in Mexiko 2003
Dienstag, 22. April

Wieder saß ich bis tief in die Nacht vor dem Rechner in der Rezeption. Gottverdammte Mosquitos. Wieder aus dem Auto das Mosquitonetz gezerrt. Bevor es hier wieder losgeht muß ich mir noch eine ordentliche Konstruktion überlegen, um das Netz über den Sandblechen anbringen zu können.
Heute wurde ausgeschlafen. Bis um Neune. Danach nahm ich das tägliche Baguette ein und las Schillers "Wallensteins Tod" zu Ende. So ein Blödsinn, ich dachte, wunder, was da noch kommt, dabei er stirbt der ja am Schluß ganz unspektakulär.

Peter wollte heute nach Cancún fahren. Der Dodge war wieder in Ordnung, nur ein Riemen qiuetschte etwas sonderbar. Wir fuhren noch an einer Schreinerei vorbei, um das Holz für das Fenster zu besorgen. Eigentlich dachte ich, es wäre eine Schreinerei, aber als ich die Maschinen dort sah, da staute ich nicht schlecht. Eine wohl selbstgebastelte Säge, eine Abrichte und eine Bohrmaschine. Da stand ich dann mit meiner fachmännisch angefertigten Skizze und kam mir vor wie der Depp, der mit der Kritik der reinen Vernunft in einem Raum voller Analphabeten geht um was wissen zu wollen. Peter hatte es eilig und ich wollte nicht meinen schönen Parkplatz aufgeben, um selbst nach einer Schreinerei zu suchen, die wenigstens eine Fräse hatte. Wir brachten noch verschieden Sachen zu Peters Haus, ich half beim Tragen. Vor der Tür angekommen, stellte er fest, daß er die Schlüssel im Laden vergessen hatte. Er fluchte wie ein landsknecht, denn das war schon wieder eine Viertelstunde, die draufging und er war eh schon zu spät. Als wir wieder zurückfuhren, nahm er in der Eile der Polizei die Vorfahrt. Auch das noch. Diskussion, aber der Polizist war in Ordnung. Er meinte, daß er Peter schon so lange vom Sehen her kenne und daß er deshalb mal ein Auge zudrücken will. Das wären wieder 20 Peso gewesen. Wir ließen das mit der Schreinerei, ich schlug vor, daß ich stattdessen die Gartenstühle neu einlassen und morgen mit dem anderen Typen auf die Suche nach einer Schreinerei gehen würde.

Peter fuhr los nach Cancún, bevor noch eine Verzögerung dazwischenkam und ich machte mich in der Mittagshitze über die Stühle her. Eigentlich ist das Schleifen keine schwere Arbeit, aber in diesem Innenhof, der keine noch so kleine Brise durchwehen, dafür aber der Sonne ungehinderten Zutritt läßt, ist man nach kürzester Zeit patschnaß. Ich vernichtete in zwei Stunden drei Liter Cola. Des öfteren gönnte ich mir eine Pause.

Diego und ich bei der 8. Cola-Pause auf der luftigen Terasse.

Wieder nur eine Bestätigung dafür, daß Arbeit einfach ungesund ist. Dann kommt noch hinzu, daß sich alles wieder mal hinzieht, weil hier eben doch nichts und aber wirklich auch gar nicht jemals trocknet. Der Lack war drei Stunden nach dem Auftragen immer noch wie frisch aus der Dose. Nur, daß er sich mittlerweile einige Viecher einverleibt hat, was soviel heißt wie "nochmals schleifen und nochmals einlassen. Ich hasse dieses Klima, warum bin ich Idiot nur hierhergefahren? Während ich mich am Stuhl zu schaffen machte, kam Peter mit einer auffallend hübschen Blondine vorbei und zeigte ihr das Zimmer Nummer vier. Er unterhielt sich eine Weile mit ihr. Daß es eine Amerikanerin war, das hörte man sofort: Laut und unangenehm, ich kann es nicht anders beschreiben. Wenn ich diesen primitiven Slang höre, dann schaltet jede Zelle in meinem Körper sofort auf Angriffsmodus, ich kanns einfach nicht hören, das ist akustische Umweltverschmutzung. Zu den Gästen natürlich stets höflich und ehrerbietig, es sind auch nicht die Amis an sich, keiner kann was für seine Mundart, aber es schmerzt einfach.

Ich nahm mir den zweiten Stuhl vor, bis es dunkel wurde. Peter gab mir noch ein paar Tips für die Zimmervermietung. Als es dunkel wurde, wechselte ich meinen Tätigkeitsbereich. Ich ging in den Laden und zeichnete Ware aus. Ich versteh einfach nicht, wie die Leute nicht von selbst draufkommen, den Ventilator einzuschalten. Da zerläuft man doch sonst. Peter wolte heimgehen, also setzten wir uns noch auf eine Cigarette vor den Laden. Wunderte mich, denn er war eigentlich Nichtraucher. Er übergab mir die Liste mit den freien Zimmern und er warnte mich noch: "Paß ein bißchen auf die in Zimmer vier auf. Die ist nicht ganz dicht." Wie? Gut, sie hat einfach einen Sprachfehler, aber so, von weiten machte sie einen für Amerikaner ganz normalen Eindruck, fand ich. "Wieso? Sah doch recht hübsch aus.... "Nein, irgendwas stimmt mit der nicht, die ist irgendwie ganz seltsam. Ist aus New York." Da ging mir ein Licht auf: "Haha, alles klar. kein Wunder, sind wohl die Spätfolgen..." er nickte zustimmend und gleichzeitig Kopfschüttelnd. "Du wirst das schon machen, ich verlaß kich auf Dich", und weg war er. Nicht doch. Jetzt läßt er mich mit dieser Psychoente allein... Grad mich, der ich mit solchen Situationen völlig überfordert bin. Patentrezept? Keine Ahnung. Diego, der Ölplattformarbeiter wußte auch keins. Wenn sie ausflippt, solang in die Fresse schlagen, bis sie bewußtlos ist und anschließend ins Meer werfen. Hier sind so viele Amis, da fällt es bestimmt nicht auf, wenn einer fehlt. Ich zog los, war wieder zum Essen eingeladen. Wo wir denn hingehen sollten? Irgendwohin, wo's billig ist. "Gut", sagt er, und steuert den teuersten Schuppen in der Gegend an. Ich wollte Spaghetti essen, das ist das billigste, aber er bestellte zweimal Carne Asada. Nicht schlecht. Drei riesige Steaks, gestapelt und dünn wie Papier.

So laß ich mir Playa del Carmen sogar gefallen.

Danach ging es wieder zurück zum Hotel. Der Verkäufer geht um Zehn heim und ich mußte vorher da sein, weil sonst alles offen rumliegt. Ich ging in die Rezeption und dort lag ein Zimmerschlüssel und ein Zettel. Darauf stand geschrieben:
"Hi - good morning!
I am sorry but I'm
not gonna stay here
tonight
        thanks
                Sara"

Na, also, da löst sich doch schon wieder alles in Wohlgefallen auf. Ich nehme an, sie hat bezahlt, das ist die Hauptsache. Diego und ich drehten noch eine Runde. Er wollte ein paar Bilder vom Blue Parrot haben. Dann ging ich wieder in die Rezeption, stellte den Rechner auf und fing an, an den Berichten zu schreiben. Mich sprach, während ich schrieb, ein Hotelgast an, natürlich wegen des Autos, das genau vor dem Hotel parkt. Interessanter Mensch, Schriftsteller aus Cuba, fachgebiet Politik. Mit ihm unterhielt ich mich bis spät in die Nacht.


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