Panamericana-Tour 2002
Montag, 26. August

Bereits um viertel vor Neun war ich hellwach, ich freute mich darauf, es anzupacken. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es würde diesmal klappen. Weiß nicht warum. Trotz aller verschiffungstechnischen Rückschläge der letzten Woche, dachte ich, es könnte nun etwas werden. Vielleicht auch nur wegen des Gefühls "Neues Land, neues Glück!", das ich mir selbst einredete. Noch war das letzte Wort ja nicht gesprochen. Wenn sich gabi querstellte, war da nichts zu machen.

Ich hatte mir die Nummer aufgeschrieben und so fuhren wir los, kauften eine Telephonkarte und suchten einen öffentlichen Fernsprecher. Ich rief die an und fragte nach der Sachbearbeiterin, die mir das eMail geschrieben hatte. Die war nicht da, aber jemand anderer, der mir ebenso Auskunft erteilen konnte. Ich nahm Bezug auf das eMail, das ich geschrieben hatte. Ich erkundigte mich nach der Fähre. "Frag, wann die Fähre genau geht", sagte Gabi. Ich fragte nach. Um 18:00 Uhr. "Und frag, wann wir da sein müssen!" Ich fragte auch das. Es würde reichen, wenn wir mittags da wären. "Ich habe ein Auto mit deutschen Kennzeichen, das verschifft werden muß!", wandte ich ein. Sie sagte nur, ich soll bei der Einreise darauf schauen, daß ich vom Zoll alle Papiere mitnehme und gut aufbewahre. Da stimmte was nicht. Das kann nicht sein, daß die Zollabfertigung sechs Stunden in Anspruch nimmt. Normalerweise rechnet man da in Tagen, nicht in Stunden. Aber ich ließ mir nichts anmerken.

"Wunderbar! Die Fähre geht am Freitag, heute ist Montag, das sollte zu schaffen sein...", sagte ich Gabi, "aber vielleicht sollten wir doch heute runterfahren und die Wale anschauen und dann gemütlich nach Cartagena fahren und die Fähre am übernächsten Freitag nehmen?" "Nein. Wir fahren rauf, nehmen die Fähre und gut ist's..." Nun hatte ich die Wahl: Entweder Kolumbien oder die Wale. Ich verzichtete ich auf die Wale. Wenn man wochenlang mit Gabi unterwegs ist und auch noch die entsprechende Schwester hat, fragt man sich eh, was Wale einem da noch bieten können... Nun war das letzte Wort gesprochen. Es ging nach Kolumbien. Meine Freude darüber ließ ich nicht so zum Ausdruck kommen, wie ich es normalerweise getan hätte. Lieber so tun, als wäre es ein notwendiges Übel.

Um elf Uhr ging ich nochmal in ein Internetcafé, um zu sehen, ob sich weitere Möglichkeiten aufgetan hatten. Das war nicht der Fall, aber man kann ja sicherheitshalber mal offiziell kundgeben, daß es noch weitere Optionen gibt. Schließlich sind wir in Südamerika, wo das so üblich ist, und - ist man erst mal in Kolumbien - tun sich garantiert weitere Optionen auf. Und wenn es nur die ist, nach Venezuela weiterzufahren...
Alle Bilder wurden sorgfältig auf Diskette und auf dem Lycos-Server gespeichert und auf der kamera war wieder Platz für etwa hundert Aufnahmen in mittelmäßiger Qualität.

