Panamericana-Tour 2002
Mittwoch, 2. Oktober

Epilog

In der Früh fuhren wir zum Hotel Eclipse. Es gab einiges zu erledigen. Zunächst das Wichtigste: Gabi mußte tauchen, bevor das Wasser wegverdunstet... Nach wenigen Minuten waren wir am Hotel. Der Deutsche war da. Wir unterhielten uns mit ihm. Es stellte sich heraus, daß ihm nicht nur der Laden, sondern auch das Hotel gehörte. Er erklärte Gabi, wo sich die Tauchschulen befanden und sie ging los, um sich die beste, also billigste, herauszusuchen - schätze ich. Ich blieb da und unterhielt mich mit "Piter". Wo gab es hier etwas zu tun? Wo konnte man einen umherstreunenden Vagabunden möglichst sinvoll einsetzen? Oder was kann man in Playa anstellen, um irgendwie an Geld zu kommen. Aufenthaltsgenehmigungen waren leicht zu kriegen, sagte er. Darin sah ich allerdings eher ein Problem: Wenn Aufenthaltsgenehmigungen einfach zu bekommen sind, bedeutet das meistens, daß sie keiner haben will. Und das kann nur einen Grund haben: Das entsprechende Land ist relativ unattraktiv. Ich phantasierte es mir dann folgendermaßen zusammen: Immigrationsgesetze gelten für das ganze Land, Playa war offensichtlich nicht Mexiko, also gab es in Playa vielleicht doch genug Möglichkeiten etwas zu machen. Mittlerweile konnte ich vier Sprachen fließend - auch wenn "Sprache" eine sehr großzügige Bezeichnung für Englisch ist, wie ich zugeben muß. Und Portugiesisch ist nur ein Spanischer Dialekt, wenn man mich fragt - auch wenn die Sprachwissenschaftler das anders sehen. Die sind dafür bekannt, daß sie eher praxisfremd unterwegs sind. Und die Praxis sieht so aus: Wer Portugiesisch kann, versteht automatisch Spanisch, so wie der Holländer auch automatisch Deutsch versteht. Holländisch, also Westfriesisch ist auch nur ein deutscher Dialekt. Ein alter Staffelmann aus Rotterdam sagte mal zu mir: "Deutsch ist nur eine abart der holländischen Sprache..."

Posada Las Gaviotas
Posada las Gaviotas, Playa del Carmen.

Also belassen wir es bei der Behauptung "vier Sprachen fließend", eine Schreinerlehre habe ich auch mal gemacht und Kraftfahrzeuge eigenständig zu lenken fällt mir auch nicht besonders schwer. Da muß sich doch irgendwas finden lassen... Bloß was? "Wie sieht es denn aus mit Touristen-Führer?", fragte ich Peter. Das konnte er mir nicht sagen. Da müßte ich mich eher an Eikka wenden, er selbst vermietet nur Zimmer an Touristen. Doch Eikka war nicht auffindbar. "Wohl zu heftig gefeiert gestern", klärte mich Peter auf. "Gab es da einen besonderen Anlaß?", fragte ich. "Als ob der Eikka einen Grund zum Feiern braucht..."
Er wies mich dann grob in Playa ein, erzählte, was man hier und dort so machen kann, und meinte, wenn ich was wissen will, soll ich ihn einfach fragen. Er sei die meiste Zeit am oder im Hotel bzw. Laden.

Gabi kam irgendwann mal strahlend zurück und meinte, sie hätte einen Tauchgang, und zwar am Sonntag und am Dienstag. Gut. "Was steht als nächstes auf dem Pogrom?", fragte ich. Playa anschauen. Na gut. Das Auto blieb beim Hotel und wir spazierten zu Fuß durch die Straßen in Playa. Ein ekelhaftes Klima. Mir lief die Soße am ganzen Leib herunter. "Was mache ich hier?", dachte ich mir, "das wußte ich doch... In Brasilien war das Klima schon ekelhaft, obwohl genau dort der südliche Wendekreis, und mit ihm der globale Wüstengürtel verläuft. Hier war ich in der verdammten Karibik. Millionen Menschen zieht es in die Karibik, und ich verstehe nicht warum. Schlimmer als hier ist höchstens Sibirien, aber das auch nur im Sommer. Wie war der Spruch? Scheiße muß gut schmecken, Milliarden Fliegen können sich nicht irren...

Immerhin erkundete ich die Lage der Internetcafés. Jetzt mußte ich nur noch Gabi irgendwie loswerden, dann konnte ich mich in so eines zurückziehen. Am besten in eines mit Klimaanlage.Ich überlegte, wie es bei mir weitergehen sollte. Ich hatte keinen blassen Schimmer. Und Gabis Flug ging von Mexiko-Stadt und nicht von Playa. Dort mußte sie auch irgendwie hinkommen. Wir mußten uns also auch erkundigen, was die Flüge dorthin kosteten. Mit dem Auto schon mal mindestens 200 US$. Und da waren noch weder Maut noch Benzin noch irgendwelche Schmiergelder inbegriffen. Dahingehende Überlegungen sollten also auch noch angestellt werden. Aber nicht von mir. Sie ist doch so gescheit und weiß alles, außerdem: Was will ich in Mexico-City? Ich muß da doch gar nicht hin. So hatte jeder seine Probleme. Ich die meinen und Gabi die ihren... Nach dem Stadtspaziergang gingen Gabi an den Strand. Ich meldete mich ab um zu tanken. "Aber gleich wiederkommen!" Jawohl, Frau Hauptsturmführer!

