Panamericana-Tour 2002
Dienstag, 20. August

Am nächsten Morgen, noch lange vor Sonnenaufgang ging es los. An dem relativ kleinen Flughafen herrschte rege Betriebsamkeit, wir waren weiß Gott nicht die einzigen, die hier Leute abluden. Überall wuselten die Transferbusse und die Privatautos gaschäftig umher. Ich parkte genau vor dem Gate. Den Motor konnte ich natürlich nicht laufen lassen, ansonsten würde das Geschrei von Gabi den Flugmotorenlärm übersteigen. Cat packte seine hundert Koffer vor das Auto und wir trugen sie dann gemeinsam zum Check-in. "Wie kann man nur soviel Kruscht umeinanderschleppen.
Und wieder ging einer von Bord... In dem Fall leider der falsche.

Davon hast Du nicht mal ein Viertel gebraucht?!?" "Ja, das werd ich mir für das nächste mal merken. Machs gut. Du armer Teufel.... mußt mit dieser Kreatur noch bis nach Mexiko fahren. Such Dir unterwegs einen Gringo oder - noch besser - eine hübsche Gringa mit Geld - und wirf die Alte hochkant raus. Beneiden tu ich Dich jedenfalls nicht. Du hast die goldene Arschkarte gezogen... Aber mit einer Gekonntheit, wie ich sie von niemand anderem kenne!", lachte er mich aus. Ich winkte ab. "Erinnere mich nicht daran. Schau jetzt, daß Dich schleichst. Nächstes Jahr Mexiko?" "Vielleicht. Mal sehen. Mit der Alten jedenfalls nicht." "Nein. Das kann ich Dir jetzt schon versprechen... Wird mir nicht schwerfallen, das Versprechen zu halten." Wir schlenderten gemeinsam bis zum Flughafeneingang. Ab da durften nur Passagiere weiter. Für mich hieß das: Hand an den Helm, auf der Ferse Kehrt und hinaus. Man drängte schon, ich solle wegfahren. Das tat ich auch. Gabi schlief noch eine Weile weiter.

Als wir an einer der breiten Durchfahrsstraßen an einer Ampel hielten, stand neben uns ein Auto. Eine Mutter mit ihrem Sohn, offensichtlich - auch keine typischen Equadorianer. Zu hell, zu blond. Die Mutter fragte, wo wir denn hinfuhren. "Guayaquil!", brüllte ich hinüber. Ob wir ihren Sohn nicht ein stück mitnehmen könnten, dann braucht er nicht den Bus zu nehmen. Den schickte ja der Himmel. "Klar, kein Problem..." Ich fuhr bei der nächtsen Tankstelle runter von der Straße, unterhielt mich kurz mit der Mutter und der Sohn, etwa in meinem Alter, stieg um. Langsam ging auch die Sonne auf. Er war irgendwie Landvermesser oder sowas. Bei dieser Gelegenheit inspizierte ich wieder mal mein GPS, das in den letzten Tage etwas zu spinnen begann. Die Höhe war viel zu niedrig. Wir waren mitten in den Anden. Das Auto fuhr nicht so, wie es unterhalb von 2000 m fährt. Es war viel träger. Dennoch zeigte das GPS eine unnsinnig niedrige Zahl an. Aller Logik entgegen stieg die Zahl langsam an, obwohl wir ja die Serpentinen abwärts fuhren, dann auch noch so stabil und eindeutig. Normalerweise sind schwankungen von 50 m normal, zumal man sich ja bewegt. Das nervte mich nun. Bei genauerem hinsehen bemerkte ich dann, daß es nicht die Höhe anzeigte, sondern die zurückgelegte Strecke - wohl seit Guayaquil. Blöd...
Zum Dank einen Tank...

Schon wieder etwas eingespart. Kann es nicht mehr von denen geben? Da ich kein Namensgedächtnis besitze, weiß ich auch nicht, wie unser Gast hieß. Jedenfalls hatte er allerlei interessante Sachen über die Gegend um uns zu erzählen. Ich fragte ihn auch bezüglich Kolumbien. "Nein!", keifte Gabi dazwischen, die mittlerweile aufgewacht war. Kann die nicht einmal einfach still sein? Ich habe doch ihn gefragt, nicht sie. Er erzählte nichts Schönes über Kolumbien. Auch seien ab und zu kolumbianische Rebellen im Norden Equadors. Mal sehen, was die Zukunft so bringt. Spannend ist es allemal. Wir sind mitten in Equador und haben keinen Schimmer, wie es weitergeht. Gabi wußte es schon. Wir nehmen die Fähre und fahren nach Panama. Ganz einfach. Stadtbergen, Straßenbahnhaltestelle...

Ich erzählte ihm auch unsere Geschichte und unseren Plan. Er sagte, wir sollten doch einfach mit einem Holz- oder Bananendampfer hinüberfahren. Sicher könnten die ein Auto an Deck mitnehmen. Er würde als Dankeschön für das mitnehmen bei seiner früheren Firma anrufen und anfragen, ob die darüber etwas näheres wüßten. Wir fuhren ihn zu seiner Wohnung und luden ihn dort ab. Unser Fahrgast gab uns seine Nummer und sicherheitshalber auch noch die Nummer von seiner ehemaligen Firma.