Wir fuhren Mittags zurück zu Christopher. Eine Cola bestellten wir noch. "Und? Was Neues?", fragte er. Ja. In Cartagena geht eine Fähre - immer Freitags. "Ah. Das ist ja gut, Mensch. Dann könnt ihr Euch in Equador noch Zeit lassen. Es gibt ein paar sehr schöne Ecken hier. Und es ist gerade Wal-Saison. Ich kann Euch aufschreiben, wie man da hinkommt. "Nein, das lassen wir, wir fahren gleich nach Kolumbien!", antwortete Gabi. "Dann rast Ihr ja nur durch. Was habt Ihr dann davon?" Eine nur allzu berechtigte Frage. "Ich habe keinen Bock auf diesen Verschiffungsstreß, ich will das einfach nur so schnell wie möglich hinter uns bringen." Christoph verstand das nicht. Denn man reist nicht, um anzukommen, sondern, um unterwegs zu sein. Soll Goethe einmal gesagt oder geschieben haben, oder beides, aber ich bin sicher, Gabi assoziiert diesen Namen mit irgendeinem schweizer Schlagersänger. Und wenn sie Wale anschaeun will, braucht sie nur in den Spiegel zu sehen, sie versäumt also nichts. Ich wollte nun auch gar keine Diskussion anfangen, sondern auch tatsächlich schnellstmöglich nach Kolumbien. Nicht, weil ich bewegungssüchtig bin, sondern aus Angst, sie könnte es sich anders überlegen und wir würden dann weiterhin in Ecuador gegen Wände laufen - zumal neulich der Gedanke ausgesprochen wurde, ganz auf Zentralamerika zu verzichten zugunsten einer ausgedehnten Südamerika-Tour. In Cartagena war nun ein Hoffnungsschimmer entstanden. Zwar gab es noch Unstimmigkeiten,wie das genau aussehen soll, aber das war mir in dem Moment egal. Wenn wir erst mal am Darién dran sind, werden wir schon irgendwie durchkommen. Meinetwegen als Zigeuner verkleidet. Doch mit dieser eMail wurde Ecuador mit einem Schlag uninteressant als Verschiffungsland.
Nach der letzten Cola gab es noch eine allerletzte. Um zwanzig vor Eins brachen wir auf, von den besten Wünschen begleitet. Es ging nun doch nach Kolumbien (km 749.952).

Christophs Restaurant
Ich fuhr noch einmal über den Strand unf typte das Acuário.
Es befindet sich genau in der Mitte des Pamenhains.

12:40 Uhr (749.952): Aufbruch Richtung Kolumbien. Jawohl. Wir fuhren nach Norden. Mangels Gewißheit, ob die Küstenstraßen befahrbar waren, entschieden wir uns, über Quito zu fahren. Die Strecke kannten wir und auf der Karte sahen die Straßen über Esmeraldas nicht so gut aus. Bevor wir zu würfeln anfingen, nahmen wir das, was wir schon kannten. Auch Christoph meinte, wir sollten die Straße über Quito nehmen. Ich hatte ja meine Bedenken, ob wir es schaffen würden, bis Freitag früh überhaupt dort zu sein. Es waren über den Daumen gepeilt etwa 2.000 km. Wir fuhren auf dem Andencordon, also wer weiß, wieviel Prozent von der Strecke aus Serpentinen bestehen? Ich hatte keine Ahnung. Eikka riet mir davon ab, Nachts zu fahren. Eine Grenze auf dem Weg. Und wir hatten dafür effektiv - wieder über den Daumen gepeilt - 48 Stunden. Sechs heute, zwölf jeweils Dienstag, Mittwoch und Donnerstag und Sechs am Freitag - macht 48 Stunden. Macht einen Schnitt von 42 km/h. Den müßten wir halten - wenn es nicht mehr als 2.000 km sind, und wenn wir 48 Stunden fahren konnten und wenn die bei der Ausreise und Einreise keine Probleme machen - aber die machen sie immer, egal wo.

Natürlich war ich anch außen hin der Ansicht, daß wir das locker schaffen würden. Gar kein Thema. Wobei ich vielleicht erwähnen sollte, daß es mir vollkommen egal war, ob wir die Fähre erwischten oder nicht. Es fuhr ja in der Woche drauf wieder eine. Ist alles kein Weltuntergang. Aber ich tat so. Zumindest bis wir in Kolumbien waren.
Um 13:41 Uhr gingen der 750.000. Kilometer durch. "Brav! Weiter so..." Um 15:45 hatte ich meinen 100.000. Kilometer in Südamerika zurückgelegt. Eigentlich nicht viel für knapp zwei Jahre. In Deutschland bin ich das im Jahr gefahren. Aber in Deutschland stand auch Heizöl in unbegrenzter Menge zur Verfügung und die Straßen waren in einem Zustand, daß das sinnlose Fahren Spaß machte. Das kann man nun von Brasilien nicht behaupten.