Die beste Zapfsäule der Welt...
Der Liter für 46¢, die ganze Zapfsäule voller Geld und weit und breit keine Aufsichtsperson - und das mitten in Mexiko. Solche Zapfsäulen gibt es doch nur im Märchen, dachte ich...

Danach gingen wir zurück in unseren Unterstand um zu duschen. Aber dort mochte ich nicht länger verweilen als unbedingt nötig. Schlafen und duschen, und das war schon zu lange verweilt. Es war ratsam, sich noch tagsüber zu duschen, denn nachts sah man nichts. Da kann es schon mal passieren, daß man aus Versehen in den Ausguß tritt, weil man ihn nicht nur nicht sieht, sondern weil er sich auch noch dort befindet, wo man ihn nicht erwartet, nämlich näher am Waschbecken als an der Dusche. Und da kann man sich schon mal den Fuß am schlecht gegossenen Zement aufreißt. Erst jetzt bemerkte ich übrigens, daß von der Schüssel nur eine Drainagerinne zu besagtem Abfluß ging - kein Rohr, eine Rinne. So sieht es aus, wenn man gerne an den Strand der reichen und schönen sein will, aber nicht ganz mitspucken kann, oder einfach zu geizig ist, sich in ein anständiges Hotel zu mieten, weil das nicht einen, sondern vielleicht zehn Dollar pro Tag kostet. Wir hätten auch am 10 erst hier einschlagen können, dann hätten wir uns durch übernachten im Freien Geld gespart. Aber so sind Bausparer eben. Ich konnte damit leben, denn ich weiß es geht noch schlimmer. Und je mehr Gabi sich über diese Zustände aufregte, desto zufriedener war ich. Das war Musik in meinen Ohren.

Abends gingen wir wieder in die Fußgängerzone und sahen uns die Restaurants an. Gabi besah sich die Speisekarten vor den Restaurants, ich bevorzugte es, das Ambiente zu überprüfen, also: Kann man im freien sitzen und, falls nicht, war da eine Klima? "Kannsch mal bitte aufhören, überall reinzurennen?", keifte die ander' wieder. Als geduldiger Mensch, der ich manchmal sein kann, sagte ich nicht: "Halt's Maul, Du fette Sau! Ich bin 28 und ich kann hinrennen wo ich will!", so wie sie es an meiner Stelle machen würde, sondern ich sagte nur: "Wieso denn? Ich schau doch nur!" Auch wenn sie es nicht verstand: Das ist in Playa del Carmen nicht verboten. Man darf sich ein Restaurant anschauen. Und man darf sich setzen, wenn man mag, und man kann auch weitergehen, wenn es einem da nicht gefällt. Und wenn der Kellner meint, er muß einem hinterherrennen und einen überzeugen, dann hat man wieder unzählige Handlungsmöglichkeiten. Allerdings gibt es keine Verhaltensschablone, oder ein Gesetzbuch mit Vorschriften und genau definierten Verhaltensregeln für solche Fälle und man kann auch keinen Beamten fragen und eine Antwort erwarten. Immer noch nichts kapiert. Wer es in Cartagena nicht gelernt hat, lernt es sicher nicht mehr in Playa del Carmen. Als wir diese Stadt betraten, hatten wir Lateinamerika verlassen. Das einzige was daran noch erinnerte war das Viertel in dem wir hausten.

Wir beschlossen, in der Bar neben dem Eclipse zu Abend zu essen. "Hab keinen Bock, mein Geld bei dem Typen zu lassen", sagte Gabi und meinte damit Piter vom Eclipse, "der ist mir unsympathisch!" Sagt nichts über Piter aus, dafür umso mehr über Gabi. Den Piter hat zwar auf den ersten Blick eine sehr deutsche Art, aber erwies sich als nett und sehr hilfsbereit, wenn man bedenkt, daß wir ja nicht in seinem Hotel wohnten. Hätte er alles gar nicht machen brauchen... Aber wer zahlt schafft an und so gingen wir in den Laden nebenan, aßen, unterhielten uns angeregt. Hier in Playa schien es Gabi sehr gut zu gefallen. Sie war immer öfter gut gelaunt. Danach fuhren wir in die Pension zurück. Als wir durch die Tür gingen schlug uns eine dumpfe Wolke stehender Luft entgegen. Man konnte den Mörtel riechen. Schimmel konnte sich hier gar nicht bilden, dafür waren die Wände zu naß. Als erstes den Propeller an, dann Tür auf und raus auf die Straße, eine Kippe anstecken. "Da machst was mit..." Rein, duschen, neue Montur anziehen, weil die andere patschnaß ist und ab ins Bett. Der Ventilator machte zuviel Lärm, also bekam ich nur eine Genehmigung für die niedrige Stufe. Ich überlegte zwar, hinauszugehen und mich auf das Auto zu liegen, aber die stehende Luft neben riesigen Pfützen mit stehendem Wasser sprachen dafür, daß draußen Myriaden von Mücken umherschwirrten. Und auf Mostitonetz-Aufbauen hatte ich nicht die geringste Lust, also blieb ich.


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