Panamericana-Tour 2002
Montag, 9. September

Um halb acht zogen wir los. Ohne Frühstück. Ich wollte nun die Verschiffungsgesschichten erledigen, die Überfahrt erzwingen. Nach einem Telephonat fuhr ich zu Express Cargo Line (ECL). Die hatten ein gutes Angebot. Das war eine Consolidadora - so heißen die, glaube ich. Man mietet hier nicht den Container, sondern der Container wird von ECL bei Evergreen gemietet und der Raum im Container weitervermietet. Es ging in die Verhandlungen. Ein Typ, etwa Ende dreißig, und eine Frau, die sehr nett war. Beide waren keine Geschäftsleute, aber man sah ihnen an, daß sie Spaß bei der Arbeit hatten. Etwas, das mir völlig unverständlich ist und bleiben wird.
Der Preis für das Auto lag bei 800 US$ von Cartagena / Kolumbien nach Colón / Panama. Abfahrt ist am Freitag. Das war in Ordnung, aber noch ein bißchen zu teuer. Das Volumen errechnete sich aus Länge und Breite des Autos und der Höhe des Containers. "Wie sieht es denn aus? Was kann man da machen? Auf meinem Gepäckträger und auf dem Kofferraum kann man noch Zeug draufstellen, das sind bestimmt 5 oder 10 Kubikmeter. Kann man den Preis etwas drücken?" Die Diskussion dauerte, sie konnten es mir nicht sagen, da sie nicht wußten, ob sie den Container vollkriegen würden. Andererseits war das ja nicht meine Angelegenheit. Sie sollten zusehen, daß der Container voll würde, und wenn dann noch Raum benötigt würde, konnten wir den Raum benutzen, der zwischen Daimler und Containerdecke noch frei war. Des weiteren stellte ich die Bedingung, daß ich bei allen Verladevorgängen und bei allen Inspektionen dabeisein wollte und alles selbst erledigen wollte, was mir zu erledigen erlaubt war.

Bei der Zollinspektion mußte ich sogar dabeisein, sagten sie. Mir gelang es, den Preis auf umgerechnet 650 US$ zu drücken. Und dann brachte ich mein Hauptanliegen vor: Ich wollte auf dem Schiff mitfahren. "Das geht nicht", sagte sie. "Das hör ich schon die ganze Zeit, und ich sage Ihnen: Es geht doch!" Ich erzählte, daß ich von der Elfenbeinküste auf einem Frachter hierher gekommen war, daß es also möglich ist, und daß man nur herausfinden muß, wie das geht. Ich zeigte ihnen die Letter of Indemnity von der Clipper Ipanema und erklärte das Prozedere: Man kontaktiert die Verschiffungsgesellschaft, in diesem Falle Evergreen. Die und der Shipmaster, also der Kapitän, oder der Eigentümer des Schiffes entscheiden. Das Problem ist, daß das Schiff ja nicht Evergreen gehört, und daß es Evergreen egal sein kann, wer mitfährt und wer nicht. Das entscheiden, wie gesagt, der Kapitän bzw. derjenige, dem das Schiff gehört. Nur braucht man Evergreen, um an die ranzukommen. Ob sie mir wohl den Gefallen tun würden, über Evergreen zu versuchen, für uns eine Schiffspassage zu bekommen. "Natürlich nicht umsonst. Es läuft wie immer: Ich bezahle und ihr bekommt Eure Provision. Ich denke, wir werden uns schon arrangieren." Sie sagte, sie würde es probieren. Es waren ja noch ein paar T age Zeit. Das Schiff lief am Freitag aus. Nun ging es ans Bezahlen. Ich mußte zur Bank und Geld holen. Sowas hatte ich nicht, also mußte Gabi mit.

Es schien nun anzulaufen. Um halb Neun fuhren wir los zur Bank. Als wir bei der Bank ankamen mußten wir fast eine Stunde in der Schlange stehen. Als wir drankamen, um mit der Master-Card Geld abzuheben, wollte der Typ von uns eine Adresse in Kolumbien. "Haben wir nicht". "Ist doch scheißegal. Schreib einfach Hotel Viena rein." Er versuchte es zweimal. "Geht nicht". "Geht doch. Und jetzt mach!" Der Idiot begann mich aufzuregen. Wenn er jetzt wieder blöd tut, dann verlange ich den Vorgesetzten. Beim dritten Mal ging es dann und er rückte die Moneten raus und die Durschschläge. "Dummer Penner! Auf geht's, gehen wir!"

