Argentinienfahrt 2001
30. Mai bis 18. Juli in Buenos Aires

Es tat sich im Großen und Ganzen nichts Besonderes. Es wurde gefahren, aber nur im Stadtbereich, Einkaufen, Arbeit, Kaffetrinken usw.
Buenos Aires ist eine angenehme Stadt. Nicht so hektisch, wie man es vielleicht erwartet. Der Verkehr ist ziemlich locker und angenehm. Mal rauscht einem irgendeine Ziege drauf, mal rauscht man selbst dem Vordermann drauf, alles kein Grund zum Aussteigen, das passiert hier öfter. Was viel eher nervt, das sind die Busse, die vor einem herwuseln, ganz links rüberfahren, ein oder zwei Autos überholen, nur um nach ein paar Metern wieder ganz nach rechts zu fahren, weil sie zur nächsten Haltestelle müssen. Besonders angenehm ist der Verkehr am Wochenende. Wenig Busse und gerade so viel Autos, daß es sich angenehm fahren läßt.

Die Avenida del Libertador am Wochenende.

Jedenfalls merkt man einen deutlichen Unterschied zwischen der Fahrweise der Brasilianer und der der Porteños, wie die Buenosairaner in Landessprache genannt werden. Hier geht alles etwas italienischer zu, während in einer brasilianischen Stadt vergleichbarer Größenordnung, Sau Paulo, eher unbewußt versucht wird, die Deutschen nachzuahmen. Sie schaffen es auch fast, nur fehlen gottseidank die Oberlehrer und Wichtigmacher, weil da - so vermute ich - ein solcher nicht lange leben würde. Die Wahrscheinlichtkeit, daß dort ein aufgebrachter Verkehrsteilnehmer, besonders in der Nacht nicht mit dem Mund, sondern mit der 9 mm antwortet, die ist zwar nicht irrsinnig hoch, aber sie besteht - zum Glück. Daher läßt man das Pöbeln besser sein.
Hier in Buenos Aires geht es viel lebhafter zu, es wird auch öfter mal gehupt, allerdings nimmt das keine neapolitanischen Ausmaße an. Die Spuren sind auch nur vollständigkeitshalber da, aber keiner fährt einem absichtlich rein oder führt sich auf, weil er glaubt, die Redewendung "meine Spur" wörlich nehmen zu müssen. Man fließt mit und freut sich, daß Sau Paulo und Berlin ganz weit weg sind.

In La Boca Vom Hafen In Tigre

An alten Autos fährt hier in Buenos Aires eine Menge auf den Straßen. Zwar nicht so viel wie in Montevideo, aber man hat dennoch seine Freude, wenn man denn alte Autos mag. Allerdings wird man enttäuscht, wenn man topgepflegte Oldtimer erwartet, meist handelt es sich um sehr alte Alltagsfahrzeuge. Das kommt bestimmt davon, daß es hier keine Kulturbremse Namens TÜV oder ähnlichen Krampf gibt. Dieses von der Schwerindustrie bezahlte Pack von TÜV und Besserwissern... bloß, damit man sich jede Woche ein neues Auto kauft.

Der LKW, natürlich aus dem Hause Mercedes-Benz, ist Baujahr 1964 und denkt noch lange nicht an Rente.

 

Dieser hier ist für 2000 Peso zu haben. Fahren tut er 1a, aber den Lack müßte man etwas aufpolieren.

Und wie ich da so eines Tages die Reconquista hochspaziert komme, fällt mir ein schwarzer LandCruiser auf. Sieht man in der Form hier recht selten. Es fiel auch sofort das Kennzeichen in's Auge: Köln. Da geht man natürlich nicht vorbei, denn europäische Kennzeichen sind die besten Infostände, die man hier finden kann. Ich also hin und gleich mal was blödes gefragt.
"Grüß Gott, wie kommt denn dieses Kennzeichen hierher?"

Zwei deutsche Kennzeichen in Buenos Aires. Selten, aber es sind nicht die einzigen.

Antwort - wer hätt's gedacht - "Mit dem Schiff!" Aber schon ist man im Gespräch. Woher, wohin usw. Junges Pärchen, Thorsten und Babette, unterwegs seit sieben Monaten. Er sitzt am Auto, sie erledigt gerade die Verschiffung. Es soll nun wieder nach Europa gehen. Schade, eigentlich. Ich befragte sie natürlich zu allem Möglichen, da ich nicht vorhatte, in Campinas zu vergammeln, sondern wollte einige Touren durch Südamerika zu unternehmen. Salar de Atacama, Machu Pichu, Chile Chico, Villarica, Feuerland, Patagonien, Ushuaia...
"Und? Ist auf der Reise was passiert?"

