Fahrt nach Feuerland
Samstag, 29. Dezember 2001

Wir fuhren noch ein gutes Stück weiter durch die Nacht, den Asphalt ausnutzend, der wieder eingesetzt hatte. Abendessen gab es heute an Bord unter der Fahrt. Kaltes Buffet. Um Punkt Zwei hatten wir einen guten Nachtplatz gefunden (S 54°02,668' / W 67'20,431' - km 715.020). Er war zwar nicht wirklich gut, da er direkt neben der Ruta 3 war, aber der beste, den wir in der Dunkelheit ausmachen konnten. Natürlich wurde auch noch das Zelt aufgebaut. Es würde morgen mit dem Aufbruch wohl etwas länger dauern. Aber wir konnten es uns leisten, denn bis Ushuaia war es nun nicht mehr weit.

Ein dicker Zossen im Hafen von Ushuaia.

In der Früh wachte ich öfter mal auf, weil ich fremde Stimmen vernahm, schlief aber gleich wieder ein. Es war zu gemütlich. Ich muß wirklich blöd geparkt haben. Ines erzählte mir später, als ich endgültig aufgewacht war, daß einige Autos angehalten hatten und nachgefragt hatten, ob wir Hilfe bräuchten. Es sah wirklich wie ein Unfall aus, von der Straße aus betrachtet. Diese verlief auf einem Damm, rechts ging im rechten Winkel sowas wie ein Feldweg weg, von dem wiederum gelang man in den Straßengraben, der Parallel zur Ruta 3 verläuft und gleichzeitig den Graben des Feldwegs bildet. Ich war auf den Feldweg gefahren, hatte den nach zehn Metern verlassen und mich parallel zum Feldweg, also rechtwinklig zur Straße aufgestellt. Die Scheinwerfer zeigten in Richtung Straße, also sah man, wenn man von Norden kam, einen beschädigten Benz da unten stehen, der aussah, als wäre er in der Nacht von der Straße abgekommen und in den Abgrund gefallen. Leider gibt es hierzu kein Bild.
Erst um halb ein Uhr konnten wir weiter, meine Knie plagten mich immer noch, wenn Ines mir nicht beim Zelt auf- und abbauen geholfen hätte, wäre es wohl wieder Abend geworden. Nach einer Stunde und fünf Minuten waren wir wieder auf der Piste (km 715.076).
Um Drei legten wir eine Pause am Lago Escondido ein. Die Sonne schien, ich legte mich schlafen, während Almut und Ines munter umhersprangen und danach zum Baden gingen. Danach ging es weiter. Wir kamen bald an seltsamen Wäldern vorbei. Leider versäumte ich es auch hier, einfach einmal ein Bild zu machen. Diese Art Wälder kannte ich aus Bilden aus dem Ersten Weltkrieg, in der Anfangsphase, als die Wälder noch nicht durch die Granaten zu Sägemehl verarbeitet waren. Es ragen nur noch die Stämme aus der Erde. Ast- und Blätterwerk liegen am Boden.

Argonnerwald 1915?

Nun war es aber unwahrscheinlich, daß das hier durch Granaten verursacht worden ist. Es mußte eine andere Erklärung dafür geben. Unser Reiseführer erzählte etwas von Bieberplage. Das schien die einzig plausible Erklärung, aber daß diese possierlichen Tierchen in der Lage sein sollen, ganze Wälder so zu vernichten, das ist schwer zu glauben. Ich dachte immer, da müßten ganz andere "Kaliber" her. Wir kamen auf die Lösung nicht, das kam in Patagonien öfter mal vor, daß man einfach nicht weiterwußte. Das mit der Helligkeit in der Nacht wurde beispielsweise nie geklärt. Die Piste wurde immer heller und besser befahrbar und wir brausten über den Schotter, eine dichte Staubwolke hinter uns aufwirbelnd. Wir kamen an einem LKW-Unfall vorbei. Das war der erste, was mich ein wenig wunderte. Wir fuhren schon seit längerem nicht mehr durch das Flachland, sondern auf Serpentinen. Und überholte ein Motorrad, ähnlich aufgepackt, wie das des Österreichers. Die Nationalität blieb unklar, das Länderkennzeichen lautete CDN. Konnte Kanada ja wohl nicht sein, dacht ich mir. Ein anderes Land fiel uns aber nicht ein. Kurz danach (17.08 Uhr - km 715.147) kam wieder Asphalt.