Die Teufel von Quito
"El Diablo"

Wir hatten gerade mal ein Drittel der Strecke nach Guayaquil zurückgelegt. Allerdings das langwierigste Drittel, bestehend aus Serpentinen und schlecht geteerten Straßen. Nach Westen hin werden sie besser, obwohl von Gut keine Rede sein konnte. Es war eine Landstraße. Die gleiche, über die wir gekommen sind und sie führte immer wieder durch Käffer mit diesen verdammten Speed-Bumps. Und wenn es nicht die waren, dann waren es Köter, Kinder, Schafe, Rinder, trompetende Trauergesellschaften, oder Autos, denen man ausweichen mußte. Da kann man nicht einfach durchheizen, wie es einem gefällt.

Aber sehr interessant, diese Überlandstraßen. Hier kann man auch diesen Unsinn schön beobachten, daß in jedem Kaff immer nur das gleiche verkauft wird. Ein Stand gleicht dem anderen, das Angebot und die Preise sind auch gleich. Da fragt man sich erneut, wieso keiner auf die Idee kommt, etwas anderes als die anderen zu verkuafen, wie in jedem anderen Land auch. Wenn man also etwas essen will kann man entweder das erwerben, was gerade angesagt ist, oder aber man fährt weiter, in der Hoffnung etwas zu finden, was einen eher anspricht. Kann natürlich sein, daß man dazu ein paar Käfer weit fahren muß und - wenn es blöd läuft - feststellt, daß das, was man zuvor hätte haben können, besser gewesen wäre. Und wieder zurückzufahren ist ein Schmarrn. Dann hungert man eben vor sich hin, entschließt sich dann, einfach irgendwas zu essen. Man würdgt das Zeug hinunter, vertraut auf seine Magensäure, und auf seinen stählernen Verdauungstrakt, um dann, wenn es blöd läuft - und das tut es meistens - im nächsten Kaff festzustellen, daß sie die schönsten Burger gehabt hätten. Für Unterhaltung sorgten neben Polt auch einige umgestürzte Laster.

Sieht aus, als wäre der LKW einfach wegen Übermüdung aus dem Stand umgekippt. Keine Ahnung, wie dieser es geschafft hat, auf der Geraden und innerorts. Das kriegt nicht mal meine Schwester fertig.

Ich wollte möglichst früh in Guayquil sein, damit ich noch möglichst viel erledigt bekam. Es sind nur ein paar Stunden am Tag, in denen man etwas erledigen kann. Die Nacht und vor allem die Wochenenden sind dafür ungeeignet. Die erste Anlaufsstelle sollte eine große Verschiffungsgesellschaft sein im noblen Gewerbeviertel von Guayaquil. Natürlich mußte man das erst einmal finden. Das kostet auch wieder Zeit. Wir kamen so gegen kurz nach Vier in den Außenbezirken an.

Bis wir das Porta-Gebäude erreicht hatten, war es schon fast zu spät. Ich ging dennoch hinauf. Jetzt, wo wir schon einmal hierwaren, wäre es Schwachsinn, einfach wieder zu fahren. Vorher setzte ich Gabi auf den Fahrersitz, für den Fall, daß einer hinauswollte. Dann verschwand ich im Gebäude und fuhr in den 10 Stock. Es hatte natürlich alles schon zu un man bat mich, am nächsten Tag wieder zu kommen. War klar. Ich schlenderte wieder hinunter. Als ich am Parkplatz ankam, stand das Auto nicht so da, wie ich es abgestellt hatte. Schnell stellte ich fest, daß es jemandem im Wege stand und, daß ich vergessen hatte, Gabi zu erklären, wie der Rückwärtsgang hineingeht. Irgendein Pförtner hatte ihr beim Schieben geholfen.

Gabi fluchte natürlich auf Cat, "die scheiß Ballerina", der zwar am allerwenigsten dafür konnte, aber das tat nichts zur Sache. Wir mußten das auf den nächsten Tag verschieben, es half alles nichts. An das Gemecker gewöhnt man sich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Einfach nicht hinhören, geschweige denn widersprechen. Widersprechen ist ganz schlecht, denn das schraubt die Lautstärke nach oben.
Doch man muß schon sagen, daß seit Cat weg war, Gabi ruhiger geworden war. Ruhig war sie noch lange nicht, das geht auch nicht, aber das verlangt ja auch keiner. Nur etwas mehr Anpassungsfähigkeit.