Um 11:15 Uhr waren wir wieder bei ECL. Über drei Stunden, nur Ich bezahlte und fragte nach einer Antwort von Evergreen. "Die versuchen den Ship's Owner zu kontaktieren", sagte man mir, aber wer weiß, was da dran war. Vielleicht erzählen sie es mir nur so, vielleicht haben sie wirklich angefragt, aber die von Evergreen haben ihnen einfach nur so gesagt, daß sie den Reeder fragen. Keine Ahnung... Ich sollte am Nachtmittag wieder kommen, und das Auto zum Zollager fahren. Nach einer halben Stunde war alles erledigt. Wir nahmen unsere Quittung und fuhren los zum Supermarkt. Gerade als ich einparkte merkte ich, daß der Motor plötzlich etwas höher drehte, und, wenig später, daß nur noch warme Luft aus der Lüftung kam. Ich machte die Haube auf und sah, daß einer der Schläuche der Klima geplatzt war. "Scheiße! Ausgerechnet hier. Jetzt muß ich sterben! Toll..." Der letzte Rest des Kühlmittels tropfte noch vom Schlauch auf den Boden. Da, wo der Kondensator am Fahrzeugrahmen festgemacht war, fehlte eine Schraube. Dadurch lag der Kondensator die ganze Zeit auf dem Schlauch auf, und nach ein paar tausend Kilometern ist der halt durchgescheuert. Da beißt die Maus keinen Faden ab... Wir erledigten die Einkäufe und ich lud Gabi danach im Viena aus.

Vor dem Zollager
Das Zollager. Vor der Haube die letzten Meter auf kolumbianischem Boden...

Um 12:00 Uhr fuhr ich eine Tankstelle an, die eine Werkstatt angeschlossen hatte. Die reparierten auch Kilimaanlagen. Das ist gerade das Schöne an dieser Karre, daß sie jeder Hufschmied reparieren kann, wenn er nur einen Schraubenzieher und einen Gabelschlüssel hat. Ich fragte nach, was das kosten würde. Er sah sich den Schlauch an, die Windschutzscheibe auch, schob die Unterlippe vor, neigte den Kopf erst nach links, dann nach rechts... "180.000 Peso", sagte er dann. Ich rechnete das in Währung um: Geteilt durch zwei sind 90.000, alles nach dem Punkt weg, macht... 90 US$. "Was? 90 US$? Für den Schlauch? Willst Du mich stürzen in tiefste Noth und Ärmlichkeit?" "Nein, für den Schlauch, das Kältemittel und die Windschutzscheibe... Alles komplett." "Ach... Achso... Cool. Wie lange dauert das?", fragte ich. "Wäre morgen fertig..." Aber heute sollte das Auto ins Zollager. Das könnte ich sicher auf morgen verschieben, aber bei Gabi betteln gehen, darauf hatte ich schon wieder überhaupt keine Lust. Somit wurde dieses verlockend günstige Angebot nicht wahrgenommen. Verschoben auf Zentralamerika.
Aber beim Reifen kam ich nicht umhin. Ohne Klimaanlage kann man fahren, ohne Windschutzscheibe auch. Ist zwar nicht angenehm, aber möglich. Doch ohne Reifen wird es kompliziert. Da hatte ich auch keinerlei Bedenken. Erstens fiel der Preis für die Reparatur mit gerade mal 5.000 Peso nicht ins Gewicht (das sind etwa 2,50 $), zweitens: Was sollte ich denn machen?

Um drei war ich wieder bei ECL. Dort schickte man mich ins Zollager. Da ich den Weg nicht wußte, kam der Schreibtischtäter mit mir mit. Um halb Drei fuhren wir los. Eigentlich sollte das Auto nun verladen werden, aber weder der Container noch der Gabelstapler waren da, also konnte ich nicht viel mehr tun, als darauf zu warten. Man sagte mir, ich solle das Auto einfach auf dem Hof abstellen. Das geht so schon mal gar nicht. Ich suchte mir den heraus, der halbwegs vertrauenswürdig aussah, und sagte ihm, daß er wohl verstehen würde, wenn ich da meine Bedenken hätte, ein vollgeladenes Auto ohne irgendwelche Sicherheiten irgendwo abzustellen, wo ich niemanden kenne. Ich hatte keine Angst, daß das Auto geklaut würde, aber es reicht ja, wenn vom Inhalt die Hälfte fehlt und vielleicht noch eine oder zwei Scheiben im Eimer sind. Die kriegt man hier nicht so leicht. Er versiegelte alles, inklusive den Tank. Zwar wußte ich nicht, wer im Falle eines Einbruchs zur Rechenschaft gezogen würde, aber das war immerhin besser als gar nichts. Den Schlüssel durfte ich auch behalten.

