Panamericana-Tour 2002
Dienstag, 6. August

Morgens wurden wir geweckt und nahmen einen Stellungswechsel vor. Andere Tankstelle. Weiterschlafen. Ich wachte in der Früh auf. Es war grau in Grau und ein ganz leichter Nieselregen ging hernieder. Es hätte auch schwerer Nebel sein können. So ganz wußte ich es nicht einzuordnen. Für Nebel zu schwer, für Regen zu leicht. Jedenfalls ein Dreckswetter, das kein Mensch braucht. Als Plan hatten wir zunächst in der Reihenfolge: Wäscherei, Internet-Café, Einsatzbesprechung. Als Erstes suchten wir eine Wäscherei auf. Wir fanden eine, nicht weit entfernt und während die sich um die Wäsche kümmerten, suchten wir ein Internet-Café. Die Bilder mußten von der Kamera auf Disketten überspült werden. Tausend Verwünschungen fanden dabei den Weg von Lima nach Augsburg.

Es kam das Gerücht auf, daß Tanja vielleicht als Ablösung für Catarina ankommen könnte. Die könnte den LapTop mitbringen. Nun hing meine Hoffnung auf eine funktionierende Berichterstattung von dieser Tanja ab, die ich angeblich kannte, aber an die ich mich gar nicht erinnern konnte. "Natürlich, die hast Du öfter mal heimgefahren." Das sagte mir nun wirklich gar nichts. Ich war ja ein Taxi, nur bezahlte man mich mit Kilometern. "Danke für's Fahren." "Oh, neinein, ganz meinerseits, danke für die Kilometer..."

Darnach gingen wir zum Essen. Es war ein Chinese, gleich neben dem Internet-Café. "Also, Leute, wie sieht der Plan aus?" "Machu-Pichu..." Diesmal mußten wir einfach hin, denn diesmal war kein Nächstes Mal eingeplant - zumindest nicht für die nächsten paar Jahre - finanzielle Wunder ausgeschlossen. Wir waren auf dem Weg, den Kontinent zu verlassen. Obwohl Süd- und Zentralamerika zusammenhängen, ist es Reisetechnisch von Zentralamerika so weit entfernt, wie Europa. Das bedeutet, daß man nicht ohne weiteres zurückkommt, wenn man einmal übergesetzt hat.

Bei der Besprechung. In Peru wird mal grundsätzlich Coca-Tee und Inca-Cola getrunken...
Doch für den Coca-Tee waren wir noch nicht in der richtigen Gegend.

Wir einigten uns darauf, daß es also nach Machu-Pichu gehen sollte. Zwar waren wir allesamt Kulturbanausen, aber das muß man gesehen haben. Zuvor natürlich Proviantergänzung in Lima, denn das bietet sich an. Als wir die Wäsche abholten, wunderten wir uns etwas darüber, warum die Socken zusammengetackert waren und über verschiedene sinnlose Etiketten an Wäschestücken, durch deren Besfestigungsmethode die Struktur des Stoffes arg leiden mußte. "Was soll das denn?", fragte Gabi. "Willkommen in der dritten Welt...", war meine Antwort. Wir fuhren zum Supermarkt, rasten durch und kauften Dies und Jenes. Cat ging selbständig auf Einkaufstour, bezahlte auch getrennt - spätestens als Gabi sich zu Wort meldete und seine Einkäufe beanstandete. Beim Bezahlen gab es erstmals eine Aktion, die Gabis Verhalten verdeutlicht. Sie bezahlte mit Kreditkarte. Die Verkäuferin zog die Karte durch, reichte Gabi den Zettel und bat um eine Unterschrift. Sie unterschrieb in karolingischen Minuskeln mit "Gabi Z. L.". Die Kassiererin verglich die Unterschrift mit der Unterschrift auf der Karte. Da hatte Gabi aber in Majuskeln in Blockschrift unterschrieben, also "GABI Z. L.". Abgesehen davon, daß es schon von Haus aus vollkommen bescheuert ist, auf diese Art und Weise zu unterschreiben, sollte man dann wenigstens konsequent eine der beiden blödsinnigen Unterschriften beibehalten. Aber nein. Die Verkäuferin stutzte nun, verlangte nach dem Ausweis, wo die Unterschrift wieder so aussah, wie auf der Karte.