Wir gingen in eine luxuriöse Shopping-Mall, um uns umzuschauen und um einige Einkäufe zu tätigen. Ich brauchte eine Telephonkarte für den morgen anstehenden Telephon-Marathonlauf. Gabi sah sich noch in den Geschäften um. Viel blieb nicht mehr zu tun an diesem Tag. Wir fuhren durch Guayaquil und suchten noch in Telephonbüchern nach Navieras. Ich schrieb mir alle wichtig aussehenden Nummern heraus. Auch für solche Fälle wäre ein LapTop ganz brauchbar gewesen. Aber meine Schwester hat sich den besten Augenblick ausgesucht, um einen Denkversuch zu unternehmen.

Übernachtet wurde natürlich wieder vorne an der Mautstation. Wenigstens brauchten wir nicht nach neuen Möglichkeiten zu suchen, wir kannten den Weg. Zumindest halbwegs. Blöd nur, daß das GPS die gefahrene Strecke immer wieder hinten weglöscht, daher mußten wir schon etwas suchen, bis wir die eine Straße fanden, die nach Südosten in Richtung Grenze führte.

Guayaquil gefiel mir immer besser. Auch Nachts ist scheinbar immer etwas los. Es war schließlich Mittwoch und dann auch noch relativ spät in der Nacht, als wir im Stau steckten. Im Stadtzentrum sowohl, als auch in den äußeren Bezirken, wo scheinbar die Überlandbusse fuhren, wimmelte es von Autos und Menschen, die auf den ersten Blick hektisch durcheinander wuselten und aneinander vorbeidrängten und drückten. Bei genauerem hinsehen, also bei Betrachtung Einzelner, kam allerdings kein Gedanke an Hektik auf. Jeder einzelne sah aus wie die Ruhe selbst, lachte, scherzte, grinste oder ging apathisch oder gemütlich vor sich hin. Richtiges Gerenne gab nicht einmal bei den Bussen. Die steckten eh im Stau und man konnte sie jederzeit zu Fuß einholen, die Türen waren meist auch offen. Kein Streß.

Guayaquil, Nacht, Stau
In einem der äußeren Bezirke von Guayaquil-City bei Nacht.

Als wir auf dem LKW-Parkplatz ankamen gab es Abendessen. Als Bordköchin ist Gabi nach wie vor ungeschlagen. Wenn ich koche, kann man es essen und es füllt auch den Magen, man ist verpflegt. Aber Gabis Essen schmeckt auch noch. Liegt wohl an den Gewürzen. Damit konnte ich nie umgehen, denn das einzige Gewürz, das ich kenne heißt Salz. Während also Gabi das Essen zubereitete, betrieb ich Mückenabwehr mit Autan, Insektenspray, Handtuch und Fliegenpatsche, die eher für die Tagjagd geeignet zu sein scheint, als für die Nachtjagd. Die Viecher waren heute wieder ziemlich aggressiv unterwegs. Irgendwo muß hier Süßwasser in der Nähe sein. Das Auto blieb zu, damit es innen möglichst Mückenfrei blieb. Das Essen war
Unangenehm war auch das anschließende Spülen. Das war meine Aufgabe. Vorne am Häuschen war ein Wasserhahn, aus dem naturgemäß Wasser kam, wenn man ihn aufdreht. Dies wiederum hat zur Folge, daß sich da im Laufe der Zeit eine Pfütze bildet, welche wiederum eine hervorragende Nist- und Brutstätte für diese widerwärtigen Viecher ist. Als Verbündete hatte ich zwar Fledermäuse in großer Anzahl, doch die Mücken hatten eine Überlegenheit von hundert zu eins. Ich ging also als erstes zum Auto und holte das Mückennetz aus der Versenkung. Das war schon lange nicht mehr im Einsatz. Das Spülen ist eigentlich keine große Angelegenheit, aber hier wurde es ein riesen Terz. Das Hemd sollte nicht naß werden, weil die Drecksviecher dann durchstechen können, wenn der Stoff am Körper klebt. Und diese Pfütze war wirklich unangenehm. Kaum stand man einige Sekunden am laufenden Wasser, schon hatte man einen Schwarm Mücken um den Schädel schwirren, der, wieder ein paar Sekunden später, zu einem Geschwader anwächst. Dieses ekelhafte helle Surren, das normalerweise die Viecher verrät. Man kann dadurch den Störenfried auch im Dunklen orten. Sobald es aufhört, zuschlagen. Meist erwischt man sie auf diese Weise. Aber hier war keine Horchpeilung mehr möglich, weil so viele von den Biestern unterwegs waren, und in der Masse wirken sie wie Störsender, es surrte einfach überall. Ich ging dazu über, ein paar Sekunden zu spülen, dann ruckartig zurückzutreten, zum Handtuch, das ich mir um den Nacken gehängt hatte, und schlug damit genau dort hin, wo ich zuvor stand. Dann wieder vor und weiterspülen. Nach ein paar Sekunden, das gleiche Spielchen wieder. Das kann es doch nicht sein, oder? Die ganze Energie, die man sich über das Essen zuführt, die muß man wieder an diesen Viechern verschwenden. Sollten wir noch länger hier bleiben, dann wird das Spülen auf den nächsten morgen verschoben, wenn die Mücken abgezogen sind.


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