Im Zollager
Im Zollager. Blick aus dem Fenster.

Mit dem Papierkram war für heute alles soweit erledigt. Ab sofort war ich nicht mehr mobil, sondern wie die Affen per pedes unterwegs. Mit einem Schlag kam ich mir total verloren vor - wie ein hurensohn am Vatertag, würde man in Brasilien sagen... Wie komme ich nun wieder in die Stadt? Auf dem Hof standen mehrere LKW, die Ware ablieferten. Ich ging sie der Reihe nach ab und fragte, wohin sie fuhren. Ein Brummifahrer meinte, er fährt nun ins Zentrum und ich könnte bei ihm mitfahren, wenn ich wollte, er warte nur auf seine Papiere. "Ja, klar. Ich habe es nicht eilig...", sagte ich und stieg auf der Beifahrerseite ein. Zwanzig Minuten später fuhren wir los. Wieder zwanzig Minuten später waren wir im Zentrum. Bei einem Gebäude, das mir bekannt vorkam, stieg ich aus. "Dankeschön, gute Fahrt, noch..." Er fuhr weiter. Und ich stand da und hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich wußte zwar, daß das Hotel irgendwo in der Nähe sein mußte, aber wo? Wäre ich mit dem Daimler unterwegs, dann würde ich einfach so lange hin- und herfahren, bis irgendwann das Hotel auftauchte, aber zu Fuß ist das kompliziert. Also hielt ich das nächstbeste Taxi an. "Zum Hotel Viena, bitte", sagte ich dem Fahrer. Er sah mich an, als hätte er sich verhört. Ich sah ihn an, als würde ich ihn fragen, ob ich mich mißverständlich ausgedrückt hätte. "Hotel Viena?", sagte er schließlich. "Ja. Hotel Viena." Er fuhr los, bog ums Eck, dann nochmal und er sagte wieder: "Hotel Viena..." Und den Preis nannte er auch gleich. So ein Schmarrn, schon wieder. Die paar Meter hätte ich auch laufen können. Ich zahlte, zuckte mit den Schultern, meinte "Die Gringos spinnen, halt", und klingelte am Hotel. Yoyo ließ mich hinein. Gabi meinte, der Trottel von der Bank sei dagewesen. Sie wußte nicht, was er wollte und sagte zu ihm, er solle nochmal kommen, wenn ich wieder dasei. Ich machte mir keine Gedanken. Was kann der schon wollen? Interessiert mich nicht... Wie am Vortag ausgemacht, bekamen wir nun ein Zimmer im Hotel. Ich richtete mich dort ein. Danach versumpfte ich im Internet.

Gegen acht Uhr kam Gabi und meinte, der Trottel von der Bank sei wieder da. Ich ging hinaus und fragte, was er wollte. Einen der Durchschläge. Ich ging zum Tresor und nahm alle Papiere heraus. Er suchte sich sein Papier heraus, nahm es, bedankte sich und ging. Erst hinterher fiel mir auf, was ich doch schon wieder für eine Idiotenaktion gelandet hatte. Hätte ich den Zettel mal lieber gleich vernichtet. Das Geld hatten wir, aber das Konto konnte ohne den Beleg mit Gabis Unterschrift nicht belastet werden. Und darüberhinaus war es reiner Zufall, daß er uns gefunden hatte, denn als wir "Hotel Viena" bei der Bank angaben, hatten wir dort noch überhaupt nicht eingecheckt. Da hab ich mal wieder auch nicht ansatzweise mitgedacht. So ein Dreck, aber auch. Das kostete uns nun einen 1000er. Den Betrag, den wir abgehoben hatten. Auf dem wäre der Idiot sitzen geblieben. Er hatte nur so ein unverschämtes Glück, in mir einen noch größeren Idioten gefunden zu haben.

Ich ging heute früh ins Bett. Schlafen konnte ich allerdings lange nicht, weil mich das noch so ärgerte, daß ich mal wieder zu blöd war, um geradeaus zu laufen, und diesem Idioten von der Bank tatsächlich den Beleg gegeben hatte. Hätte ich den Dreck doch bloß im Auto liegen gelassen. Oder zumindest die Ausrede gebracht, daß das Papier im Auto und das Auto auf dem Weg nach Panama sei. "Scheiße! Fuck! Ich Idiot! Aaaah!"


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