Fahrt nach Feuerland
Mittwoch, 2. Januar 2002

Am Morgen wurde ich von einer kreischenden Weiberstimme mit schweizer Akzent wach. "Ihr seid nirrt einrreladen, unser Feurcholz zu vrfeuern..." Ach, Du scheiße. Deutsche unter sich. Aber sie braucht eigentlich nicht so herumzubrüllen, weil von denen eh keiner deutsch versteht. nachdem ich eine Henne nachgemacht hatte, ging ich hinaus. Chris saß im Gras und sah sie nur verstört an. Was soll das denn? Man ist hier nicht in Mitteleuropa, hier erreicht man mehr, wenn man höflich bittet, daß wir neues Feuerholz holen, was wir ohnehin vorhatten und abgesehen davon waren drei Viertel von dem riesigen Stapel noch da. Wie kann man nur so deutsch sein? Hier bekommt sie höchstens eine über die Gosch und kein Hahn kräht danach. In Deutschland rücken die Bullen an wegen sowas, deshalb führt sich dort auch jeder gleich auf. Und das ist für viele ein Grund, hier zu sein und nicht dort. Ich machte mich mit Eikka in den Wald und wir kamen bald mit einem ganzen Baum zurück. Das war mehr als genug, aber Chris hatte noch einen Baumstumpf mit 40 cm Durchmessern aufgetrieben. Dann machten wir uns auf die Socken. Ich verabschiedete mich von Klaus Schubert, der übrigens der Autor der Reisebestsellers "Abgefahren" ist. Er sagte nicht Lebwohl und nicht Aufwiedersehn, sondern nur "Man fährt sich immer wieder mal über den Weg." Und wir verabschiedeten uns von den Motorradfahrern. "Wir sehen uns in Playa!", versicherten wir uns.

"Man sieht sich dann in Mexiko... Hals- und Beinbruch."

Es ging wieder in Richtung Norden - viel Auswahl gibt es hier ja nicht. Als wir auf der Straße waren, kam der eine Schweizer mit dem LandCruiser aus dem Gebüsch gehetzt. "Challt, challt, nirrt so schnäll. Irr braurr dorr norr ein Photo!" Wir standen stramm, der Daimler auch, dann fuhren wir weiter. Wir hielten noch an der Tankstelle am Ortseingang um zu duschen. Dort traf ich Eikka noch einmal. Der war gerade dabei, sich zu rasieren. "What the Fuck are you doing? Are you a gay?", fragte ich ihn entsetzt. "No, I'm not, but most girls don't like beards like yours." "Who gives a shit wht they like or not. Fuck them..." "That's why I'm doing that." "No, I mean, shit on them...", da sah er mich entsetzt an und fragte, ob ich pervers sei. "OK, I think I have to improve my english... just forget it. Go ahead, Mylady..."

Als alle fertig waren verabschiedeten wir uns aufs Neu. "Gute Jagd, ihr Himmelhunde..." und schon nach wenigen Sekunden waren sie verschwunden. Wir würden sie nicht mehr einholen. Gemütlich ging es nordwärts. Bald hörte der Asphalt wieder auf und wir fuhren wieder auf der staubigen Piste. "Bestaubt sind die Gesichter, doch froh ist unser Sinn, es braust unser Daimler im Sturmwind dahin..." Kaum hatten wir die schützenden Berge verlassen, da brausten wir wirklich im Sturmwind dahin. Das Auto schlingerte und stampfte und es hatte erst begonnen. es sah nicht so aus, als würde sich das in den nächsten Tausenden von Kilometern ändern. Aber wenigstens änderte sich ein bißchen was, nämlich, daß die Piste zu Asphalt wurde. Wir waren noch nicht lange auf diesem Asphalt unterwegs, da ratterte und polterte es hinten. Ich fuhr sofort rechts ran. Reifen.

Irgendwo im Nirgendwo. Kommt allzuoft vor.

So ein verfluchter Mist! Ausgerechnet der Neue, nicht einer der anderen dreien, die schon auf Metall liefen. Nein, es mußte der Neue sein, weil ich Idiot den auch hinten rechts montieren hab lassen. Das weiß ich nun seit Jahren: Wenn es einen Platten gibt wegen Fremdkörpern im Reifen, dann zu 90 % hinten rechts. Die Theorie ist einfach. Links ist die Fahrbahn sauber, wenn da was läge, dann wäre schon ein anderer daran aufgelaufen. Die Chance, daß man der erste ist, sind gering. Rechts liegt der ganze Dreck. Der vordere Reifen fährt über den Gegenstand und stellt ihn auf, der Hinterreifen fährt sich daran platt. Das ist bestimmt schon das zehnte Mal. Also sollte ich eigentlich immer den abgeschutteltsten Reifen an dieser Stelle montieren. Nun aber schnell den Reifen gewechselt, bevor es dunkel wurde. Ines kochte derweil einen Tee. Ich fluchte den Reifen an seinen Platz. Nach einer Stunde war die Sache erledigt.

Weiter durch das sturmzerzauste Feuerland. Das ist ein Fahren, das ist ein Leben. An Bord stimmt alles, die Stimmung ist bestens, der Kilometerzähler allein zeigt uns, daß es allen Anschein zum trotz stetig vorangeht. Die ausgleichenden Lenkbewegungen kommen schon automatisch. Wie es wohl den Motorradfahrern ergangen ist. Zwar ist der alte 200D viel langsamer, aber es das Fahren ist ungleich angenehmer, daher müßten wir - je nach Verfassung der Kradler - einen höheren Tagesschnitt haben. Immer wieder Pistenabschnitte und immer ist die Wüste durch einen Zaun von der Straße abgetrennt. Unendliche Flächen. Auch querzäune gibt es. Da diese nicht quer über die Fahrbahn verlaufen können, sind auf der Straße oder auf der Piste quer mehrere Eisenbahnschienen verlegt im Abstand von 10 bis 20 Zentimetern. Da kann man mit dem Auto prima drüberfahren, aber Huftiere betreten dieses Konstrukt nicht und drüberspringen können sie auch nicht. Ich frage mich nur, was die hier wohl essen, denn es gibt hier nichts, was auch nur nach Gras aussieht. Die Vegetation erinnert an den Ginsterbewuchs in der Sahara. Muß wohl auch sowas ähnliches sein, nur, daß es hier eine Schweinekälte hat, das ganze Jahr über. Ähnlich, wie im hohen Norden. Nur ab und zu sieht man einige traurige Grasreste. Da wir hier kein einziges Rind gesehen haben, einigten wir uns darauf, daß die Viecher alle verhungert sein müssen und die Zäune und Schienen noch aus der Kolonialzeit stammen müssen.
Wir wollten versuchen, ohne Chile zu passieren nach Patagonien zu kommen. Bei der Grenzstation verzweigte sich die Piste. Geradeaus ging es nach Chile, rechts ging es die Grenze entlang richtung Osten. Laut Karte müßte das machbar sein. Wir fuhren also rechts. An der Tankstelle neben der Grenzstation sahen wir einen der Unimogs mit deutschem Kennzeichen. Wir fuhren noch ein Stückchen weiter, verließen die Piste südlich von Estancia Cullen und bauten unser Nachlager auf.


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