Nun mußte Gabi sich ihrerseits aufregen. Ich erlaubte mir die Meldung, daß so eine Unterschrift aber wirklich bescheuert sei. "Dann soll mir halt der deutsche Staat vorschreiben, wie meine Unterschrift auszusehen hat", war die Antwort. Da ich keine Lust hatte, jetzt schon mit der Diskutiererei anzufangen, ließ ich es gut sein und dachte mir meinen Teil. Wenn man schon so behindert unterschreiben muß, dann aber bitte einheitlich, und nicht mal so, mal anders. Aber ich war mir sicher, daß Gabi das nicht kapieren würde, wenn ich es ihr zu erklären versuchte. Die Kassiererin ist nun mal keine Graphologin, die einwandfrei feststellen kann, daß beide Unterschriften der selben Person entstammen, sondern eben nur eine Kassiererin. Und die hat nun zwei unterschiedliche Unterschriften vorliegen. Gerade hier, wo man sich eigentlich darüber freuen sollte, wenn überhaupt jemand auf sowas Acht gibt. Und dann aber mit Entwicklungslandgeschwafel ankommen. Unterschreib wie jeder andere Mensch auch, dann passiert sowas nicht. Die Angelegenheit konnte geklärt werden, und wir durften mit den Einkäufen weiter. Sowas ist einfach unnötig. Es ist nicht propagandistisch wertvoll, keiner regt sich darüber auf, außer man selbst, man gewinnt keinen Preis, es ist einfach nur dumm. Aber mach das mal einer Frau klar, die das Prinzip einer Unterschrift schon nicht versteht... Ich verhielt mich während der ganzen Zeremonie ruhig. Ich brauchte Gabi, sie war wichtig für das Unternehmen, und es war praktisch der erste Tag, also sah ich Deeskalation als die richtige Taktik an. Und Gabi ist ein schwieriger Mensch. Bei allem, was man sagt, und sei es noch so belanglos, muß mit Widerspruch gerechnet werden

Good to go...
Der Kofferraum. der bis zum letzten cm3 gepackt war...
Links Cats, mitte Gabis, rechts meine Abteilung. Nun ging's weiter.

Ich packte das Auto so gut es eben noch ging und wir dieselten dann los. Gleich fanden wir den Weg natürlich nicht. Es dauerte eine Weile und wir hielten einmal an, um nachzufragen. "Wo zum Teufel kommt ihr denn her? Aus dem Krieg?", fragte mich der Typ. "Sozusagen. Wir wohnen auf der Straße..." Er erklärte uns den Weg. Als ich losfuhr sah ich im Rückspiegel, wie einer mit etwas Ovalem spielte und es ratlos ansah, gerade so, als wüßte er nicht, wie es in seiner Hand gelandet war. Es war mein magnetisches D-Schild. Ich legte den Rückwärtsgang ein, fuhr sachte wieder zurück, kurbelte das Fenster herunter und gab ihm mit der linken Hand ein Zeichen, daß das Teil an diesen Kofferraum hingehört. Er tat es wieder zurück und klopfte auf den Kofferraum, ich hob den Daumen und fuhr los. Was war das denn jetzt schon wieder? Es war bereits Nachmittag geworden. Um Punkt 15 Uhr (744.119 km) wurde zum Aufbruch geblasen.

Als wir die PanAm wiederfanden, bogen wir nach Süden ab. Um nach Machu-Pichu zu gelangen, mußten wir wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Und das war ein gutes Stück. Eine Woche, so konnten wir rechnen, würde uns die Aktion kosten. "Aber egal, nun haben wir es nicht mehr eilig", sagte Catarina. Ich sagte nichts darauf. Ich glaubte nicht wirklich daran, daß wir ohne Zeitdruck fahren konnten. Nicht, wenn Gabi an Bord ist. Dabei hatte sie noch 10 Wochen Zeit, aber im Moment war das nicht wichtig. Eilig hatte es nur Cat, aber man merkte nichts davon. Das ist seine brasilianische Art. Zwar würde er gerne mit bis zum Darién fahren, aber wenn's nicht klappt, auch gut, Hauptsache, unterwegs sein. "Do muß was passiert sein", sagte ich, als ich in einem der Vororte von Lima, in denen wir uns mittlerweile befanden, einen etwas seltsam aussehenden und ebenso seltsam geparkten LKW voraus ausmachte.
Ich lud sicherheitshalber die Kamera durch. Die Olympus D-100 hat nämlich die Eigenschaft, daß sie den Blitz durchlädt, bevor sie den Belichtungstest durchführt. Sie trägt zwar eine riesengroße Aufschrift: Ultra-fast point and shoot, aber das bedeutet, wenn man zwischen den Zeilen liest: Ultra slow arming. Daher braucht man immer ein wenig Vorlaufzeit, damit der Blitz lädt, den man im Zweifelsfall aber nicht braucht. Als wir näher kamen erkannte man, worum es ging. Ein Mercedes-Benz Hauber war in eines der kleinen Häuser gesauscht, die neben der Straße ab und zu standen. Von dem Haus sah man nicht mehr sehr viel, wohingegen der Laster noch relativ gut aussah. Made in Germany...

...wird jeder Feind gestellt, bis die letzte Festung fällt.
Und im Sturm, drauf und durch, überrannt.

Das war aber auch schon das einzig Interessante, das wir auf dem Weg sahen. Weiter ging es auf Nazca zu. Die Linien passierten wir erst nach Einbruch der Dunkelheit, auch die Plattform sahen wir erst, als wir sie bereits passierten, daher sparten wir uns diesmal den Aufenthalt. Hier mußten wir sowieso noch mal vorbei. Wir fuhren bis zum frühen Abend und blieben an einer Tankstelle, an der wir getankt hatten, auch gleich über Nacht. Es sah nicht nach Regen aus. Ich machte es mir auf der Ladefläche eines Sattelschleppers gemütlich. Es hing keine Zugmaschine dran, so daß ich davon ausgehen konnte, nicht irgendwo mitten in Peru aufzuwachen, weit entfernt von meinem Auto, meinem Leben.
KTB-Eintrag: 20.30 Ankunft Tankstelle vor Nasca (744.535).


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