Panamericana-Tour 2002
Dienstag, 10. September

Aufstehen, duschen, frühstücken, waschen. Dann warten auf Anruf von ECL. Die wollten mir bescheid sagen, wann die Zollinspektion stattfinden soll. Wir saßen mit Christoph, einem Deutschen, im Aufenthaltsraum. Es war auch eine zeitlang in Brasilien gewesen und hatte wohl auf der Suche nach etwas zu Rauchen Bekanntschaft mit brasilianischen Straßenjungs gemacht, die ihm ein paar Kugeln vor die Füße jagten und sein Geld behielten. Das sind meist die Leute, die es erwischt.

Er konnte relativ gut Portugiesisch - fast zu gut, weil ihn die Frau an der Rezeption nicht die Bohne verstand. Er sprach nämlich nach der Aussprache, nicht nach der Schrift, sagte also beispielsweise nicht "gente", was "Leute" heißt und für einen Spanischsprechenden durchaus verständlich ist, wenn man es so ausspricht, wie es geschrieben wird; er sagte "schentschi", und das funktioniert dann schon wieder nicht mehr. Genau deshalb fragte ich mich schon immer, was Leute dazu bewegt, brasilianisches Portugiesisch zu lernen. Das ist doch eine Dummheit. Spanisch ist viel sinnvoller, denn mit Spanisch kann man sich in ganz Südamerika verständigen, auch in Brasilien, denn jeder Brasilianer versteht Spanisch. Lernt man Portugiesisch, kann man sich nur in Portugal, Brasilien, Angola, Moçambique und Guinea-Bissau verständigen - und wer möchte da schon freiwillig hin? Ganz abgesehen davon, daß der Aufwand größer ist - wegen der depperten Aussprache, die man als Deutscher sowieso nie ganz hinkriegt. Die spanische schon eher. Das wäre so, als würde ich für 3.000 DM den 3er Führerschien machen, statt den 2er für 2.000 DM. Dabei schließt der 2er den 3er doch mit ein.

Christoph und Gabi
Im Aufenthaltsraum des Viena.

Und immer noch kein Anruf von ECL. Christoph war ein paar Wochen hier gewesen und wollte nun weiter nach Zentralamerika oder in die Karibik. Er wußte nur nicht, wie und wohin genau. Während wir uns so unterhielten, kam mir der Gedanke, daß es doch vollkommen irrelevant ist, ob wir auf demselben Schiff mitfahren, wie das Auto, oder auf einem anderen. Ist doch egal. Im Ankunftshafen würden wir sowieso wieder voneinander getrennt. Ich zog mit Christoph los, um herauszufinden, was sich so an Möglichkeiten bot in dieser nicht gerade kleinen Stadt.

Es war gegen Mittag und Copa hatte natürlich zu. Aber ein paar andere Reisebüros hatten auf und wir gingen hinein. Christoph sammelte ein paar Angebote, die ihm günstig erschienen. Ich reservierte einen Flug nach Panama-City für zwei Personen. Als wir irgendwo auf einer größeren Straße entlanggingen, kam ein Neger und sprach uns an, ob wir nach Zentralamerika wollten. Sahen wir irgendwie so aus? Aber ich sagte: "Ja. Nach Panama." Er meinte, nach Panama gingen Boote. Es würde 100.000 Peso kosten und die brächten uns nach Panama. Mit dem Boot nach Panama für 50 US$. Wäre ich nun alleine, würde ich einfach weitergehen, aber wir waren zu zweit, wobei Christoph mich noch um einen Kopf überragte. Wir wollten uns das mal ansehen. "Nehmen die vielleicht auch Autos mit?", wollte ich wissen. "Nein.Sind kleine Boote, passen vielleicht 50 Leute drauf." Wir gingen zu einem Kiosk, der aber geschlossen hatte. Er erklärte, daß die wohl gerade Mittagspause machten, daß man hier aber die Tickets kaufen kann.

Die Altstadt von Cartagena
Wir stiefelten durch die engen Gassen der Altstadt.

Wir merkten uns den Kiosk und zogen dann weiter. Er gab uns noch den Tipp, es beim Jachthafen zu versuchen. Wir fragten uns durch und gelangten dort hin. Sah sehr gepflegt aus, man ging durch ein Restaurant und dahinter waren die Liegeplätze. Zumeist waren Amerikaner und Europäer da. hier wurde Englisch gesprochen. Lediglich der Bartender war Kolumbianer. Ich fragte einen älteren Amerikaner, ob irgendwer nach Panama fährt, der uns mitnehmen kann. Er überlegte, fragte wiederum andere Leute. Soweit er herausfand, fuhr die Galopero nach Panama. Der Kapitän ist Spanier und heißt Carlos. Aber keiner wußte, wo er gerade war. Wir sollten doch im "Club de Pesca" (Fischerei-Club) nachfragen. Der war gleich nebenan. Wir gingen hin, dort versicherte man uns, daß Käpt'n Carlos heute abgefahren war.