Einmal wurden sie überfallen. Wo? Natürlich in Rio, kaum, daß sie da waren. "Das hätt ich Euch gleich sagen können..."

Wir unterhielten uns noch eine Weile und trennten uns dann. Natürlich nicht, ohne vorher eMailadressen zu tauschen. Ich erzählte Brigitte von der Begegnung mit den "Kölnern" und sie sagt - typisch Brigitte - "Warum hast Du sie nicht eingeladen? Sind doch noch Zimmer frei im Haus." Hm... sie hat mir ja zuvor nicht gesagt, daß ich das tun sollte... Aber gut, läßt sich regeln. Ich schickte ihm ein eMail und ein oder zwei Tage später kam die Antwort. Nun waren alle bei Brigitte einquartiert. Sie hatten das Auto bereits zum Hafen gebracht und warteten auf ihren Flug. Wir unternahmen eine Sightseeintour durch Buenos Aires, es gab echte argentinische Steaks und abends wurde gequatscht.

Nebenbei erfuhr ich, daß sie 1997 oder 98 in Südafrika unterwegs waren und erzählten von einem Typen, der durch Zentralafrika nach Namibia gefahren war und dem der LandRover im Kongo umgekippt war. "War das zufällig ein roter LandRover?" fragte ich. "Woher weißt Du das?" Als erstes stellte ich mal richtig, daß der LandRover nicht ihm, sondern seiner Frau umgekippt war. Woher ich das denn wüßte? Mit dem Typen hatte ich vor meiner Abfahrt in Augsburg telephoniert, ich war über Peter Kohles Reisebericht auf ihn aufmerksam geworden, hatte seine Homepage ausfindig gemacht und mich etwa eine Stunde am Telephon mit ihm über Afrika unterhalten im Rahmen der Routenplanung, da hat er mir das erzählt. Ich hatte ihn unheimlich nüchtern und sachlich in Erinnerung, klar in Verstand und Wortwahl, aber ich kannte ihn nur per Telephon.

 

Irgendwann erzählte Babette auch, daß sie auf der Fahrt schon mal einen Augsburger getroffen hatten, der sei aber mit dem Motorrad unterwegs gewesen. "Mit 'ner roten BMW mit Münchener Kennzeichen? Und hieß der zufällig Erwin?" Klar war er das, man wundert sich, wie klein Südamerika plötzlich wird, wenn sich zwei oder mehr Reisende treffen. Als ich ihm von der Begegnung erzählte, meinte er, der mittlerweile längst wieder in Deutschland war, eingekeilt in einem Beruf zwischen Strebern: "Klar wir haben alle die gleichen Reiseführer und fahren mehr oder weniger die selben Routen. Abseits davon ist die Welt schon ein bißchen größer."
Ich brachte die beiden zum Flughafen, Babette meinte, es käme ihr vor, als sei es nur wieder einer der vielen Ausflüge, wie der kleine Trip auf die Galapagos oder sonstwohin, doch diesmal wartete kein Auto mehr und der Rückflug war nur für das Papier, es war 'rum.

Wie damals bei Erwin, so auch hier bei denbeiden: Ich beneidete sie kein Stück. Das ist immer der schlimmste Teil einer Reise, nämlich dann, wenn sie dem Ende entgegengeht, das kann man förmlich spüren, auch wenn man nur Zuschauer ist. "Man fährt sich immer wieder mal über den Weg..." heißt es zum Abschied unter fahrenden Gesellen. Nicht sicher, aber gottseidank nicht auszuschließen.

"Man fährt sich immer wieder über den Weg..."

Man freut sich immer, wenn man irgendwo ist, weit von daheim, und sieht mal ein deutsches Kennzeichen. Das war in Afrika so, so ist es hier und bestimmt auch in Asien. Man tauscht Informationen, hört vielleicht von Leuten, die man früher mal getroffen hat oder die man vielleicht in Zukunft treffen mag - wer weiß. Man verbringt ein paar Stunden, vielleicht Tage zusammen und trennt sich wieder. Vielleicht will es der Zufall, daß man sich wieder trifft. Einem solchen Zufall habe ich es zu verdanken, daß ich in hier Buenos Aires stand und mich nicht in Augsburg dem Stumpfsinn hingab. "Das einzig Reale im Leben ist der Zufall", sagt der Andere und weiß vielleicht gar nicht, wie Recht er hat.
Die nächsten Wochen plätscherten so ins Land, es tat sich nicht viel. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde das Auto abgeschleppt. Ich durfte zusehen. Man darf nicht in der Corrientes parken. Woher ich das denn wissen soll, wenn kein Schild da ist? Das sei ein argentinisches Gesetz - Affenstaat! Nunja, es half ja nichts, war leider nicht Afrika. Ich mußte mir ein Taxi nehmen und das Lösegeld von über 50 US$ für das entführte Auto blechen. Für deutsche Verhältnisse eigentlich noch sehr billig, aber auf keinen Fall zu billig, da es immer noch "money for nothing" ist.