Rausch zu, fahr zu nach Norden...
Wir fuhren gen Norden, auf den Äquator zu.

In einem der Käffer, die wir kreuzten war ich gerade dabei, einen Taxler links zu überholen, als dieser einfach nach links scherte. Ich hupte ihn an. Er fuhr wieder auf seine Spur, die natürlich nicht markiert war. Während er die Hand aus dem Fenster hob, als Zeichen der Entschuldigung, zeigte ich mit beiden Zeigefingern auf meine eigenen Augen, als Zeichen dafür, daß er die Augen aufmachen solle. "Ja, jetzt komm, er hat sich ja entschuldigt!" "Ja, Gabi. Du bist immer unheimlich verständnisvoll, aber nur solange Du selber nicht betroffen bist!" "Was heißt hier 'nicht betroffen'? Der wäre in meine Seite reingefahren!" "Oh, ja. Wäre dann Dein Blinker auf Deiner Seite kaputtgewesen?" Warum kann sie nicht einmal einfach die Fresse halten, warum muß sie alles kommentieren und sich überall einmischen, sogar in meine PrivatMails. Und so jemand regt sich dann darüber auf, daß sich die Equadorianer immer in alles einmischen müssen, was sie nichts angeht. Schöne Logik... Und wenn man einmal was sagt, dann sofort beleidigt sein. Klar, nä?

Ich bekam Hunger und fing wieder an, in den Käffern langsamer zu tun und genauer zu schauen, um eine komplette Mahlzeit zusammenzubekommen. Hier gab es nur dies, da gab es nur das... Wir hielten dann an einem Hamburgerstand, bei dem es anscheinend auch kohlesäurehaltige Kaltgetränke gab. Praktisch ist, daß man überall in unmittelbarer Nähe eines solchen Standes parken kann. Die Straße ist breit genug. Nun, die Kaltgetränke waren nicht wirklich kalt, aber man konnte sie trinken. Es war gar mehr nicht so heiß, wir kamen langsam auf Höhe. Und die Burger waren richtig gut. Man kann nicht klagen. Wir aßen sie im stehen am Stand. Ich beobachtete, wie ein LKW einen liegengebliebenen Bus abschleppte. Gerade waren sie am Stand vorbei und mit einem Mal tut es einen Schnalzer und der LKW fährt weiter, der Bus steht. Die Kette war gerissen.

Zwischenstopp
Das waren gute Burger. Kann ich nur empfehlen...

Warum man hier Benzin in Galonen mißt, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Vollkommener Nonsens. Aber hauptsache billig. Und sie haben keine Mickimauswährung, sondern harte Dollar. Das ist sehr angenehm, spart man sich doch die bescheuerte Wechslerei. Man kann es sich natürlich unnötig kompliziert machen, indem man irgendwelche idiotischen Treveller-Cheques mitnimmt, die kein Mensch haben will, Tage dafür aufwenden, bis man jemanden findet, der sie gegen Gebühr wechselt, aber das machen in aller Regel nur dumme Pauschaltouristen, die das in irgendeinem Reisemagazin gelesen haben. Klar - in Acapulco im Hotel kann man die wahrscheinlich schon gut einwechseln. Aber da braucht man sie ja auch nicht, weil man da nur selten überfallen wird. Hingegenh da, wo man überfallen werden könnte, will den Schmarrn auch kein Mensch haben und man hat nichts davon. Kreditkarte oder Bares. Besser Kreditkarte, aber in Deutschland weiß man noch nicht, daß es sowas gibt, denn dort müssen alle Beamten und 80% der Einwohner erst mal überhaupt den Entwicklungschritt vom Affen zum Menschen vollenden, dann können wir uns gerne über Kreditkarten unterhalten.