So ein Wegweiser ist an solchen Orten Pflicht.

Um 17:40 Uhr (715.185) standen wir in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Wir parkten im Zentrum und gingen ein wenig durch die Gegend, um uns das hier mal anzusehen. Es war ein nettes Städtchen, nicht zu groß, nicht zu klein, richtig sympathisch. Wir aßen jeder einen Eisbecher, der laut Almut schon vom anschauen satt machte, dann gingen zur Touriinfo und holten uns gaudihalber ein Zertifikat, daß wir die südlichste Stadt der Welt besucht hätten. Das kostete nichts. Ich nahm auch einen Stempel vom Tresen und Stempelte mit wichtiger Miene "Ushuaia" in alle drei Pässe hinein. Es wimmelte natürlich von Touristen, zum überwiegenden Teil Flugtouristen. Aber auf dem Rückweg aber sahen wir einen Laster, auf dem groß die Aufschrift "Alemania" zu lesen stand. Ich ging hin, es standen einige Leute hinter dem Laster und ich frage mal nach, wo denn die Silvesterfeier sei, ob sie überhaupt stattfinde. "Jaja, jedes Jahr unten, ganz am Ende der Ruta 3 auf dem Campingplatz. Etwa eine halbe Stunde von hier. Das letzte Stück ist nicht asphaltiert."

Touristen aus Sigmaringen, natürlich mit Mercedes-Benz unterwegs. Im Hintergrund, ganz klein, der Daimler.

Wir wußten noch nicht, wo wir übernachten sollten. Zum Zwecke der Nachtplatzsuche verließen wir also Ushuaia wieder in Richtung Süden und folgten der Ruta 3. Kurz nach der Stadt hört auch der Asphalt auf und geht in Schotterpiste über. Mittlerweile war ich es ja gewöhnt. Erst verfuhren wir uns, weil natürlich nichts ausgeschildert ist, und kamen auf der falschen Flußseite raus. Nur Acker, weit und breit. Dazu noch ein bescheuerter Köter, der aggressiv bellend neben dem Auto herlief, natürlich immer so, daß ich ihn nicht erwischte, denn kaum fuhr das Auto in seine Richtung, schon sprang er über den Graben. Ich hasse kläffende Dreckstölen, zumal ich meistens den Arm auf dem Fenster hängen hab. Wir sahen ein, daß das hier wenig Sinn hatte, zumal alles typischerweise eingezäunt war. Wir drehten um, das Mistviech kam wieder an, diesmal flog ihm allerdings ein faustgroßer Stein entgegen und es drehte ab. Wir fuhren am Abzweig rechts und standen schließlich vor dem Tor eines Nationalparks. Wir kehrten wieder um und fanden den "Camping Municipal", das war ein großer Platz, auf dem man gratis Parken und Zelten und Feuer machen durfte. Sehr angenehm. Da, wo wir uns hinzustellen gedachten, fuhren Autos. Ein freundlicher Argentinier empfahl mir, ich solle mich nahe an den Fluß stellen, hinter den Zaun, "para que los autos no te pisen en la carpa". Ich mußte lachen, denn für mich hört sich das so an: "Damit Dir die Autos nicht auf das Zelt drauftreten." Die Sprachen sind sich schon sehr ähnlich, aber manche Redewendungen hören sich einfach urblöd an. Wir taten, wie uns empfohlen. Ich stellte das Zelt auf, Ines und Almut kochten derweil. Es war ziemlich kalt. Diesmal überlegte sich Almut, ob sie nicht doch im Zelt schlafen sollte, denn hier sahen wir auch ab und zu den einen oder anderen Hund. Ines und Almut wollten am nächsten Tag auf Wanderschaft gehen. Ich meldete mich schon mal ab. Meine Knie verbaten das einfach.
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