Freitag, 26. September 2003

Ich traf mich mit Frank vor dem Roten Löwen. Es sollte keine große Sache werden: kurz rüber nach Tijuana, wieder in die Staaten und weitere drei Monate. Wir fuhren mit seinem 300D, einfach um den Aufenthalt mit der Durchsuchung zu vermeiden. Wie die Fahrt bis San Diego verlief kann ich nicht sagen, denn ich habe noch Schlaf nachholen müssen. In San Diego eine Stunde Aufenthalt. Das Stadtbild ist etwas seltsam, wenn man sich auf dem 5er Highway nähert, dann sieht man die Skyline, scheinbar mitten drin einige Schiffe, Frachter, Passagierschiffe und natürlich die Navy und ständig brausen Flugzeuge über die Autobahn.

San Diego vom Hwy 5 aus gesehen.

Ich nutzte die Zeit, einige Pizzen in mich hineinzuschlingen, dann trafen wir uns um 14 Uhr wieder und fuhren weiter in Richtung Tijuana. Das Auto wurde auf einem Parkplatz abgestellt und weiter ging es mit dem Bus. Ich fragte vorher noch, ob der Bus auch bei der Ausreise an der Grenze hielt. "Ja, doch", versicherte man mir. Also gut. Es ging los. Die Grenze war nicht weit, einfach nur über eine Brücke und schon war man an den Grenzanlagen. Ich sah nur, wie die Grenze weit hinter uns blieb. Keine INS, keine Mexikaner, interessiert niemanden. Jetzt hatte ich natürlich noch den grünen Zettel im Paß. So ein Blödsinn... Aber vielleicht ließ der sich ja bei der Einreise wegmachen. Als erstes gingen wir ein Bier trinken. Danach sahen wir und ein wenig von Tijuana um, aber wirklich begeistern konnte man mich dafür nicht. "Welcome to Tijuana. Tequila, Sex or Marijuana." Viel mehr scheint die Stadt auch nicht zu bieten. Ich hatte meine Ausgehuniform an: Schwarze Jeans, seriöses Hemd und die pelzgefütterte Pilotenjacke, LapTop umgehängt. Natürlich nicht, um damit zu arbeiten, sondern um bei der INS nicht den Eindruck eines Grattlers zu erwecken. Aber soweit war es nicht und der Aufzug war in dieser Gegend eher unangebracht. Kaum geht man einen Schritt von der Touristenmeile weg, schon stehen Millionen von Nutten überall im Weg. Häßlich wie die Nacht, fett und HIV steht ihnen auf die Stirn tätowiert. Laufend wird man betatscht. "Finger weg, Du dreckige Hure!" Wie die Schmeißfliegen, man ist ständig damit beschäftigt, sich diesen Dreck vom Leibe zu halten. Nicht, daß am Ende noch was fehlt. Eine Cola in einem unseriösen Laden hinuntergekippt - muß sein, wenn man in TJ ist. Da kommt dann die nächste: Labert irgendwas, das ich nicht versteh, außer "Cinqüenta dólares." Billige Schlampe. "Sprechen Spanisch nein." Klar kann hier auch jede Englisch und läßt nicht locker. "Fifty Dollar." "Fifty Dollar? No way. Wenn Du mir 500 Dollar zahlst, können wir darüber reden." Wech isse. Meine Ausgehschuhe schreien schon lang nach einer Politur, die bekamen sie nun, aber das war auch schon das einzige, was sich hier lohnt. Kaum ist man wieder in der dritten Welt, riecht es überall nach Kloake. Ekelhaft. Hier hatten wir nichts verloren. Wir fuhren zurück zur Grenze. Der Bus hielt an, jetzt wurde es spannend. Ich stand vor Frank in der Schlange. Es ging recht zügig voran, dafür, daß das die bewegteste Grenze der Welt ist und ganz sicher die krasseste Trennungslinie zwischen Arm und Reich. Ich hilet ihm meinen Paß hin, er sah ihn sich an, als er gerade fragen wollte, sagte ich "Germany, Sir." Er bat mich, einen Augenblick