Nach dem Burger fuhren wir weiter in Richtung Nordosten, auf Quito zu. Wir kamen wieder an die Paßstraße, die nach Quito hochführt. Das ging auf den Schnitt - natürlich. 41 km/h Marschgeswchwindigkeit waren bei solchen Voraussetzungen vollkommene Utopie. Um 21:00 Uhr passierten wit Quito. Wir hielten uns nicht lange auf, sondern fuhren einfach nur durch.

nach Quito hielten wir irgendwo in einem Kaff in einem kleinen Supermarkt. Wir kauften das Nötigste und der Kassierer fragte, wo wir herseien. "Alemania", sagte Gabi. "Und wie es denn in Deutschland so sei, wollte er wissen. "Scheiße, natürlich, sonst wäre ich nicht hier." Daraufhin gab es heftigen Widerspruch von Gabi. Na, gut...
Auf dem Weg zum Auto meinte sie noch, sie fände es gut, wenn Kinder zur Schule gingen, statt Autoscheiben zu putzen. So scheisse kann es also in Deutschland nicht sein. Nein. "Dann bleib doch da", dachte ich mir. Sagen konnte ich es nicht, denn das hieße, daß ich auch in Brasilien hätte bleiben müssen... Zumindest solange bis sich Almut erbarmt hätte, wieder auf Tour zu gehen. Aber da Almut keine Sozialpädagogin ist, hat sie wohl zu arbeiten...

Stau...
Ein Bild aus der Umgebun von Quito, als es noch hell war. Lauter Taxis.

An einer Tankstelle an der Landstraße beendeten wir den Tag. Es war punkt 23 Uhr (750.385). In 10 Stunden und 20 Minuten hatten wir 433 Kilometer geschafft. Ein Schnitt von 41,9 km. Wir lagen 0,9 km/h über dem Soll. Dafür hatten wir aber auch nur noch gute 37 Fahrtstunden übrig. Wenn wir so weitemachen sind wir rechtzeitig da. Aber dennoch. Die Straße und der Verkehr bis zum Aufstieg waren in Ordnung, aber da muß der Schnitt dramatisch gefallen sein. Und das wird nicht der letzte Aufstieg gewesen sein. In Nordwestkolumbien teilen sich die Anden in zwei Cordons. Da müssen wir drüber oder drumherum. Egal, wie, das wird Zeit kosten. Ich war nicht der Meinung, daß wir es schaffen würden. Fand es aber nicht schlimm. Ich war jedoch stets bemüht, mir weder das Eine, noch das Andere anmerken zu lassen.

Schön war's, als Cat noch da war. Der Diesel brauste dahin, man beschimpfte sich, genoß die Landschaft. Das lag nun alles so weit weg, ich hatte das Gefühl, dazwischen lagen Monate. Aber es waren nur ein paar Tage. "Wilde Gesellen, vom Sturmwind durchweht, Fürsten in Lumpen und Loden..." Und nun war mein einziges Erfolgserlebnis die nun angetretene Fahrt nach Kolumbien. Auch wenn es jetzt schon vorprogrammiert ist, daß es wieder eine Raserei wird, aber was soll's. Immerhin hat Gabi heute eingestanden, daß sie damals bei Bolivien das gleiche Gfühl hatte, dann aber feststellen mußte, daß die meisten Bolivianer keine Verbrecher sind, sondern nur leben wollen, wie alle anderen Lebewesen auch. Die wollen ihr Leben haben, und ihre Familien züchten und haben keine Lust auf ein kurzes Freibeuterleben. So wird es wohl in Kolumbien auch sein. Doch synaptische Tätigkeiten im Gang - zumindest ansatzweise.


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© by Markus Besold