14. bis 20. Dezember 2003

Die Woche fing an mit der Meldung, Saddam Hussein wäre gefangengenommen worden. "He had a pistol, but gave up without the slightiest struggle." Ich fuhr als erstes auf den Highway, das hilft immer, sich den Frust von der Seele fahren. Und mit den neuen Reifen ist das Fahren wieder eine Wonne, lange schon vergessen. Kein Rattern, nur ein sanftes dahingleiten. Der gute Daimler ist also wieder voll dabei, was bedeutet, daß wieder schneller gefahren werden kann, als erlaubt ist. Man weiß eh nicht, wie schnell man fährt, weil die Geschwindigkeitsangaben überall fehlen. Um die interpretieren zu können braucht man einen Meilentacho, aber wer baut sich schon so einen Unsinn in sein Auto? Man merkt eben daran, daß man auch mal wieder überholt, daß die erlaubte Geschwindigkeit etwas niedriger liegen muß. Zwar macht der Gepäckträger ob der fehlenden Kanister immer noch unangehnehme Geräusche, aber das soll sich bald ändern.

Ladezeit trotz DSL etwas lang
Auf dem Hollywood-Freeway, auch One-O-One genannt.

Dann ging ich hinunter zum Löwen, mein Tinchen, das ich seit drei Monaten erfolglos dazu kriegen versuche, mit mir auszugehen, hatte heute Dienst. "Tu ein Bier her, ich will mich jetzt besaufen, ich bin heut in aller Früh schon enttäuscht worden." Das darf doch nicht wahr sein... Ein Kapitän überlebt den Untergang seines Schiffes nicht. Ein Staatsschef überlebt den Niedergang seines Staates einfach nicht - Ehrensache - und erst Recht läßt er sich nicht gefangennehmen. Und schon gar nicht in einem Loch, das er mit Ratten, Mäusen, Fliegen, Fröschen, Wanzen, Läusen teilt. Ausgerechnet Saddam. Schamlos... Ekelhaft. Was für ein Feigling! Wenn er einen Funken Charakter gehabt hätte, hätte er entweder den erstbesten Amerikaner erschossen und damit erzwungen, daß er selbst erschossen würde, oder aber, sich selbst erschossen. Aber nein! Gefangen nehmen läßt er sich. Wie ein Köter, wie ein Weib, wie ein verlauster Bengel, nicht die geringste Spur irgendeines männlichen Stolzes. Niemand hat erwartet, ihn gefangenzunehmen, keiner weiß, was mit ihm geschehen soll, denn mit so etwas rechnet kein Mensch nicht, denn selbst dem verhaßtesten Gegner unterstellt man gewisse Werte. Entweder findet man ihn irgendwo tot auf, oder er verschwindet auf Nimmerwiedersehen und keiner hört mehr was von ihm. Das sind die zwei Schicksale, die in Frage kämen. Alles andere ist weibisch. Bäh, also nein, das ist wirklich das aller niedrigste, das ein Mann wie Hussein sich leisten kann. Schande über ihn. In Bagdad in irgendeiner Seitenstraße gehört er ausgesetzt, der ist es nicht wert, auch nur aufgehängt zu werden, den sollen die Iraker totschlagen mit Holzknüppeln, so, wie man einen Straßenköter totschlägt. Ich hätte wirklich erwartet, daß er im Untergrund alles dafür tut, daß die Iraker den Amerikanern einen Partisanenkrieg unter dem Zeichen des Wehrwolfes liefern, vor dem sie buchstäblich erblassen würden. Nichts degleichen, nichts. "Maulhelden, nichts als Maulhelden..."

v.l.n.r.: 240D, 300D, 200D - bei letzterem fehlen immer noch die mächtigen amerikanischen Stoßstangen.

Die letzte Arbeitswoche brach an, denn nachgezählt und ausgerechnet, ergab sich - während eines Gespräches mit Chris, bei dem ich die neuen Schilder gekauft hatte, daß erstens die Madamme INS natürlich den Stempel noch nicht umgestellt hatte, als sie den Visa-Waiver am 2. Oktober kurz nach Mitternacht gestempelt hatte, und, daraus folgend, daß 1. Oktober plus neunzig Tage, den 29. Dezember ergibt. 29. Dezember, 23:59 Uhr spätestens, muß der Besold außer Landes sein, andererseits drohen katastrophale Folgen. Das wird verdammt knapp, denn Almut - ohne die überhaupt nichts läuft - kommt am 22. Die Schilder frühestens am heiligen Abend und die Firmenpapiere kommen nicht vor Januar - voraussichtlich. Immer liegt man im Kampfe mit der Zeit und das geht mit der Zeit auf die Nerven. Da hat sich der alte Vagabund einen Feind gemacht, denn früher war ich es gewohnt, daß die Zeit für mich arbeitete. In Afrika fing es an. Sehr angenehm, Uhren und Kalender waren Gegenstände, mit denen ich nicht wirklich etwas anzufangen wußte. Wie soll man so eine Umstellung denn auch vernünftig hinbekommen, wenn man keine Zeit hat, weil man täglich am Malochen ist wie ein geisteskranker Deutscher von Adel? Ich brauch einfach mal Urlaub - und der Diesel auch, denn der hat es reichlich satt, nicht gefahren zu werden, immer nur rumzustehen. Das geht auf Dauer ja auch an die Substanz.