mitzukommen. Dann stellte er mich ab und hieß mich warten, während er zu einem Kollegen ging. In dem Augenblick wurde er von zwei anderen unterbrochen, die einen Mexikaner abführten, der wohl versucht hatte, illegal über die Grenze zu kommen. Dann gab man mir ein Zeichen, näherzukommen. Er erklärte mir, daß dieses Visum nicht verlängerbar sei. "Was?" Er hielt mir die Rückseite hin und zeigte mir, daß genau das dort stand: "You may not apply for an extention." Aber dann meinte er. Das ist das eine. Er könne es nicht verlängern, aber eigentlich hätte er nichts dagegen, wenn ich Einreise, warum auch nicht? "Was arbeitest Du in Deutschland?" Eigentlich bin ich Schreiner. Aber ich arbeite seit drei jahren nicht mehr. Hab mich aus das Welcome to Tijuana. Con el Coyote no hay aduana...Reisen spezialisiert. "Ja, ist schon OK. Gehen Sie hinter zu dem ersten Gebäude auf US-Seite und fragen Sie dort mal an, die geben Ihnen bestimmt ein neues, aber wir hier können das nicht tun. Ich ging also. Ich betrat den Raum, wurde aufgerufen und hielt meinen Paß hin. Der Typ sah ihn sich an, ging zum anderen, der nahm den Paß, kam zu mir und schrie: "No extention." Als ich gerade sagen wollte, daß ich gar keine Extention will, da schrie er wieder "No. Enn, Oh: No!" Das hätte man mir im Flugzeug genau erklärt. Oder nicht? "Nein, Sir, weil ich námlich nicht mit dem Flugzeug eingereist bin und an der Grenze war kein Insructor, der mir erklärt hätte..." Wieder unterbrach er mich. "Doch, das wird von jeder Airline verlangt, daß sie das erklären, also erzählen Sie mir nicht, daß das bei Ihnen ausgerechnet nicht der Fall war." Was für ein Depp. "Sir, verzeihen Sie, ich versuchte gerade, ihnen zu sagen, daß ich nicht mit einer Airline gekommen bin und daß an der Grenze keiner mir das Visum erklärt hat." Womit sind sie dann gekommen? "Mit dem Auto." Da wirft er mir den Paß hin und meint: "Das Auto hat keine Flügel und kann nicht schwimmen, also sind Sie doch mit dem Flugzeug eingereist, wollen sie mich zum Narren halten?" "Keineswegs Sir, das Auto hat Räder und mit denen bin ich ins Land hineingefahren, aber das ist unwichtig, weil ich ja gar keine Verlängerung haben will, sondern..." Er dreht sich zu seinem Kollegen um, der hilflos umherblickt, dann wieder zu mir: "Wie oft soll ich ihnen noch sagen, daß Sie keine Verlängerung bekommen. Enn, Oh: No... Schwingen Sie sich in ihr Auto und fahren sie hin, wo immer si wollen, aber nicht in die United States." "Sir, da gibt es ein Problem: Mein Auto steht in Los Angeles." Er blickt wieder zu seinem Kollegen und meint zu ihm: "Ich glaube, wir haben hier eine Barriere. Eine Englisch-Barriere. Wo, verdammt nochmal, ist Ihr Auto?" "Sir, in Los Angeles Silverlake, das sagte ich bereits und mein Englisch verstehen alle außer Ihnen." "Wie kommt das 'god damned' car dort hin?" "Ich versuchte Ihnen zu erklären, daß ich da hingefahren sei. Kann ich dann wenigstens noch einen Tag kriegen, um das Auto abzu..." "Verdammte Scheisse, ich sagte doch, das fucking Visum wird nicht verlängert und sie bekommen auch kein neues, bevor sie nicht nach Deutschland zurückgeflogen sind." "Und wie soll ich bitte ohne Auto nach Deutschland kommen?" "Da", schiebt er mir meinen Paß hin, "das gilt bis morgen Mitternacht, bis dahin können sie im Land sein. Guten Tag..." Blöder Hund...
Ich ging an der immensen Schlange vorbei, stellte mich vorne an. Und ging wieder durch die Kontrolle. Ein amerikaner fragte mich, was ich denn für ein wichtiges Papier da hätte, weil ich an der ganzen Schlang vorbeigehen durfte. "Alter, ist kein wichtiges Papier, ist ein dickes Problem. Wollen wir tauschen? Ich stell mich gern hinten wieder an dafür..." Der Officer, der mich hintergeschickt hatte sah mich fragend an, ich nickte verneinend. "Fuck. I'm sorry for that man... Aber weißt Du was? Probier einfach in L.A. bei der INS, vielliecht verlängern sie es doch, das geht hier alles nicht so genau." Resigniert fragte ikch ihn, ob morgen nicht Samstag sei. "Oh, man, that's real bad luck...", meinte er nur, klopfte mir auf die Schulter und wünschte mir viel Glück. Dann ging ich hinaus, aber keine Spur vom Bus. Frank hatte mein Handy, also konnte ich ihn auch nicht anrufen. Ich sah auf die Uhr. Genau 30 Stunden hatte ich noch. Jetzt ging es um jede Stunde. Ich nahm ein Taxi. Scheißegal, Hauptsache möglichst schnell nach L.A. Ich fragte den Taxler, ob ich sein Handy benutzen durfte. "No problem" Ich versuchte meine eigene Nummer zu wählen, aber statt des Pluszeichens sperrte ich die Tastatur. Ich reichte es dann betreten grinsend dem Taxler und fragte nach dem Entsperrung-Code. "Das weiß doch ich nicht, das ist ein altes Gerät, gebraucht gekauft, ich hab da nie einen Code gebraucht. Ach, Du Scheisse, wie soll ich jetzt telephonieren, was hast Du gedrückt?" Er fummelte im Stau an dem Apparat rum, reichte ihn mir, nachdem ich ihm die Nummer gesagt und er sie eigenhändig eingtippt hatte. "Hallo?", meldete sich Frank, "und? Hat's geklappt?" "Nein, fuck, ich glaub, ich bin an den dämlichsten Idioten geraten, der je bei der INS beschäftigt war. Ich hab noch 30 Stunden, dann muß ich draußen sein aus dem Land. Wart noch, ich bin gleich am Parkplatz, ich sitz im Taxi." Der Taxifahrer Fluchte und Huptesich seinen Weg frei. Alles stand in Richtung USA, wohingegen nach Mexiko scheibar keiner wollte, da war nicht ein Auto auf der Gegenfahrbahn. Irgendwo verständlich. Ich gab dem Taxler seine 5 Dollar, stieg in den 300D ein. Ich fuhr. Es ging zurück nach Los Angeles. Auf dem Weg überlegten wir uns, was zu tun sei. "Schaff ich es noch nach Kanada? Wie lange braucht man da?" Frank war die Strecke schon des öfteren gefahren. "Nach Seatle 20 Stunden, dann noch etwa fünf bis zur Grenze." Auweh. Aber das mit diesem Auto. Es dürften so etwa um die 2500 Kilometer sein. Ich hatte mittlerweile noch etwa 28 Stunden. Und ich konnte in frühestens drei Stunden losfahren. Da müßte ich einen Schnitt von 100 km/h durchhalten. Das ist mit dem 200D selbst in Amerika unmöglich. Das konnte ich Zeitlich nicht mehr schaffen. Aber ich wollte auf keinen Fall und um keinen Preis nach Mexiko. Das war der allerletzte Notnagel, falls alle anderen Stricke reißen. doch genau das drohte nun zu passieren. Einen Flug nach irgendwo, das würde INS-Technisch funktionieren, aber wo kriegt man einen Flug jetzt noch her? Wir hielten an, um was zu essen. Frank rief Marko an und bat ihn, nachzusehn, ob er irgendwo einen Flug nach Toronto oder Cancún auftun könnte für höchstens 600 Dollar. Es kam bald ein Anruf. "Vergiß Toronto. Cancún gibt es für 450 US$." Das war schon mal was. Danach stürzten wir weiter in Richtung L.A. Wolfgang rief an und regte sich natürlich über das Schlamassel auf. "So eine Scheisse..." In L.A. angekommen, ging ich hinein in die Wohnung. "Servus..." "Servus, Besse. Und? Ois guad glaafer?" "Scheiß... hab noch 25 Stunden Zeit, dann muß ich hier draußen sein..." "Scheisse. Dodaale Scheisse..." Wir suchten nun nach Flügen. Toronto für 2000 Dollar, Cancún ging mit 450 noch. Ich buchte, es half alles nichts. Nach Kanada waren es 2003 km oder 1245 mi. Wenn man berücksichtigt, daß noch nichts gepackt ist und ich hier frühestens um 2 Uhr wegkomme, dann ist das nicht mehr zu machen. 21 Stunden und sie rasen nur so dahin. Ich buchte den Flug für den nächsten Tag 11:20 Uhr. Dann rief ich Wolfgang an um ihm bescheid zu sagen. Danach war Sense.


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