Wenigstens war ich nicht der einzige, dem sie einen W123 abgeschleppt haben...

Der Umzug kam, eMails wurden gelesen und verschickt, es wurde ein bißchen durch die Gegend gefahren, alles nicht besonders spannend, aber wie meist, sehr gemütlich, kein Streß. Buenos Aires macht Spaß, es ist kein Dreckloch wie Sau Paulo, es besteht nicht aus Schlaglöchern, wenngleich es übertrieben wäre, zu sagen, daß man fortwährend auf Flüsterasphalt fahren würde. Und man kann prima weggehen - hab ich mir sagen lassen, und alles ist übertrieben teuer. Insofern hatte sich nicht viel geändert. Das einzige, was mir so auffiel war, daß es immer schwieriger wurde, mit Dollar zu bezahlen. Das war im November und im Februar noch problemlos möglich, denn Peso und Dollar standen eins zu eins. So auch jetzt, nur wollte unerklärlicherweise niemand mehr Dollar haben. Ich verstehe das zwar in der Provinz, denn ein Bauer, der sein Leben lang in der Pampa verbracht hat, der hat nun mal keine Ahnung von diesem ganzen Zeug, aber in der Stadt sollte eigentlich jeder wissen, daß Dollar besser sind als Pesos. Ich konnte nicht feststellen, woran das lag, zumal die Gerüchte kursierten, daß der Peso in naher Zukunft abgewertet werden sollte und es daher besser ist, Dollar zu besitzen, denn Dollar ist Dollar und bleibt Dollar. Der Peso lag im Sterben und alle wußten es, daher ist das umso unverständlicher. Verbote, Dollar zu nehmen, die gab es schon, allerdings ist ein Verbot immer nur so gut, wie seine Kontrolle, also halten sich Behörden dran, aber doch nicht der Tante-Emma-Laden ums Eck und der Privatmann schon gleich dreimal nicht, doch selbst die wollten keine Dollar haben.
Einmal ging ich auf die Botschaft, um einen Paß zu beantragen. Nach viel Theater bekam ich einen dieser schwulen, handgemalten, grünen Pässe, die nur ein Jahr gültig sind. Der kostete 25 Peso, also exakt 25 US$. Ich hielt der Beamtin also einen 50 US$-Schein hin und sie sagte, es würden keine Dollar akzeptiert. "So ein Blödsinn", dachte ich, und sagte: "Passen's auf, machmer's so: Ich gebe ihnen die 50 Dollar, sie geben mir aus ihrem Geldbeutel dafür 50 Peso und damit zahl ich dann den Paß, OK?" Aber nein, das ginge auch nicht. Das gab mir den Rest, ich begann an meinem Verstand zu zweifeln und mich ernsthaft zu fragen, ob nicht ich bei der ganzen Geschichte der Depp bin. Entweder ich bin bescheuert, oder alle anderen. Mag sein, daß ich falsch liege, aber ich konnte nicht feststellen, wo ich den Fehler eingebaut hatte. Andererseits wäre das Weltpremiere, wenn der Besold einmal richtig liegt und dafür alle anderen falsch.

...will nicht aussteigen. Woran's wohl liegt? Argentinisches Lokal in La Boca.

Allein es ließ sich nicht vermeiden, daß ich mich bald wieder Buenos Aires den Rücken kehren und mich nach Norden begeben mußte. Gabi hatte sich vor längerer Zeit schon angekündigt, sie wollte im deutschen Sommer ein bißchen Urlaub in Südamerika machen. War eigentlich mehr so eine vage Zeitangabe, "so gegen August". In der Zwischenzeit gab es aber sogar einen konkreten Termin, nämlich den 22. Juli 2001, 5:10 Uhr, Terminal 2 am Flughafen in São Paulo.
Es war gerade sehr gemütlich in Buenos Aires, eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust, zweieinhalbtausend Kilometer in die falsche Richtung zu fahren. Nur ließ sich der Flug nicht umbuchen. Noch einen weiteren Grund gab es: Die zweite Gelenkwelle war fällig. Die jetzige leckte schon gewaltig und Dennis hat mir eine besorgt und nach Augsburg geschickt. Diese sollte Gabi mitbringen. In Campinas habe ich eine Werkstatt, die mir für umsonst die Geräte zur Verfügung stellt. Darüberhinaus hatten wir vor, in die Atacama zu fahren und ich hatte keine Ausrüstung dabei. Gut, es geht auch ohne, aber es wäre schade, wenn man etwas auslassen müßte, weil Kanister und Bleche fehlen.


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