Wir gingen wieder zurück zum Hotel. Christoph hatte ein paar Angebote, ich eine Absage. Auf dem Rückweg stellten wir fest, daß der Kiosk immer noch nicht aufhatte und wir fragten uns, ob der überhaupt noch auf hat, oder ob der schon seit Jahren verlassen war. Es deutete nichts auf regelmäßigen Betrieb hin, wenn man ihn genauer betrachtete.
Zurück am Hotel, fragte ich nach, ob ECL angerufen hatte. Hatten sie nicht. Verdammt! Ich fuhr mit dem Taxi zum Reisebüro, um den Flug auf Donnerstag zu verschieben. das Taxi wartete solange, und ich fuhr gleich wieder ins Hotel zurück, um auf den Anruf zu warten. Mittlerweile hatte ECl aber angerufen und gemeint, die Zollinspektion sei erst später. Das wurde mir nun zu blöd. Bevor ich im Hotel warte, bis man mir bescheid gibt, warte ich lieber beim Zollager. Wieder ins nächste Taxi, zum Zollager gefahren und um Einlaß gebeten. Man ließ mich hinein und fragte, was denn anläge. "Ich warte auf die Zollinspektion. Kann ich mich hier irgendwo hinflacken?" "Die Zollinspektion war schon. "Hä? Wie?" Ich bat darum, zu meinem Auto zu dürfen. Man ließ mich. Ich untersuchte die Versiegelungen. Die waren alle in Ordnung. "Haben die nichts durchsucht?", wollte ich wissen. "Nein. Die Zolluntersuchung ist erst im Hafen. Aber die ist erst übermorgen..." Gut. Also wieder zurück zum Hotel.

Im Zollager
Im Zollager. Der versiegelte Daimler.

Christoph hatte nun seinen Flug gebucht. Der geht morgen um 11:00 Uhr nach San Andres, und von dort aus weiter nach Costa Rica. Den restlichen Tag verbrachte ich im Hotel. Wenn es die Situation zuließ, ging ich heimlich ins Internet. Aber das ist ungemütlich, ständig auf Habacht sein zu müssen. Da kann man sich auf nichts konzentrieren.
Gabi übernahm die Herstellung des Abendessens. Sehr gut. Ich hatte nämlich Hunger wie ein Bär. Nach dem Essen saßen Gabi, Yoyo und einige andere Hotelgäste oben auf der Veranda, unterhielten sich und spielten Canasta. Ich konnte Kartenspielen nie etwas abgewinnen. Das ist was für Grabenkrieger. Stattdessen saß ich etwas abseits auf der Veranda und las "Afrika - Patt Problemm ". Ab und zu hörte ich ein wenig beim Gespräch mit, wenn es interessant war. Die deutsche Touristin fragte, ob man von uns bei der Einreise eine Devisenerklärung verlangt hätte. "Nein", sagte ich. "Doch", sagte Gabi. Ich sah sie etwas verwundert an. "In Kolumbien?", fragte ich nach. "Ja", sagte die Touristin. "Also in Kolumbien hat sich keiner für unsere Devisen interessiert", bestätigte ich. "Natürlich", bestand Gabi drauf, lauter werdend. "Woher willst Du das überhaupt wissen? Die Einreise habe doch ich erledigt..." Sie legte den Kopf schräg in den Nacken und sagte im Brustton der Überzeugung: "Als sie uns an der Straße angehalten haben. Da hat der eine Polizist gefragt, wieviel Geld wir dabei haben, ja?" Ich ließ Buch und Kopf sinken und fuhr mir mit der Hand von oben nach unten übers Gesicht, sah dabei mit dem Auge, das nicht von der Hand zugedeckt war zu der Touristin hinüber. Da kann man nicht mehr machen, als mit dem Kopf schütteln. Es ist einfach zum Verzweifeln. Die kapiert es nicht. Spätestens hier mußte ich Gabi jedwede Denkfähigkeit abschreiben. Ein Versuch, Geld zu schnorren ist also für sie eine Devisenerklärung - bloß weil der Typ eine Uniform anhatte. Sancta simplicitas!
Eine Devisenerklärung ist zwangsläufig mit dem Ausfüllen mindestens eines Papieres verbunden. Das weiß jeder Zehnjährige. Hatten wir ein Papier ausgefüllt? Nein. Ist dafür die Polizei zuständig, oder das Militär? Nein. Der Zoll. War das eine Zollkontrolle? Nein. Wollte der Typ wirklich wissen, wieviel Geld wir dabeihatten? Nein. Werden Devisenerklärungen im Landesinneren Stichprobenweise verlangt, wo man das Geld theoretisch schon lange hätte irgendwo verschwinden lassen können? Nein. Hatte der Vorfall irgendetwas mit einer Devisenerklärung zu tun? Nein. Aber das sind Transferleistungen, die man hier ganz einfach nicht erwarten konnte. Seit über einem Monat hier unterwegs und es ist nicht die geringste Lernkurve erkennbar. Nichts. Null. Und das würde sich auch nicht mehr ändern. Daher beließ ich es dabei, der Touristin zu erläutern, daß es sich dabei um einen Versuch handelte, uns ein paar Dollar abzuknüpfen und betonte, daß von uns keine Devisenerklärung verlangt wurde, auch wenn es in Gabis Kopf so aussah. Wie es darin sonst so aussah, wollte sicherlich keiner wissen.