Dieses Bild wollte ich schon lange einmal gemacht haben, aber ich kam ja nie darzu, nur hab ich mich leider einmal auf dem Weg on die Arbeit verfahren, damit war die passende Gelegenheit da. Diese weltberühmte Bergaufschrift läßt sich meines Wissens nur zu Pferd, Fuß oder aber aus der Luft erreichen. Ich frag mich nur, wie die Antenne gewartet wird.

Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich abends um Los Angeles Kreise ziehe. Auf den 101, dann auf den 110, von dort auf den 5 und das ganze nochmal. Da kann ein vernünftiger Mensch auch gar nichts dagegen tun, es kommt einfach über einen, plötzlich fühlt man sich einfach wohl und entspant, kachelt mit 120 über den Freeway und wenn man schaut, ist man plötzlich irgendwo in La Mirada - noch nie gehört. "Deprisa, deprisa, rumbo perdido..."
Bei einer dieser Fahrten auf dem 101er hielt mich die Polizei an. Wegen der Kennzeichen. Ich erklärte ihnen, daß ich Tourist sei und für mich keine amerikanischen Kennzeichen drinseien. Ich hätte auch gerne welche, das würde mir vieles erleichtern. Papiere hielt ich ihm auch hin, aber er wollte sie gar nicht sehen. "Gefällt es Dir hier in den USA?" "Ja, Sir, sogar sehr." "Möchtest Du gerne bleiben?" Ich grinste. "Nichts lieber als das, aber ist nicht so leicht." "Wieso? Gefallen Dir die Mädchen hier nicht?" "Doch, aber ich gefalle ihnen nicht, das macht es schwer." "Wo gehst Du denn hin, um Mädchen zu treffen?" "Nirgends, ich setz mich hin und wart' bis sie mich treffen." "Und wo?" "Red Lino Tavern." "There is no Red Light Zone here in L.A." "Räd Läien Tävern!!" "Achso, das Lokal in Silverlake? Da kannst lange sitzen und warten." "Ja, ich weiß, aber das machen wir schon irgendwie." Er wünschte mir eine gute fahrt und meinte, ich solle am Standstreifen beschleunigen bis auf 50 meilen. Der Strahl der Taschenlampe wandert auf meinen Tacho. "Ähm, ich meine, siebzig kolometers, dann erst reinziehen." "Sir, yes, Sir." "Be careful. Have anice evening." Wieso können die deutschen Bullen nicht so sein? Warum hab ich in Deutschland nach einer Ploizeikontrolle immer die Bilder von mittelalterlichen Folterinstrumenten vor Augen und einen schwer zu bändigenden Blutdurst? Hier keine Spur davon. Doch dennoch werd ich dem Drang nach der Ferne mal wieder nachgeben müssen, dem schönen Kalifornien das Heck zuwenden und weiter geht's. Diesmal wieder, wie gehabt, Roundtrip, das heißt, Start in L.A. und - so Allah will - Endpunkt in L.A. Aber da muß die Immigration mitspielen, wenn nicht, kann es Monate dauern. Oder man findet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine bessere Möglichkeit an Gelder zu kommen, man weiß es nie, denn die Vereinigten Emirate von Amerika sind erfahrungsgemäß immer gut für eine positive Überraschung.
Eine davon, um sie am Rand zu erwähnen, ist die, daß ich meine langersehnte und unter schweren Verlusten und gewaltigem Aufwand in monatelangem Ringen erkämpfte Zusage bekam, mit meiner Lieblings-Stewardes auszugehen. Frechheit siegt, Beharrlichkeit führt zum Ziel. Natürlich ein Pyrrussieg, wenn man es vom kaufmännischen Standpunkt betrachtet: Wenn der amerikanische Markt nichts passendes hergibt, dann wird eben importiert, so ist es im Geschäftsleben. Und die Importware ist in Form von Almut sogut wie unterwegs. Diesmal bleibt allerdings der Nachschub aus, die warmen Wintersachen für die Truppe können nicht ausgeliefert werden. Diesmal nicht wegen falscher Spurbreite und Partisanen, sondern wegen Glatteis. Alex' 500 SEL, der mit Wintersachen beladen und zuviel PS bestückt die Fahrt von Augsburg nach Leipzig unternahm endete an der Leitplanke und seitdem läßt sich der Kofferraum nicht mehr öffnen. Schade, aber wir wollen den Willen für die Tat nehmen. Dann muß eben der Diesel für Wärme sorgen.


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