Canasta-Runde im Hotel Viena
Die tutonische Canasta-Runde auf der Veranda des Hotel Viena.

Ich starrte eine Weile zur Veranda hinunter in die Dunkelheit, hörte hier und da eine Grille zirpen und fragte mich, was Almut wohl gerade machte. Warum war sie nicht hier? Wahrscheinlich tat sie gerade etwas Sinnvolles - was man von mir noch nie wirklich behaupten konnte Und jetzt erstrecht nicht. Wir hätten hier unseren Spaß gehabt, hätten uns schön langsam nach Norden gearbeitet, alles völlig streßfrei. Es ist eben, wie es ist und es kommt, wie es kommt, und irgendwie ist immer alles in Ordnung. Bei den ganzen Fahrten, die wir zusammen absolvierten gab es nicht einmal Reibereien. Kein einziges Mal. Nie. Wir kamen uns nie in die Quere. Sie kann stundenlang dasitzen und ihre Bücher wälzen. Wenn etwas anfällt, wird es wortlos erledigt, Meldungen werden juristisch einwandfrei vorgetragen, persönliche Meinungen unter Vorbehalten angebracht, meine Ausraster ignoriert. Mit Almut läuft an Bord alles einfach reibungslos. Wenn es Probleme gibt, dann sind diese durch äußere Einflüsse bedingt. Korrupte Beamte, Wartezeiten, was alles auf einer solchen Reise eben anfällt. Aber wir sind ein eingespieltes Team, da gelten Grundsätze. Mit Almut durch die Länder zu fahren bedeutet, daß man miteinander fährt. Mit Gabi bedeutet es, daß wir im selben Auto hocken. Sie zahlt, ich fahre. 5.000 DM drauflegen und in Zukunft mit Rotel-Tours fahren - da hat jeder mehr davon. TUI mag sie nämlich nicht. So einen Pauschalurlaub könnte sie nicht machen, denn da bekommt man vom Land nichts mit. Ich behaupte, so ein Pauschalurlaub ist billiger und sie bekommt genau das gleiche mit, als wenn sie 10 Wochen von Peru bis Mexiko auf dem Beifahrersitz hockt: Gar nichts. Wären wir erst in Argentinien oder Chile, hätte ich schon vor vielen Tagen abgebrochen und wäre nach Brasilien zurückgefahren. Aber dazu waren wir nun zu weit weg. Bloß schnellstmöglich nach Mexiko und die Sache beenden.

Dabei ist dieser Kontinent (gemeint sind alle Pazifikanreinerstaaten plus Argentinien gemeint) wirklich sehenswert. Es gibt wunderschöne Flecken, viel zu sehen und die Menschen sind großartig. Aber wenn dauernd nur Streß angesagt ist und man den ganzen Tag nur "schnell weiter" und "warum geht hier nichts vorwärts" hört, vergeht einem die Lust darauf. Ich, für meinen Teil hatte schon lange abgeschlossen. Es galt nur noch, anzukommen. Das Unterwegssein ist auf der Strecke geblieben.
So eine Reise hat nur einen Wert wenn man sich bei Problemen, die sicherlich irgendwann auftreten werden, ab und an sagen kann: "Es ergibt sich..." - und zwar ohne, daß gleich einer mit überschlagender Stimme in Panik schreit: "Wie ergibt es sich, wann ergibt es sich und wer ist dafür zuständig?" Dafür gibt es Reiseanbieter, die sich darauf spezialisiert haben, solche Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold